Leitsatz (amtlich)
Eine Entschädigung für entgangenen Gewinn, die ein Gewerbetreibender wegen einer behördlich veranlaßten Verlegung von Geschäftsräumen erhält, gehört zum Gewerbeertrag.
Normenkette
GewStG § 7
Tatbestand
Der Revisionsbeklagte (der Steuerpflichtige), der infolge städtischer Umlegungsmaßnahmen seinen Geschäftsbetrieb (Kraftfahrzeug-Handlung) verlegen mußte, erhielt zur Abgeltung aller hieraus entstehenden Ansprüche von der Stadt L. eine Entschädigung in Höhe von 32 000 DM. Hiervon entfielen 16 000 DM auf eine Mietdifferenz- und Umzugskostenentschädigung und 16 000 DM auf eine Entschädigung für entgangenen Gewinn.
Bei der Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags für das Streitjahr 1966 erfaßte der Revisionskläger (das FA) die um die Unkosten verminderte Entschädigungssumme als Gewerbeertrag. Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg. Die Klage, die zuletzt auf das Begehren beschränkt war, den festgesetzten Gewerbeertrag um die Entschädigungssumme für den entgangenen Gewinn zu mindern, hatte Erfolg.
Zur Begründung seiner Entscheidung führte das FG aus:
Die Entschädigung für den durch Betriebsverlegung entstandenen Einnahmeausfall könne nicht als Gewerbeertrag im Sinne des § 7 GewStG angesehen werden. Zwar seien Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden, nach einkommensteuerrechtlicher Betrachtung Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Begriffe "Gewinn aus Gewerbebetrieb" und "Gewerbeertrag" im Sinne des § 7 GewStG deckten sich jedoch nicht in vollem Umfang. Da die Gewerbesteuer auf den Gewerbebetrieb als Objekt bezogen sei, gehörten gewerbliche Einnahmen nur dann zum Gewerbeertrag, wenn sie unmittelbar im gewerblichen Betrieb erwirtschaftet werden. Im vorliegenden Fall stehe die Entschädigung für den entgangenen Gewinn zwar auch in einer gewissen Beziehung zum gewerblichen Betrieb, da sie zum Ausgleich für die durch Geschäftsverlegung entstandene Minderung der betrieblichen Einnahmen gezahlt worden sei. Die Entschädigung sei jedoch nicht Ausfluß der werbenden Tätigkeit des Betriebs, sondern der zwangsweisen Behinderung des Gewerbebetriebs durch das Umlegungsverfahren. Sie sei gezahlt worden, weil der Betrieb Einnahmen im gewohnten Umfang gerade nicht erwirtschaften konnte. Bei der Entschädigung handele es sich also nicht um einen unmittelbaren Ertrag des werbenden Betriebs.
Mit der Revision wird geltend gemacht, daß auch die für die Verminderung von Einnahmen des laufenden Betriebs geleisteten Entschädigungszahlungen Gewerbeerträge seien. Diese Einnahmen könnten nicht anders beurteilt werden als Zahlungen, die beispielsweise die Handelsvertreter nach § 89b HGB als Ausgleich für die ihnen entgehenden zukünftigen Gewinne erhielten (vgl. Urteil des BFH IV 310/64 U vom 21. Januar 1965, BFH 81, 476, BStBl III 1965, 172). Der Revisionskläger beantragt, unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils den Bescheid über den Gewerbesteuermeßbetrag für das Jahr 1966 wiederherzustellen.
Der Revisionsbeklagte beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Wie das FG zutreffend ausgeführt habe, erfasse die Gewerbesteuer nur den Ertrag eines werbenden (lebenden) Betriebs. Es genüge nicht, wenn die Einnahmen nur in gewisser Beziehung zum gewerblichen Betrieb stünden, wie etwa die Entschädigung für einen vom Betriebsinhaber erlittenen Körperschaden; um als Gewerbeertrag erfaßt zu werden, müßten sie unmittelbar einen Ertrag des werbenden Betriebs bilden.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Nach § 7 GewStG ist Gewerbeertrag der nach den Vorschriften des EStG oder des KStG zu ermittelnde Gewinn aus Gewerbebetrieb, vermehrt und vermindert um die in §§ 8, 9 GewStG bezeichneten Beträge.
Der Gewinn, der der Veranlagung zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer zugrunde gelegt wird, ist allerdings nicht in allen Fällen für die Ermittlung des Gewerbeertrags maßgebend. Nach der Rechtsprechung des BFH bedarf es für die Gewerbesteuer vielmehr einer selbständigen Gewinnermittlung, bei der die Vorschriften des EStG und des KStG, die mit dem Charakter der Gewerbesteuer als einer Sachsteuer nicht in Einklang stehen, nicht angewendet werden dürfen (BFH-Urteile I 78/61 S vom 25. Mai 1962, BFH 75, 467, BStBl III 1962, 438; VI 336/62 U vom 20. Dezember 1963, BFH 79, 42, BStBl III 1964, 248; VI 154/65 U vom 20. August 1965, BFH 84, 258, BStBl III 1966, 94; vgl. auch IV R 270/66 vom 5. Dezember 1968, BFH 94, 462, BStBl II 1969, 196).
Die Erfassung der als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährten Entschädigungen (§ 24 Nr. 1a EStG) als Gewerbeertrag steht mit dem Sachsteuercharakter der Gewerbesteuer nicht grundsätzlich in Widerspruch.
Der BFH hat zwar in seinen Urteilen VI 154/65 U (a. a. O.) und I 252/65 vom 28. August 1968 (BFH 93, 466, BStBl II 1969, 8) ausgesprochen, daß eine Unfallentschädigung, die ein Gewerbetreibender wegen Erwerbsminderung aus der Haftpflichtversicherung des Schädigers erhält, nicht zum Gewerbeertrag im Sinne des § 7 GewStG gehört. Er hat diese Entscheidungen auf die Erwägung gestützt, daß Unfallentschädigungen dieser Art trotz ihrer Beziehung zum Gewerbebetrieb keine unmittelbaren Erträge aus dem Betrieb, sondern Folgen eines vom Betriebsinhaber erlittenen Körperschadens seien. Derartige Erwägungen scheiden für die Beurteilung des vorliegenden Falles jedoch aus. Ebenso wie etwa die Entschädigung für die Stillegung eines Betriebsteils zu den im Rahmen des Gewerbeertrags zu erfassenden Betriebseinnahmen gehört (BFH-Urteil I 206/61 U vom 18. September 1962, BFH 75, 547, BStBl III 1962, 468), muß auch die Entschädigung für andere das Betriebsvermögen betreffende Eingriffe zum Gewerbeertrag gerechnet werden. Es geht nicht an, eine Einnahme nur deshalb von ihrer Erfassung als Gewerbeertrag auszuschließen, weil sie nicht auf Grund einer "werbenden Tätigkeit" erzielt wurde. Müßte stets auf das Vorliegen einer werbenden Tätigkeit abgestellt werden, so würde ein nicht unerheblicher Teil der Betriebseinnahmen (wie z. B. Versicherungsleistungen für die durch Brand oder Diebstahl verlorengegangenen Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens, Schadensersatzleistungen wegen Vertragsverletzungen oder unerlaubter Handlungen, Enteignungsentschädigungen und dergleichen) aus dem Gewerbeertrag ausscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 412959 |
BStBl II 1971, 717 |
BFHE 1971, 399 |