Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Bewertung Bewertung/Vermögen-/Erbschaft-/Schenkungsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Ist bei einem Einfamilienhaus infolge Kriegseinwirkung nur ein Teil der Grundfläche für Wohnzwecke benutzbar, so kann der kriegszerstörte Teil unter Umständen bei Anwendung des § 4 Einfamilienhaus-VO nicht als "bebaut" anzusehen sein.
Normenkette
EStG § 21/2; EinfHausVO 2; EinfHausVO 4
Tatbestand
Streitig ist, ob für das Einfamilienhaus des Beschwerdeführers (Bf.), in dem dieser infolge der Kriegszerstörung von elf Räumen nur zwei bewohnen kann, ein Mietwert nach der Verordnung über die Bemessung des Nutzungswertes der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus vom 26. Januar 1937 (Einfamilienhaus-VO) bei der Einkommensbesteuerung anzusetzen ist. Das Finanzamt hat dies bejaht und 3 v. H. des auf den 21. Juni 1948 fortgeschriebenen Einheitswertes von 20.900 DM bei der Einkommensteuer-Veranlagung für II/1948 und 1949 als Nutzungswert angesetzt. Einspruch und Berufung hiergegen hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht geht davon aus, daß das Haus des Bf. auch bei der Wertfortschreibung auf den 21. Juni 1948 als Einfamilienhaus bewertet worden ist. Demgemäß sei der Nutzungswert für das vom Bf. bewohnte Haus nach der Einfamilienhaus-VO vom 26. Januar 1937 zu ermitteln. Der Gesetzgeber habe - wie sich aus dem Wortlaut der Verordnung ergebe - eine starre Regelung getroffen. Es gehe nicht an, die Einfamilienhaus-VO entgegen ihrem klaren Wortlaut nicht anzuwenden. Wenn der Gesetzgeber auch im Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung nicht an so weitgehende Zerstörungen von Einfamilienhäusern habe denken können, so seien ihm doch die mit der Beseitigung von Kriegsschäden zusammenhängenden Steuerfragen bereits seit Jahren bekannt. Da er trotzdem keine Veranlassung gesehen habe, die Bestimmungen der Einfamilienhaus-VO zu ändern, widerspreche eine gegen den Wortlaut der Verordnung verstoßende Auslegung dem Willen des Gesetzgebers.
Der Bf. macht mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) geltend, die Einfamilienhaus-VO sei eine Durchführungsverordnung, die nach der amtlichen Begründung nur dazu dienen solle, die Berechnung der Mietwerte zu vereinfachen. Sie setze aber voraus, daß durch die Benutzung eines Einfamilienhauses Einkünfte erzielt werden. Der sich nach der Verordnung für sein Haus ergebende Mietwert werde jedoch bereits durch die öffentlichen Abgaben aufgezehrt. Da demnach das Haus keine Einkünfte erbringe, könne auch nicht auf Grund der Einfamilienhaus-VO ein fingierter Ertrag errechnet werden. Es sei auch nicht berücksichtigt worden, daß nur die vordere Hälfte des Hauses benutzbar sei, da der hintere Teil in Trümmern liege. Das Finanzgericht habe den ertraglosen Teil des Grundstücks entgegen den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs IV 293/51 U vom 7. Februar 1952 (Slg. Bd. 56 S. 236, Bundessteuerblatt - BStBl - 1952 III S. 93) nicht außer Betracht gelassen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Der Auffassung des Bg., die Einfamilienhaus-VO vom 26. Januar 1937 (Reichsgesetzblatt - RGBl - 1937 I S. 99) habe wegen der starken Zerstörung seines Einfamilienhauses für seine Besteuerung keine Bedeutung, kann zwar nicht gefolgt werden. Die Verordnung setzt lediglich voraus, daß der Eigentümer eines Hauses, das nach § 32 Abs. 1 Ziff. 4 der Durchführungsbestimmungen zum Reichsbewertungsgesetz als Einfamilienhaus bewertet wurde, das Haus selbst bewohnt. Diese Voraussetzungen sind beim Bf. erfüllt. Die Vorinstanzen haben jedoch den Hinweis des Bf., daß nur ein kleiner Teil des Hauses infolge der Kriegszerstörung benutzbar sei, nicht entsprechend gewürdigt. Die Fortschreibung des ursprünglichen Einheitswertes von 52.900 RM auf 20.900 DM trägt diesem Umstande nämlich unter Umständen bei der Ermittlung des Nutzungswertes gemäß § 2 der Einfamilienhaus-VO nicht ausreichend Rechnung. Es wäre zu prüfen gewesen, ob nicht die § 4 dieser Verordnung zugrunde liegenden Erwägungen eine von § 2 der Einfamilienhaus-VO abweichende Ermittlung des Nutzungswertes geboten erscheinen lassen. § 4 der Einfamilienhaus-VO soll verhindern, daß sich bei Gebäuden in einem unverhältnismäßig großen Grundstück der Wert des Grundstücks unangemessen auf die Höhe des Nutzungswertes auswirkt. Die dieser Regelung zugrunde liegende Erwägung kann auch bei den durch Kriegseinwirkung stark beschädigten Einfamilienhäusern Bedeutung haben. Ist z. B. der vordere oder der rückwärtige Teil eines Einfamilienhauses infolge der Zerstörung für Wohnzwecke nicht benutzbar, so kann dieser Gebäudeteil auch für die Anwendung der Einfamilienhaus-VO vom 26. Januar 1937 nicht mehr als "bebaut" angesehen werden. Voraussetzung wäre dabei allerdings, daß ein Teil des Gebäudes durch alle Stockwerke hindurch völlig zerstört ist. Bei der Feststellung des Verhältnisses zwischen der bebauten Grundfläche und der gesamten Fläche des Grundstücks wäre dann nur der tatsächlich benutzbare Teil der Grundfläche des Hauses als bebaute Grundfläche anzusehen, nicht aber der infolge der Kriegszerstörung in Trümmern liegende. Falls die Fläche des Grundstücks größer als das 20fache der hiernach berücksichtigungsfähigen Grundfläche des Hauses wäre, könnte die Ermittlung des Nutzungswertes nach den zu § 4 in dem Runderlaß des Reichsministers der Finanzen S 2128 - 90 III vom 26. Januar 1937 (Reichssteuerblatt 1937 S. 161) mitgeteilten Grundsätzen in Betracht kommen, die eine zutreffende Auslegung der Einfamilienhaus-VO darstellen. ähnliche Erwägungen liegen offenbar auch der Verwaltungsanweisung in Abschn. 171 Abs. 4 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien II/1948 und 1949 zugrunde, nach der bei beschädigten Einfamilienhäusern der Nutzungswert nur vom anteiligen Einheitswert zu berechnen ist.
Da der für das Haus des Bf. auf den 21. Juni 1948 fortgeschriebene Einheitswert trotz der erheblichen Zerstörung des Hauses mit 20.900 DM noch verhältnismäßig hoch ist, liegt die Vermutung nahe, daß das Grundstück infolge seiner Größe einen beträchtlichen Teil des Einheitswertes ausmacht und die Voraussetzungen für eine von § 2 der Einfamilienhaus-VO abweichende Ermittlung des Nutzungswertes vorliegen. Da die Akten hierüber keine ausreichenden Unterlagen enthalten, wird die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das Finanzamt zur Vornahme der hiernach noch erforderlichen Feststellungen und zur etwaigen Neufestsetzung der streitigen Einkommensteuer zurückverwiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 408830 |
BStBl III 1957, 372 |
BFHE 1958, 368 |
BFHE 65, 368 |