Leitsatz (amtlich)
Das Wirksamwerden einer Zustellung nach § 5 Abs. 2 VwZG erfordert, daß der Adressat von dem Zugang des zuzustellenden Schriftstücks Kenntnis erlangt und auf Grund dieser Kenntnis den Willen bekundet, die Zustellung entgegenzunehmen.
Normenkette
VwZG § 5 Abs. 2
Tatbestand
Das FG hatte das Urteil dem FA gemäß § 53 Abs. 2 FGO, § 5 Abs. 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) zugestellt. Dabei fügte das FG dem Urteil den Vordruck eines Empfangsbekenntnisses bei. Der Vordruck trägt den Eingangsstempel des FA vom 29. Juli 1966, einem Freitag. Das mit dem 1. August 1966, einem Montag, datierte und von dem zuständigen zeichnungsberechtigten Beamten des FA unterschriebene Empfangsbekenntnis lautet dahin, daß er „heute”, also am 1. August 1966, das Urteil des FG erhalten habe. Die Revision des FA ging am 30. August 1966 beim FG ein.
Damit ergibt sich die Frage, ob das Rechtsmittel innerhalb der gesetzlichen Monatsfrist eingelegt ist, obwohl nach dem Eingangsstempel das Urteil des FG schon am 29. Juli 1966 im Besitz des FA war. Diese Frage ist zu bejahen.
In einem ähnlichen Fall hat das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Entscheidung Az. 9 RV 334/63 vom 23. März 1966 (NJW 1966, 1382, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1966 S. 476 – HFR 1966, 476 –) ausgeführt: Die Fassung des § 5 Abs. 2 VwZG sei in enger Anlehnung an den die Zustellung von Anwalt zu Anwalt regelnden § 198 ZPO gewählt; diese besondere Art der Zustellung komme nach § 212a ZPO in bestimmten Fällen auch bei der Amtszustellung in Betracht. Nach der zu den Vorschriften der ZPO ergangenen Rechtsprechung müsse auch für das Wirksamwerden einer Zustellung nach § 5 Abs. 2 VwZG gefordert werden, daß der Adressat von dem Zugang des zuzustellenden Schriftstücks Kenntnis erlangt und auf Grund dieser Kenntnisnahme den Willen bekundet, die Zustellung entgegenzunehmen; dabei sei die Kenntnisnahme von dem Inhalt des Schriftstücks nicht erforderlich. Allein der Eingang der Zusendung beim Adressaten bedeute noch keine Zustellung; die Möglichkeit der Kenntnisnahme genüge nicht. Deshalb sei in dem Empfangsbekenntnis als Tag der Zustellung der Tag anzugeben, an dem der Adressat von dem Zugang des Schriftstücks Kenntnis erlangt und sich zur Annahme der Zustellung entschließt.
Das BSG verweist dabei auf zahlreiches Schrifttum und Rechtsprechung, u. a.: Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 26. Aufl., § 198, Anm. 1 B; Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 109 S. 341 (343) und Bd. 159 S. 83 (84). Im gleichen Sinne siehe auch v. Wallis in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 5 VwZG, Anm. 5. Seiner Rechtsauffassung tritt der Senat aus den oben wiedergegebenen Gründen bei.
Tag der Zustellung des FG-Urteils an das FA ist danach im Streitfall nicht der 29. Juli 1966, sondern Montag, der 1. August 1966, an dem der zuständige Beamte des FA ausweislich des von ihm unterschriebenen Empfangsbekenntnisses die Übersendung des Urteils als Zustellung im Sinne von § 5 Abs. 2 VwZG entgegengenommen hat. Dann aber ist mit dem Eingang der Revision beim FG am 30. August 1966 die Frist des § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO gewahrt.
Fundstellen
BStBl II 1970, 31 |
BFHE 1970, 57 |