Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Läßt das Finanzamt bei einer Veranlagung zu Unrecht den teilweisen Abzug von anschaffungsnahen Aufwendungen bei einem neuerworbenen Haus als Werbungskosten zu, so ist es deswegen nicht verpflichtet, auch den Abzug des Restbetrages in den folgenden Veranlagungszeiträumen zuzulassen.
Normenkette
EStG §§ 7, 9, 21; StAnpG § 1
Tatbestand
Der Bf., ein Arzt, erwarb am 17. Januar 1953 ein Haus für 16 240 DM. Im gleichen Jahr ließ er in dem Gebäude umfangreiche Instandsetzungen vornehmen, deren Kosten im Jahre 1953 20 560 DM betrugen. Es wurden vor allem die morschen Fensterstöcke, Türen und Fußböden erneuert, auf Grund einer Auflage des Kreisbauamts baufälliges Mauerwerk erneuert und Wasserklosetts eingebaut. Nach einer Betriebsprüfung vom 28. April bis 4. Mai 1954 führte der Betriebsprüfer zu den Einkünften des Bf. aus Vermietung und Verpachtung in seinem Bericht aus: "Die Gesamtinstandsetzungskosten in Höhe von 20 560 DM will der Steuerpflichtige in drei gleichmäßigen Raten 1953, 1954 und 1955 mit je 6 853 DM absetzen". Das Finanzamt verfuhr danach bei der Einkommensteuerveranlagung für 1953. Die Veranlagung wurde rechtskräftig. Im Jahr 1954 wandte der Bf. für die Instandsetzung des Hauses weitere 5 997,93 DM auf. In seiner Einkommensteuererklärung für 1954 beantragte er je 1/3 der in den Jahren 1953 und 1954 für das Haus gemachten Aufwendungen also 8 851 DM, als Werbungskosten zu berücksichtigen. Das Finanzamt vertrat jedoch nunmehr unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs I 176/54 U vom 25. Oktober 1955 (BStBl 1955 III S. 388, Slg. Bd. 61 S. 489) die Auffassung, die gesamten Instandsetzungskosten der beiden Jahre seien zu den Anschaffungskosten des Hauses zu rechnen und könnten daher nur im Rahmen der normalen Absetzung für Abnutzung mit 1 v. H. als Werbungskosten abgezogen werden. Der Einspruch und die Berufung des Bf. hiergegen hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht rechnete ebenso wie das Finanzamt die vom Bf. in den Jahren 1953 und 1954 für die Instandsetzung des Gebäudes gemachten Aufwendungen zu den nachträglichen Anschaffungskosten des Hauses. Diese Aufwendungen, die den Kaufpreis überstiegen, hingen wirtschaftlich unmittelbar mit dem Erwerb des Hauses zusammen. Das Finanzamt sei auch nicht verpflichtet gewesen, bei der Veranlagung für 1954 ebenso zu verfahren wie bei der Veranlagung für 1953, bei der es 1/3 der in diesem Jahr aufgewendeten Beträge als Werbungskosten berücksichtigt habe. Das Finanzamt habe bei der Veranlagung jedes Jahres die Steuertatbestände selbständig zu ermitteln und zu beurteilen. Dabei könne ein Vorgang rechtlich anders gewürdigt werden als im Vorjahr. Das Finanzamt wäre nur verpflichtet gewesen, das zweite Drittel der 1953 ausgegebenen Instandsetzungskosten bei der Einkommensbesteuerung für 1954 zum Abzug zuzulassen, wenn es dies dem Bf. in einer Weise zugesichert hätte, daß es nach Treu und Glauben an diese Zusage gebunden wäre. Selbst wenn man annehmen würde, der Bf. habe sich mit dem Betriebsprüfer dahin "geeinigt", daß die 1953 angefallenen Aufwendungen in drei gleichen Teilbeträgen in den Jahren 1953 bis 1955 als Werbungskosten abgezogen werden sollten, läge hierin keine derartige Zusage; denn für die Zusicherung einen rechtlich zweifelhaften Sachverhalt in einem bestimmten Sinn zu behandeln, sei in der Regel nur der Sachgebietsleiter zuständig. Der Betriebsprüfer sei es nicht. Komme aber der "Einigung" nur die Bedeutung zu, daß der Prüfer eine derartige Behandlung habe vorschlagen wollen, so könne darin, daß das Finanzamt für 1953 dem Vorschlag gefolgt sei, keine Zusage für das Jahr 1954 erblickt werden. Aber selbst wenn man eine bindende Zusage annehmen wollte, würde sie doch erst nach der Verwirklichung des zu beurteilenden Sachverhalts gegeben worden sein. Eine vom Finanzamt erteilte Auskunft, Zusage oder Zusicherung binde das Finanzamt aber nur, wenn der Steuerpflichtige im Vertrauen auf diese Zusage die wirtschaftliche Maßnahme, um deren steuerliche Auswirkung es gehe, vorgenommen habe. Nur bei den vor der Verwirklichung des Steuertatbestandes erteilten Zusagen gebühre im allgemeinen dem Interesse des Steuerpflichtigen an der Rechtssicherheit der Vorrang vor dem Interesse des Steuerfiskus. Im Streitfall werde aber nicht einmal die Erteilung einer Zusage vor Durchführung der Instandsetzungsarbeiten behauptet. Das Finanzamt sei daher hinsichtlich der im Jahre 1953 gemachten Aufwendungen an keine Zusage gebunden gewesen. Für die erst im Jahre 1954 erwachsenen Ausgaben komme aber eine Zusicherung über eine Aufteilung schon deswegen nicht in Betracht, weil diese Beträge zur Zeit der Betriebsprüfer noch gar nicht bekannt gewesen seien. Sie seien ebenso wie die Aufwendungen des Jahres 1953 zu den nachträglichen Anschaffungskosten zu rechnen, die nur im Rahmen der Abschreibung des Gebäudes nach der voraussichtlichen Nutzungsdauer als Werbungskosten berücksichtigt werden könnten. Der vom Finanzamt dabei angewendete Abschreibungssatz 1 v. H. sei angemessen.
Der Bf. beruft sich zur Begründung der Rb. darauf, daß seine Absicht gewesen sei, die Kosten der Großreparatur des Hauses in drei gleichen Jahresraten abzuschreiben, daß der Betriebsprüfer dies in seinen Bericht aufgenommen und vorgeschlagen habe, wie das Finanzamt die Veranlagung für 1953 vornehmen solle. Diesem Vorschlag bei dem 1/3 der Aufwendungen als Werbungskosten berücksichtigt worden seien, sei das Finanzamt auch gefolgt. Das Finanzamt stütze die hiervon abweichende Behandlung bei der Veranlagung für 1954 auf das Urteil des Bundesfinanzhofs I 176/54 U a. a. O. Wenn das Finanzamt auch die Steuertatbestände für jedes Jahr neu prüfen könne, so habe es doch nicht beachtet, daß es sich bei dem Aufwand von 20 560 DM um einen im Jahr 1953 vollzogenen Vorgang gehandelt habe, den es genauso behandeln müsse, wie es das bei der Besteuerung für 1953 getan habe. Im übrigen habe auch eine verbindliche Zusage über die Berücksichtigung von je 1/3 dieser Aufwendungen vorgelegen, da das Finanzamt dem Vorschlag im Betriebsprüfungsbericht gefolgt sei und sich damit die Auffassung des Prüfers zu eigen gemacht habe. Er habe im Vertrauen darauf, daß seine steuerliche Belastung in den Jahren 1954 und 1955 infolgedessen nicht besonders hoch ausfallen werde, in den Jahren 1954 bis 1956 weitere Verbindlichkeiten übernommen, insbesondere für das Haus.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Die Aufwendungen des Bf. in den Jahren 1953 und 1954 für die Instandsetzung und Modernisierung des im Jahre 1953 gekauften Hauses stehen im unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb des Hauses. Sie sind sogenannte anschaffungsnahe Aufwendungen und daher ein Teil der Anschaffungskosten des Hauses (siehe z. B. Urteile des Bundesfinanzhofs I 176/54 U vom 25. Oktober 1955, BStBl 1955 III S. 388, Slg. Bd. 61 S. 489; IV 74/54 U vom 1. Dezember 1955, BStBl 1956 III S. 41, Slg. Bd. 62 S. 106; VI 26/55 U vom 12. Dezember 1956, BStBl 1957 III S. 36, Slg. Bd. 64 S. 92; VI 212, 213/61 U vom 26. Oktober 1962, BStBl 1963 III S. 39). Im vorliegenden Fall erfüllen diese für die Instandsetzung und Modernisierung des Hauses in den beiden Jahren aufgewendeten Beträge, die mit etwa 26 500 DM erheblich höher sind als der Kaufpreis von 16 240 DM, die Voraussetzungen dieser Rechtsprechung. Ob es sich bei den anschaffungsnahen Aufwendungen um nachgeholte Reparaturen oder um Verbesserungen und Erweiterungen handelt, ist nicht zu untersuchen. Der Betriebsprüfer, der die gesamten Aufwendungen des Jahres 1953 offenbar als nachgeholten Erhaltungsaufwand angesehen und bei der Abfassung seines Prüfungsberichts deshalb geglaubt hat, die in Abschn. 125 Abs. 2 der Einkommensteuer-Richtlinien 1953 getroffene Regelung sei anwendbar, hat dies ebenso wie das Finanzamt bei der Einkommensteuerveranlagung für 1953 verkannt. Die Bf. haben dadurch für 1953 einen ihnen nach dem Gesetz nicht zukommenden Vorteil erlangt, den sie auch behalten, da keine rechtliche Möglichkeit besteht, die in Rechtskraft erwachsene unrichtige Steuerfestsetzung für das Jahr 1953 zu ändern.
Dieser Fehler bei der Einkommensteuerveranlagung für 1953 gibt dem Bf. aber keinen Anspruch darauf, daß der gleiche Fehler zu seinen Gunsten bei der Veranlagung für 1954 und u. U. auch noch für spätere Veranlagungszeiträume wiederholt wird. Jeder Veranlagungszeitraum ist ein selbständiger Besteuerungsabschnitt. Die Grundlagen der Besteuerung sind für jeden Veranlagungszeitraum bei der Veranlagung selbständig festzustellen. Dabei ist das Finanzamt grundsätzlich nicht an eine Sachbehandlung bei der Besteuerung früherer Jahre gebunden (Urteile des Bundesfinanzhofs VI 221/57 U vom 19. September 1958, BStBl 1958 III S. 425, Slg. Bd. 67 S. 396; V 200/58 S vom 18. Januar 1962, BStBl 1962 III S. 298; IV 155/60 U vom 10. Mai 1961, BStBl 1961 III S. 317 Slg. Bd. 73 S. 134. Eine Bindung besteht nur ausnahmsweise nach dem Grundsatz von Treu und Glauben. In diesen Fällen bedarf es jedoch einer genauen Prüfung, ob die Annahme, die Finanzverwaltung sei zu einer bestimmten Sachbehandlung verpflichtet, vertretbar ist, insbesondere wenn diese mit dem Gesetz in Widerspruch stehen würde. Denn die Bevorzugung die einem Steuerpflichtigen dadurch zuteil wird, bedeutet für alle anderen Steuerpflichtigen, bei denen bei gleichem Sachverhalt nach den gesetzlichen Bestimmungen verfahren wird, eine Benachteiligung. Eine solche Verletzung des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung ist allenfalls zu rechtfertigen, wenn ein Steuerpflichtiger, der auf Grund des Verhaltens des des Finanzamts eine bestimmte Behandlung einer zweifelhaften Frage bei seiner Besteuerung erwarten durfte, erheblich geschädigt würde, falls das Finanzamt anders verfahren würde. Eine derartige Bindung der Finanzverwaltung kommt in erster Linie in Betracht, wenn das Finanzamt zusichert, daß es einen vom Steuerpflichtigen unterbreiteten rechtlich zweifelhaften und vom Steuerpflichtigen noch erst zu schaffenden Sachverhalt bei einer späteren Veranlagung des Steuerpflichtigen in einem bestimmten Sinn behandeln werde (siehe Urteil des Senats VI 269/60 S vom 4. August 1961, BStBl 1961 III S. 562, Slg. Bd. 73 S. 813). Eine derartige Zusage liegt im Streitfall nicht vor. Der Betriebsprüfer konnte eine solche Zusage auch gar nicht geben (siehe Urteil des Senats VI 167/61 U vom 20. Juli 1962, BStBl 1963 III S. 23). Nur eine Zusage, die von einem für die Veranlagung zuständigen Beamten erteilt wurde, hätte eine Bindung der Finanzverwaltung herbeiführen können (siehe Urteile des Bundesfinanzhofs I 176/57 U vom 18. November 1958, BStBl 1959 III S. 52, Slg. Bd. 68 S. 137; IV 199/57 U vom 23. Oktober 1958, BStBl 1959 III S.85, Slg. Bd. 68 S. 219; IV 5/59 U vom 28. September 1961, BStBl 1962 III S. 32, Slg. Bd. 74 S. 80). Das Finanzamt ist zwar bei der Einkommensteuerveranlagung der Bf. für 1953 nach dem vom Betriebsprüfer in seinem Bericht gemachten Vorschlag verfahren. Darin liegt aber keine das Finanzamt für die Zukunft bindende Zusage, sondern nur eine Auffassung über die rechtliche Beurteilung eines bereits geschaffenen Sachverhalts. Die Veranlagung für 1953 setzte lediglich die Einkommensteuer für dieses Jahr fest. Sie enthielt keinen Hinweis auf die Besteuerung der folgenden Jahre. Von den im Jahre 1954 gemachten Aufwendungen, die der Prüfer in seinem Bericht nicht erwähnt hat und die ihm bei Abfassung seines Berichts wahrscheinlich auch nicht bekannt waren, konnte das Finanzamt übrigens bei der Veranlagung für 1953 nichts wissen. Es hatte also bei der Veranlagung für 1953 keine vollständige Kenntnis von dem Sachverhalt, insbesondere nicht von dem Ausmaß und den finanziellen Auswirkungen der von den Bf. geplanten Bauarbeiten. Eine verbindliche Zusage setzt aber auch voraus, daß sie einen konkreten Sachverhalt betrifft, dessen zahlenmäßige Auswirkungen genau zu übersehen sind. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall hinsichtlich der Aufwendungen des Jahres 1953 und erst recht bei denen des Jahres 1954. Eine verbindliche Zusage des Finanzamts, daß die zur Erneuerung des Hauses gemachten Aufwendungen jeweils im Jahr der Aufwendung und in den beiden folgenden Jahren als Werbungskosten abzugsfähig sein sollten, liegt daher aus mehreren Gründen nicht vor.
Eine Verpflichtung zu einer mit dem Gesetz in Widerspruch stehenden Sachbehandlung kann auch nicht aus dem sonstigen Verhalten des Finanzamts entnommen werden. Es hat die Einkommensteuer der Bf. für 1953 zwar günstiger festgesetzt, als es dem EStG entsprochen hätte. Aus diesem in einem Veranlagungszeitraum unterlaufenen Fehler ergibt sich aber kein Anspruch der Bf. auf die gleiche fehlerhafte Besteuerung für die folgenden Jahre. Wenn die Steuerpflichtigen im Vertrauen auf die Erörterungen mit dem Betriebsprüfer und auf den für sie günstigen Steuerbescheid für 1953 Aufwendungen gemacht haben sollten, die sie bei Kenntnis der wahren Rechtslage unterlassen hätten, so kann dies für das Finanzamt allenfalls ein Grund für eine Stundung von Steuerbeträgen sein, wenn die Steuerpflichtigen durch die unrichtige Beurteilung ihrer steuerlichen Verhältnisse in finanzielle Schwierigkeiten gekommen sein sollten. Ob hierfür eine Veranlassung besteht, ist von den Behörden der Finanzverwaltung zu beurteilen. Im vorliegenden Verfahren kann hierüber nicht entschieden werden.
Da demnach die Vorentscheidung in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden ist, kann die gegen sie gerichtete Rb. keinen Erfolg haben.
Fundstellen
Haufe-Index 410634 |
BStBl III 1963, 86 |
BFHE 1963, 239 |
BFHE 76, 239 |
BB 1963, 259,260 |