Entscheidungsstichwort (Thema)
Ansatz des sich aus einem gegenseitigen Vertrag ergebenden Sachleistungsanspruchs auf Übertragung eines Grundstücks im sonstigen Vermögen
Leitsatz (amtlich)
Der sich aus einem gegenseitigen Vertrag ergebende Sachleistungsanspruch auf die Übertragung eines Grundstücks ist im sonstigen Vermögen mit dem gemeinen Wert und nicht mit dem um 40 v.H. erhöhten Einheitswert des zu übertragenden Grundstücks anzusetzen. Änderung der Rechtsprechung (vgl. BFHE 125, 75, BStBl II 1978, 398).
Normenkette
BewG 1974 §§ 9, 110 Abs. 1
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) --ein Ehepaar-- kauften gemäß notariellem Kauf- und Bauvertrag vom 3.August 1981 (Kaufvertrag) ein Grundstück. Der Verkäufer verpflichtete sich in diesem Vertrag, nach Maßgabe der vorliegenden Baubeschreibung ein Reiheneckhaus in angemessener Frist, längstens bis zum Ablauf von zwei Jahren nach Erteilung der Baugenehmigung zu errichten. Besitz, Nutzen und Lasten sollten mit der Abnahme auf die Kläger übergehen. Der Kaufpreis für das Grundstück einschließlich Haus und Garage betrug 368 600 DM; er war in Raten zahlbar. Dabei waren 86 v.H. bis nach Fertigstellung der wesentlichen Schreiner- und Glaserarbeiten, weitere 10,5 v.H. nach Bezugsfertigkeit und Besitzübergabe und der Rest von 3,5 v.H. des Kaufpreises nach vollständiger Fertigstellung zu zahlen. Die Auflassung war gemäß dem Kaufvertrag nach Abnahme des Hauses und Bezahlung des gesamten Kaufpreises zu erklären.
Bis zum 31.Dezember 1981 haben die Kläger Zahlungen von insgesamt 323 211 DM geleistet; davon wurden 316 996 DM an den Verkäufer entrichtet, auf Sonderwünsche entfielen 6 215 DM, die die Kläger entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen unmittelbar an die von ihnen beauftragten Handwerker zahlten. Gegenüber dem Verkäufer waren am 1.Januar 1982 noch die letzten beiden Raten über insgesamt 14 v.H. (*= 51 604 DM) offen. Diesen Betrag entrichteten die Kläger am 5.Mai 1982. Das Gebäude wurde im April 1982 bezugsfertig; die Auflassung wurde im Oktober 1982 erklärt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) hat mit bestandskräftigem Bescheid vom 14.April 1983 den Einheitswert für das Grundstück zum 1.Januar 1983 auf 59 700 DM festgestellt und das Grundstück den Klägern zu diesem Zeitpunkt je zur Hälfte zugerechnet. Aufgrund der Vermögensteuererklärung der Kläger hat das FA auf den 1.Januar 1982 eine Neuveranlagung durchgeführt, bei der es das Gesamtvermögen mit 604 000 DM ermittelte und die Vermögensteuer auf 2 320 DM festsetzte. Den Hauskauf berücksichtigte das FA dadurch, daß es die bis zum 31.Dezember 1981 geleisteten Anzahlungen von insgesamt 323 211 DM als sonstiges Vermögen ansetzte.
Mit der hiergegen nach erfolglosem Einspruch gerichteten Klage beantragten die Kläger, den Vermögensteuerbescheid dahingehend zu ändern, daß der Anspruch auf Übereignung des Grundstücks auf den 1.Januar 1982 nur in Höhe des Einheitswerts als sonstiges Vermögen berücksichtigt werde.
Die Klage hatte nur in geringem Umfang Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat entschieden, daß bei den Klägern auf den 1.Januar 1982 der Anspruch auf Übertragung des Grundstücks mit 368 600 DM und die noch bestehende Restkaufpreisschuld mit 51 604 DM zu erfassen seien. Da im Bewertungsgesetz (BewG) eine ausdrückliche Vorschrift für die Bewertung von Sachleistungsansprüchen fehle, sei der Anspruch der Kläger auf Übertragung des Grundstücks mit dem bezugsfertigen Haus mit dem gemeinen Wert und nicht mit dem zu einem späteren Stichtag festzustellenden Einheitswert für das bebaute Grundstück anzusetzen. Der gemeine Wert des Sachleistungsanspruchs sei nach dem im Vertrag vereinbarten Kaufpreis in Höhe von 368 600 DM ohne Berücksichtigung der unmittelbar für Sonderwünsche an einzelne Handwerker gezahlten Beträge von 6 215 DM zu bemessen. Das FG hat dementsprechend die Vermögensteuer (Jahressteuerschuld) auf 2 290 DM herabgesetzt.
Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr Klageziel weiter und beantragen, die Vermögensteuer auf den 1.Januar 1982 auf 865 DM herabzusetzen. Sie rügen sinngemäß die Verletzung von § 9 BewG. Sachleistungsansprüche seien mit dem gemeinen Wert anzusetzen, der nach dem steuerlichen Wert der Sache --im Streitfall Einheitswert (*= 59 700 DM) zuzüglich 40 v.H.-- und nicht nach dem aufgewendeten Betrag (368 600 DM) zu bemessen sei.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
Das FG hat zutreffend zum Veranlagungsstichtag 1.Januar 1982 bei der Ermittlung des Gesamtvermögens der Kläger den Anspruch auf die Übertragung des Grundstücks mit schlüsselfertigem Gebäude mit 368 600 DM angesetzt und die noch bestehende Restkaufpreisschuld mit 51 604 DM berücksichtigt.
1. An diesem Stichtag war der Kaufvertrag von beiden Vertragsparteien noch nicht vollständig erfüllt. Die Kläger hatten zwar bereits eine Anzahlung in Höhe von 323 211 DM geleistet. Der Verkäufer hatte jedoch weder das Haus bezugsfertig errichtet noch das Grundstück auf die Kläger aufgelassen. Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten waren bis zum 1.Januar 1982 nicht auf die Kläger übergegangen, so daß diese noch nicht wirtschaftliche Eigentümer waren. Das Grundstück konnte deshalb auch noch nicht zu diesem Zeitpunkt --wie das FG zutreffend ausführt-- den Klägern zugerechnet werden. Damit entfällt bei der Ermittlung des Gesamtvermögens zum 1.Januar 1982 der Ansatz des Grundstücks mit 140 v.H. des Einheitswerts. Zu diesem Stichtag war vielmehr der noch nicht erfüllte Sachleistungsanspruch der Kläger auf Übereignung des Grundstücks als sonstiges Vermögen i.S. des § 110 Abs.1 BewG zu erfassen.
Dieser Anspruch ist entgegen der Auffassung der Kläger mit dem gemeinen Wert und nicht mit dem um 40 v.H. erhöhten Einheitswert des zu übertragenden Grundstücks anzusetzen. Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, werden bei der Bewertung des Gesamtvermögens nach § 114 Abs.3 BewG nur die Wirtschaftsgüter, für die ein Einheitswert festzustellen ist, mit den festgestellten Einheitswerten erfaßt. Da für die Bewertung von Sachleistungsansprüchen im sonstigen Vermögen eine besondere Vorschrift fehlt, gelten insoweit gemäß § 17 Abs.3 Satz 1 BewG die allgemeinen Bewertungsvorschriften (§§ 1 bis 16 BewG) mit der Folge, daß nach § 9 Abs.1 BewG der gemeine Wert zugrunde zu legen ist.
Der erkennende Senat hält damit für den Bereich der Vermögensteuer und der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens an der bisherigen Rechtsprechung zur Bewertung von Sachleistungsverpflichtungen und -ansprüchen des früher für diese Materien zuständigen III.Senats (vgl. Urteil vom 3.März 1978 III R 7/76, BFHE 125, 75, BStBl II 1978, 398) nicht mehr fest (vgl. insbesondere das Senats-Urteil vom 10.April 1991 II R 118/86, BFHE 164, 448, BStBl II 1991, 620, m.w.N.). Der Senat sieht im Hinblick auf die Systematik des Bewertungsrechts, wonach Sachleistungsansprüche im sonstigen Vermögen mit dem gemeinen Wert (§ 9 i.V.m. § 17 Abs.3 Satz 1 BewG), im Betriebsvermögen mit dem Teilwert (§ 109 Abs.1 i.V.m. § 10 BewG) anzusetzen sind, keinen zwingenden Grund, den bei der Bewertung des Grundbesitzes nach den Wertverhältnissen vom 1.Januar 1964 ermittelten Einheitswert über den eigentlichen Bewertungsgegenstand hinaus auf Sachleistungsverpflichtungen und -ansprüche zu übertragen. Dies ließe sich nach Auffassung des erkennenden Senats nur rechtfertigen, wenn dadurch im Ergebnis die Besteuerung des Sachleistungsgläubigers und des Sachleistungsverpflichteten im Hinblick auf die bestehende Unterbewertung des Grundbesitzes zu einem gerechteren Ergebnis führte. Denn für den Bereich des sonstigen Vermögens und des Betriebsvermögens führt jedenfalls die Bewertung des Sachleistungsanspruchs oder der Sachleistungsverpflichtung mit dem für den zu leistenden Gegenstand maßgebenden Steuerwert im Endergebnis zu keiner gerechteren steuerrechtlichen Lösung, sondern lediglich zu einer vorzeitigen Verschiebung der steuerlichen --belastenden oder entlastenden-- Folgen, bevor das gegenseitige Geschäft abgewickelt ist (vgl. hierzu Moench, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1978, 567, 570; Brosch, Betriebs-Berater --BB-- 1983, 241; Horschitz/Groß, Bewertung- und Vermögensteuer, 11.Aufl., S. 321; Moench/Glier/Knobel/Werner, Bewertungs- und Vermögensteuergesetz, Kommentar, 1989, § 12 BewG, Anm.4 bis 7; Martin, Der Betrieb --DB-- 1990, 1536). Der Begriff des schwebenden Geschäfts als ein einheitliches Wirtschaftsgut, wie er sich aus dem Senatsurteil vom 10.April 1991 II R 118/86 ergibt, ist im übrigen auf die Behandlung nicht erfüllter gegenseitiger Verträge im sonstigen Vermögen nicht übertragbar. Auf die getrennte Erfassung von Forderungen (Ansprüchen) und Verbindlichkeiten kann schon im Hinblick auf die für Kapitalforderungen (z.B. Kaufpreisanspruch des Veräußerers) i.S. des § 110 Abs.1 Nr.1 BewG geltende Freibetragsregelung des § 110 Abs.2 und 3 BewG nicht verzichtet werden.
Der gemeine Wert des Sachleistungsanspruchs entspricht regelmäßig dem Betrag, der für den Erwerb des Gegenstandes im gewöhnlichen Geschäftsverkehr aufgewendet werden muß. Das FG hat deshalb zutreffend unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22.November 1968 III R 49/68 (BFHE 94, 498, BStBl II 1969, 226) den gemeinen Wert des Sachleistungsanspruchs der Kläger mit dem im Kaufvertrag vereinbarten Kaufpreis von 368 600 DM angesetzt und dabei die von den Klägern für Sonderwünsche unmittelbar an einzelne Handwerker entrichteten Zahlungen in Höhe von 6 215 DM nicht berücksichtigt. Denn diese, außerhalb des notariellen Kaufvertrags mit Dritten vereinbarten Leistungen berühren den Wert des gegen den Verkäufer gerichteten Sachleistungsanspruchs nicht. Ob den Klägern daneben zum Veranlagungsstichtag 1.Januar 1982 ein weiterer Sachleistungsanspruch aufgrund der mit einzelnen Handwerkern abgeschlossenen Verträge zuzurechnen ist, kann der Senat nicht prüfen. Denn das FA hat weder selbst Revision (Anschlußrevision) eingelegt, noch insoweit eine revisionsrechtlich beachtliche Rüge erhoben.
2. Dem Sachleistungsanspruch der Kläger steht zum Veranlagungsstichtag 1.Januar 1982 die noch nicht erfüllte Kaufpreisverpflichtung in Höhe der beiden letzten Raten über insgesamt 51 604 DM gegenüber.
Das FG hat diesen Betrag zur Ermittlung des Gesamtvermögens (§ 118 Abs.1 Nr.1 BewG) mit dem Nennwert (§ 12 BewG) abgezogen. Es hat damit für die Vermögensteuerveranlagung der Kläger zutreffend die Folgen aus dem bis zum 1.Januar 1982 teilweise erfüllten Kaufvertrag gezogen.
3. Da die Kläger im übrigen keine Einwendungen gegen die Ermittlung des steuerpflichtigen Vermögens und der Vermögensteuer erhoben haben und Anhaltspunkte für eine unzutreffende Berechnung nicht erkennbar sind, verbleibt es bei der vom FG mit dem angegriffenen Urteil festgesetzten Vermögensteuer. Die Revision der Kläger erweist sich damit als unbegründet.
Fundstellen
Haufe-Index 63660 |
BFH/NV 1991, 54 |
BStBl II 1991, 749 |
BFHE 164, 464 |
BFHE 1992, 464 |
BB 1991, 1698 |
BB 1991, 1698-1699 (LT) |
DB 1991, 1915-1916 (LT) |
DStR 1991, 1046 (KT) |
HFR 1991, 580 (LT) |
StE 1991, 281 (K) |