Leitsatz (amtlich)
Schließen Landwirte mit einem Viehgroßhändler Verträge ab, auf Grund deren lebend angelieferte Schweine vom Großhändler in Lohnschlachtung geschlachtet und nach Schlachtgewicht gekauft werden, so kann der Großhändler für die Weiterlieferung der Schweinehälften dann nicht den ermäßigten Steuersatz des § 7 Abs. 3 UStG in Anspruch nehmen, wenn ihm bereits im Zeitpunkt der Anlieferung die Verfügungsmacht im Sinne des § 2 UStDB über die Schweine verschafft worden ist.
Normenkette
UStG § 3 Abs. 1, § 7 Abs. 3; UStDB 1938 §§ 2, 12; UStDB 1951 §§ 2, 12
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.), die eine Wurstfabrik und den Großhandel mit Fleisch betreibt, hat in den streitigen Veranlagungszeiträumen auch folgende Geschäfte durchgeführt, deren umsatzsteuerliche Behandlung streitig ist. Sie schloß teils unmittelbar mit Landwirten, teils durch Vermittlung von Viehagenten Verträge ab, auf Grund deren sie im Auftrage der Landwirte Schweine in Lohnschlachtung schlachtete und die geschlachteten Schweine nach Schlachtgewicht kaufte. Die Schweine, die den Gegenstand dieser Verträge bildeten, wurden durch die Landwirte, teilweise auch durch die Viehagenten der Bfin. lebend angeliefert, im Betriebe der Bfin. mit Brandzeichen kenntlich gemacht und sodann geschlachtet und in Hälften zerlegt. Die Bfin. rechnete mit den Anlieferern die Schweine nach Schlachtgewicht ab und lieferte die Schweinehälften im Großhandel weiter. Streitig ist allein, ob die Bfin. für die Weiterlieferung der Schweinehälften die Großhandelsvergünstigung nach § 7 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Anspruch nehmen kann.
Die Vorinstanzen haben dies verneint. Das Finanzgericht hat hierzu ausgeführt, daß die Bfin. bereits mit der Anlieferung der Schweine befähigt werde, über diese im eigenen Namen zu verfügen. Das Anliefern erfolgte nicht nur etwa des Schlachtens wegen, sondern im Hinblick auf die bevorstehende Eigentumsübertragung. Es liege bereits zu diesem Zeitpunkt die umsatzsteuerrechtliche Verschaffung der Verfügungsmacht vor. Infolge der nach der Anlieferung der Ware erfolgten steuerlich schädlichen Bearbeitung (Töten, Abbrühen, Abschaben und Zerlegen) fehle es an der Nämlichkeit von erworbener und weitergelieferter Ware.
Entscheidungsgründe
Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde ist nicht begründet worden; sie kann keinen Erfolg haben. Die Vorentscheidung läßt einen Rechtsirrtum oder Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten nicht erkennen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs wie des Bundesfinanzhofs (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs V 156/38 vom 9. Februar 1940, Slg. Bd. 48 S. 208/210, Reichsteuerblatt -- RStBl. -- 1940 S. 478/480 und V 336/39 vom 25. Oktober 1940, Slg. Bd. 49 S. 232, RStBl. 1941 S. 94, Urteile des Bundesfinanzhofs V 51/52 U vom 27. April 1953, Bundessteuerblatt -- BStBl. -- III S. 179, V 132/52 U vom 27. April 1953, BStBl. III S. 260) sind im Umsatzsteuerrecht allein die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend. Danach ist entscheidend, daß die Bfin. über die angelieferten Schweine, wie die Vorinstanz tatsächlich und damit den Senat bindend festgestellt hat, die uneingeschränkte Verfügungsmacht erhält so daß die Lieferung bereits zu diesem Zeitpunkt gemäß § 2 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) als bewirkt anzusehen ist. Da die von der Bfin. vorgenommenen steuerlich schädlichen Bearbeitungsmaßnahmen nach diesem Zeitpunkt liegen, sind ihr diese gemäß § 12 UStDB auch zuzurechnen. Dagegen kann es auf die Entgeltberechnung nach dem Schlachtgewicht nicht entscheidend ankommen. Wenn die Bfin. in ihrer Einspruchsbegründung hervorhebt, daß für die Vertragsgestaltung nicht steuerliche Gesichtspunkte maßgebend gewesen, sondern daß die Maßnahmen getroffen worden seien, weil die Erfahrung gelehrt habe, daß beim Ankauf lebender Schweine infolge der Überfütterung der Tiere vor der Ablieferung die Schlachtverluste und damit das Risiko zu hoch würden, so mag dies zutreffen. Für die Beurteilung des Vertrags ist aber das von den Parteien erstrebte wirtschaftliche Ergebnis maßgebend, das sich durch die Übernahme der Schlachtung durch die Bfin. nicht geändert hat. Denn den Landwirten kam es auf den Absatz ihres Schlachtviehes an, über welches die Verfügungsmacht mit der "Anlieferung" auf die Bfin. überging, die ihrerseits nicht. Schlachtvieh, sondern Schweinehälften, also ein anderes Verkehrsgut zu liefern hatte, so daß ihre gesamte Lieferertätigkeit als einheitlich hierauf abgestellt anzusehen ist, andernfalls man einem der tragenden Grundsätze dem Umsatzsteuerrechts zuwider einen einheitlich wirtschaftlichen Vorgang in seine Bestandteile aufspalten würde (vgl. auch Urteil des Reichsfinanzhofs V A 811/32 vom 3. November 1933, RStBl. 1934 S. 927).
Die Bfin. kann sich auch nicht auf den Erlaß des Bundesministers der Finanzen IV S 4215 -- 7/51 vom 10. November 1951 (Umsatzsteuerkartei S 4215 Karte 51) berufen, der übrigens als Verwaltungsanweisung für die Steuergerichte nicht bindend wäre. Denn dieser Erlaß betrifft die hier nicht zu entscheidende Frage, welcher Steuersatz auf Verkäufe der Landwirte anzuwenden ist, wenn diese ihr Vieh nicht lebend verkaufen, sondern wenn sie die Tiere schlachten lassen und dann Fleisch liefern. Mit Recht hat die Vorentscheidung hervorgehoben, daß Fälle denkbar sind, in denen der Viehagent oder Schlachter zwar den bürgerlich-rechtlichen Besitz an den Tieren erlangt hat, aber diese umsatzsteuerrechtlich nicht erwirbt, weil er nicht befähigt worden ist, im eigenen Namen über die Schweine zu verfügen, während die Bfin. im Streitfalle bereits mit der Anlieferung die volle Verfügungsmacht über die Schweine erhält, so daß nach den obigen Ausführungen eine Lieferung lebender Schweine an die Bfin. anzunehmen ist.
Da somit die beiden Umsätze nicht Gegenstände der gleichen Art betreffen, sondern die Nämlichkeit geändert ist, hat das Finanzgericht ohne Rechtsirrtum die Großhandelsvergünstigung nach § 7 Abs. 3 UStG abgelehnt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 307 der Reichsabgabenordnung.
Fundstellen
BStBl III 1954, 44 |
BFHE 1954, 345 |