Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für den Erwerb eines Zahngoldvorrats als Betriebsausgaben
Leitsatz (amtlich)
Wird der von einem Zahnarzt angeschaffte Zahngoldvorrat nicht innerhalb eines Zeitraums von maximal sieben Jahren verbraucht, kann dies ein Indiz dafür sein, daß er zur privaten Vermögensbildung angeschafft worden ist. Dieser Schluß ist jedoch dann nicht zulässig, wenn der Steuerpflichtige nachweist, daß er bei Anschaffung mit einem Verbrauch innerhalb des genannten Zeitraums gerechnet hatte (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 12.Juli 1990 IV R 137-138/89, BFHE 162, 34, BStBl II 1991, 13).
Orientierungssatz
Auch für Angehörige freier Berufe gilt, daß grundsätzlich der Entscheidung des Steuerpflichtigen überlassen ist, über den Zeitpunkt und Umfang der Vorratsbeschaffung zu befinden. Bei Zahnärzten gehört das zur betrieblichen Verwendung angeschaffte Zahngold zum notwendigen Betriebsvermögen, unabhängig davon, ob es nur von Fall zu Fall oder --bei Ausnutzung einer vermeintlich oder wirklich günstigen Marktsituation-- zur Vorratsbildung oder zur Beistellung an fremde Labors erworben wird. Ergibt sich aber, daß ein angeschaffter Goldvorrat innerhalb eines überschaubaren Zeitraums --in diesem Zusammenhang ein Zeitraum von sechs bis sieben Jahren-- mengenmäßig nicht verbraucht werden kann oder tatsächlich nicht verbraucht worden ist, sondern zur Realisierung von Wertsteigerungen oder zur Begrenzung von Wertverlusten an den Lieferanten zurückverkauft worden ist, kann daraus auf die Veranlassung der Beschaffung zumindest eines Teils des Vorrats durch spekulative Überlegungen, nicht aber durch Praxisbedürfnisse geschlossen werden. Dasselbe gilt, wenn der Vorrat wegen der beschränkten Dauer der freiberuflichen Tätigkeit nicht mehr verbraucht werden kann, sondern anläßlich ihrer Beendigung veräußert werden muß (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
EStG 1981 § 4 Abs. 3-4
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für die Streitjahre (1981 und 1982) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger betreibt seit 1979 eine freiberufliche Zahnarztpraxis, der seit 1983/84 ein Zahnlabor angegliedert ist. Er ermittelt seinen Gewinn durch Einnahmeüberschußrechnung nach § 4 Abs.3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Im Dezember 1981 erwarb der Kläger rd. 4 kg Zahngold (rd. 2,02 kg Maingold und rd. 1,9 kg Heragold). Im Dezember 1982 kaufte er weitere rd. 2,7 kg Maingold. Die hierfür aufgewandten Beträge (rd. 105 000 DM im Jahre 1981 und rd. 95 000 DM im Jahre 1982) zog er bei der Gewinnermittlung als Betriebsausgaben ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dem nicht, nachdem er durch eine Außenprüfung erfahren hatte, daß der Kläger das Gold bis Ende 1982 weder selbst verarbeitet, noch zahntechnischen Labors zur Verarbeitung beigestellt hatte. Der Einspruch der Kläger gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide hatte in diesem Punkt keinen Erfolg. Mit der Klage verfolgten die Kläger ihr Begehren weiter. Der Kläger machte geltend, bis zum Jahre 1988 sei der im Jahre 1981 angeschaffte Heragoldvorrat vollständig verbraucht worden. Von dem in den Jahren 1981 und 1982 angeschafften Maingoldvorrat habe er bis 1988 rd. 134 g verbraucht. Bei der Berechnung der angeschafften Mengen habe er sich davon leiten lassen, daß er im Jahre 1981 6,9 und im Jahre 1982 4 kg Zahngold verbraucht habe. Dabei habe es sich zwar um Zahnersatz gehandelt, den fremde Labore angefertigt hätten. Er habe aber schon damals die --ab 1983 in die Tat umgesetzte-- Absicht gehabt, ein eigenes Labor zu errichten. Der in den Folgejahren tatsächlich geringere Maingoldverbrauch sei vor allem dadurch verursacht, daß zwischenzeitlich eine Veränderung der Zuschußpolitik der Krankenkassen eingetreten und die Nachfrage der Patienten nur gering gewesen sei. Das in früheren Jahren verbreitete Maingold sei zunehmend von der billigeren Legierung Albabond verdrängt worden, von dem er in den Jahren 1983 bis 1988 rd. 3,2 kg verbraucht habe. Außerdem seien für die Herstellung von Prothesen zunehmend Nichtedelmetalle verwendet worden. Er hoffe aber, in Zukunft wieder mehr Maingold verarbeiten zu können, da Nichtedelmetalle und goldreduzierte Legierungen in den Verdacht geraten seien, Allergien auszulösen.
Auf die Klage hin änderte das Finanzgericht (FG) die angefochtenen Bescheide in der Weise, daß es die Aufwendungen für den im Jahre 1981 erworbenen Heragoldvorrat ganz und die für den in den Jahren 1981 und 1982 erworbenen Maingoldvorrat zu einem dem tatsächlichen Verbrauch entsprechenden Teil als Betriebsausgaben anerkannte.
Hiergegen richtet sich die vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassene Revision der Kläger, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Wie der Senat im Urteil vom 12. Juli 1990 IV R 137-138/89 (BFHE 162, 34, BStBl II 1991, 13) ausgeführt hat, gehört bei Zahnärzten das zur betrieblichen Verwendung angeschaffte Zahngold zum notwendigen Betriebsvermögen. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob der Zahnarzt nur von Fall zu Fall Dentalgold erwirbt, oder ob er einen gewissen Vorrat anlegt. Auch für Angehörige freier Berufe gilt, daß es grundsätzlich der Entscheidung des Steuerpflichtigen überlassen ist, über den Zeitpunkt und Umfang der Vorratsbeschaffung zu befinden. Das gilt auch dann, wenn der Zahnarzt bestrebt ist, eine (vermeintlich oder wirklich) günstige Marktsituation auszunutzen und deshalb einen größeren Vorrat an Zahngold anlegt. Diese Auffassung hat der Senat in seinem Urteil vom 12. März 1992 IV R 29/91 (BFHE 168, 405, BStBl II 1993, 36) bestätigt und auf den Fall ausgedehnt, daß das Dentalgold nicht zur Verwendung im eigenen Labor, sondern zur Weitergabe an die mit zahntechnischen Arbeiten betrauten fremden Labors (Beistellung) erworben wird.
2. Dieser Betrachtung sind allerdings, wie der BFH in dem Urteil in BFHE 162, 34, BStBl II 1991, 13 entschieden hat, Grenzen gesetzt. Ergibt sich, daß der Zahnarzt während eines überschaubaren Zeitraums den angeschafften Goldvorrat mengenmäßig nicht verbrauchen konnte oder tatsächlich nicht verbraucht hat, sondern zur Realisierung von Wertsteigerungen oder zur Begrenzung von Wertverlusten Teile des Zahngoldvorrates an den Lieferanten zurückverkauft hat, kann daraus geschlossen werden, daß für die Beschaffung zumindest eines Teils des Goldvorrates allein spekulative Überlegungen, nicht aber Praxisbedürfnisse ursächlich waren. Als überschaubar hat der Senat in diesem Zusammenhang einen Zeitraum von sechs bis sieben Jahren angesehen (BFHE 168, 405, BStBl II 1993, 36). Dasselbe gilt, wenn der beschaffte Vorrat wegen der beschränkten Dauer der freiberuflichen Tätigkeit nicht mehr verbraucht werden kann, sondern anläßlich ihrer Beendigung veräußert werden muß.
3. Diese Ausführungen des Senats dürfen allerdings nicht in der Weise verstanden werden, daß immer dann, wenn die Vorräte nicht innerhalb eines Zeitraums von sechs bis sieben Jahren veräußert werden, hieraus zu schließen wäre, daß das Zahngold als Privatvermögen angeschafft worden ist. Als Indiz dafür, daß die Anschaffung des Zahngolds mit dem Ziel der Spekulation angeschafft worden ist, hat der Senat lediglich den Umstand angesehen, daß der Zahnarzt das Gold innerhalb der Frist ganz oder teilweise verkauft hat, wobei als Abnehmer wegen der Begrenztheit des Marktes naturgemäß in erster Linie der Lieferant in Frage kommt. Wird der Zahngoldvorrat dagegen innerhalb des genannten Zeitraums zwar nicht verarbeitet, aber auch nicht verkauft, ist die Indizwirkung für einen Erwerb in spekulativer Absicht gering. Das ergibt sich auch aus einem Vergleich mit der Vorschrift des § 23 Abs.1 EStG, die lediglich beim Verkauf innerhalb eines kurzen Zeitraums von einem Spekulationsgeschäft ausgeht. Der Nichtverbrauch des Zahngoldvorrates kann allerdings Indiz dafür sein, daß er zur privaten Vermögensbildung angeschafft worden ist. Dieser Schluß ist jedoch dann nicht zulässig, wenn der Steuerpflichtige nachweist, daß er nicht mehr erworben hat, als er nach seinem damaligen Kenntnisstand innerhalb eines überschaubaren Zeitraums von maximal sieben Jahren verbrauchen konnte und daß der Nichtverbrauch seine Ursache in dem von ihm nicht beeinflußbaren Verhalten der Patienten oder der Krankenkassen hat.
4. Das FG hat demgegenüber angenommen, daß der Nichtverbrauch der angeschafften Zahngoldmengen innerhalb eines Zeitraums von maximal sieben Jahren ausnahmslos dazu führt, daß eine betriebliche Veranlassung des Erwerbs zu verneinen ist. Eine so weitgehende Indizwirkung des Umstandes, daß die Zahngoldvorräte nicht in einem überschaubaren Zeitraum verarbeitet wurden, ist --wie dargelegt-- nicht gerechtfertigt und verstößt daher gegen § 4 Abs.4 EStG.
5. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das FG hat --aus seiner Sicht zutreffend-- nicht geprüft, ob der Kläger --wie er behauptet-- in den Jahren vor den beiden Anschaffungen Maingold in einer Menge verarbeitet hat, die es gerechtfertigt erscheinen ließ, für die folgenden sechs bis sieben Jahre einen Vorrat von rd. 4,9 kg anzulegen. Ferner wird das FG der von ihm bisher für unmaßgeblich gehaltenen Frage nachgehen müssen, ob der Maingoldverbrauch aufgrund der Änderung der Zuschußregelungen der Krankenkassen zurückgegangen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 65188 |
BFH/NV 1994, 71 |
BStBl II 1994, 750 |
BFHE 174, 532 |
BFHE 1995, 532 |
BB 1994, 1764 |
BB 1994, 1764-1765 (LT) |
DB 1994, 2008 (LT) |
DStZ 1994, 661-662 (KT) |
HFR 1994, 643-644 (LT) |
StE 1994, 526 (K) |