Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Verpachtet eine Besitzfirma an eine Produktions- und Vertriebsgesellschaft, an der sie allein oder zusammen mit ihren Gesellschaftern zu 100 v. H. beteiligt ist, neben dem unbeweglichen und beweglichen Anlagevermögen auch immaterielle Werte (konstruktive Unterlagen und Erfahrungen, Einkaufs- und Absatzorganisation usw.), so entsteht bei der Verpächterin durch die Zahlung des Pachtzinses für diese immateriellen Werte in der Regel kein bewertungsfähiges Wirtschaftsgut (Firmenwert, Geschäftswert) im Sinne der §§ 2, 54 Abs. 1 BewG.
Normenkette
BewG §§ 2, 54/1, § 95/1
Tatbestand
Die Bfin., eine KG, hat im Jahre 1952 im Wege der sog. Betriebsaufspaltung die Herstellung und den Verkauf ihrer Erzeugnisse an eine neu gegründete GmbH übertragen. Dabei wurden neben dem unbeweglichen und dem beweglichen Anlagevermögen auch sämtliche vorhandenen konstruktiven Unterlagen und Erfahrungen, Herstellungsverfahren, Einkaufs- und Absatzorganisation usw., die Benutzung der bisher von der KG geführten Fabrikmarken sowie sämtliche Musterschutzrechte an die GmbH verpachtet. Nach dem Pachtvertrag erhält die Bfin. außer der Pacht für das unbewegliche und das bewegliche Anlagevermögen für die genannten immateriellen Werte als Pachtzins 1 v. H. des Umsatzes der Pächterin. Die Pacht für die immateriellen Werte betrug im Jahre 1956 47.755 DM und im Jahre 1957 47.138 DM.
In der Vermögensaufstellung zum 1. Januar 1957 gab die Bfin. den Wert ihres Betriebsvermögens mit 957.000 DM an. Das Finanzamt stellte auf den 1. Januar 1957 einen Einheitswert des Betriebsvermögens der Bfin. von 1.153.000 DM fest. Es setzte dabei einen im Firmenwert enthaltenen Wert der Kundschaft und der Organisation mit 65.000 DM an. Bei der Berechnung dieses Wertes ging es entsprechend einem Vorschlag des Betriebsprüfers davon aus, daß von der für die immateriellen Werte vereinnahmten jährlichen Durchschnittspacht von 45.000 DM 1/5 = 9.000 DM auf die überlassene Organisation und Kundschaft entfiel. Diese 9.000 DM vervielfachte es mit dem nach § 15 Abs. 1 BewG für eine Laufzeit von neun Jahren maßgebenden Vervielfältiger von 7,335.
Der Einspruch, mit dem sich die Bfin. gegen den Ansatz des Firmenwertes wandte, führte zu einer Verböserung. Der Steuerausschuß stellte den Einheitswert des Betriebsvermögens der Bfin. zum 1. Januar 1957 auf 1.493.000 DM fest. Er setzte den Firmenwert mit dem vollen durchschnittlichen Pachtzins von 45.000 DM an, den es mit dem nach § 15 Abs. 2 BewG maßgebenden Vervielfältiger 9 vervielfachte, so daß sich als Firmenwert ein Betrag von 405.000 DM ergab.
Die Berufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht vertritt die Auffassung, daß bei der Einheitswertfeststellung für das Betriebsvermögen der Bfin. zu Recht ein Geschäftswert angesetzt worden sei. Dieser Geschäftswert sei die Gesamtheit der von der Bfin. verpachteten immateriellen Wirtschaftsgüter. Er sei im Streitfall auch nach § 66 Abs. 1 BewG zu bewerten. Zwar sei nach dem Urteil des Reichsfinanzhofs III A 84/28 vom 28. Februar 1930 (RStBl 1930 S. 287) ein solcher Geschäftswert nicht grundsätzlich bewertbar, weil es im allgemeinen an Anhaltspunkten für eine angemessene und gleichmäßige Bewertung fehle. Im Streitfall lägen aber solche Anhaltspunkte in dem für den Geschäftswert vereinbarten und bezahlten Pachtzins vor. Nach dem Urteil des Reichsfinanzhofs III A 313/34 vom 25. Oktober 1934 (RStBl 1935 S. 25) könnten auch Aufwendungen anderer Personen bezeichnend dafür sein, daß der Verkehr einen immateriellen Wert als Wirtschaftsgut anerkenne. Dieser Rechtsprechung schließe sich das Finanzgericht an. Es stehe kein Grund, den Geschäftswert nur deswegen unbewertet zu lassen, weil er nicht durch ein Veräußerungsentgelt, sondern durch Zahlung von Pacht von den Vertragspartnern als Wirtschaftsgut anerkannt und damit vergegenständlicht worden sei. Die Bfin. könne sich auch nicht auf das Urteil des Bundesfinanzhofs I 39/56 S vom 29. Mai 1956 (BStBl 1956 III S. 226, Slg. Bd. 63 S. 76) stützen. Denn dort sei ein Fall entschieden worden, in dem mangels einer aus der Vereinbarung der Parteien bestimmbaren Gegenleistung der Geschäftswert nicht einigermaßen gleichmäßig und zuverlässig ermittelt werden konnte. Im Streitfall lasse sich jedoch der Geschäftswert nach der Höhe der dafür zu entrichtenden Pacht bemessen. Denn es könne davon ausgegangen werden, daß sich, wie im Wirtschaftsleben in der Regel, so auch hier Leistung und Gegenleistung deckten. Daran ändere auch das Vorbringen der Bfin. nicht, mit dem Pachtzins für den Geschäftswert solle nach dem Willen der Parteien auch der Verzicht der Bfin. auf eine eigene Betriebstätigkeit abgegolten werden. Es liege kein echter Verzicht vor, weil bei einer Betriebsaufspaltung regelmäßig der Betrieb nur in anderer Rechtsform fortgeführt werde. Aber auch wenn die Frage des Verzichts auf eine eigene Betriebstätigkeit für den Wert bedeutsam sei, den die überlassung des Geschäftswerts für die Pächterin habe, komme dieser Wert in der vereinbarten und gezahlten Pacht zum Ausdruck. Der Bewertung des Geschäftswertes stehe auch nicht im Wege, daß für die überlassung der immateriellen Güter kein fester Betrag zu zahlen sei. § 59 Ziff. 2 in Verbindung mit § 67 Ziff. 5 Sätze 2 bis 4 BewG lasse sich als Spezialvorschrift im Streitfall auch nicht analog anwenden. Der Geschäftswert sei schließlich zu Recht mit dem Neunfachen der für den Geschäftswert jährlich zu zahlenden Pacht angesetzt worden. Es könnte weder ein Entgelt für den Verzicht der Bfin. auf eine eigene Betriebstätigkeit noch die verpachteten Marken-Warenzeichen und Musterschutzrechte aus dieser Pacht ausgeschieden werden. Die im Jahre 1960 getroffenen Vereinbarungen zwischen der Bfin. und der Pächterin seien für den hier strittigen Stichtag (1. Januar 1957) nicht von Bedeutung.
Mit der Rb. rügt die Bfin. unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Nach § 66 BewG seien die zu einem gewerblichen Betrieb gehörenden Wirtschaftsgüter anzusetzen. Nach dem Urteil des Reichsfinanzhofs III A 84/28 vom 28. Februar 1930 (a. a. O.) sei ein Geschäftswert nur dann und insoweit ein bewertbares Wirtschaftsgut, als es entgeltlich erworben sei. Das Urteil des Reichsfinanzhofs III A 313/34 vom 25. Oktober 1934 (a. a. O.) gehe zwar davon aus, daß auch Aufwendungen anderer Personen dafür bezeichnend sein könnten, daß der Verkehr einen immateriellen Wert als Wirtschaftsgut annehme. Damit habe die Rechtsprechung den sicheren Grund der klaren Abgrenzung zwischen derivativem und originärem Geschäftswert verlassen. Dieses Urteil könne im Licht der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht mehr aufrechterhalten werden. Diese Auffassung werde durch Abschn. 53 Abs. 3 der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) 1960 bestätigt, in dem die in Abschn. 28 Abs. 2 VStR 1953 enthaltene Anweisung nicht mehr aufgenommen sei. Der Standpunkt des Finanzgerichts würde praktisch dazu führen, daß das Bestehen eines Firmenwertes an die Dauer des Pachtvertrages geknüpft wäre. Diese Konsequenz lasse die Künstlichkeit der Konstruktion deutlich werden. Die Forderung nach der Einheit der Rechtsordnung schließe die Forderung nach der einheitlichen Beurteilung steuerlich relevanter Sachverhalte bei allen Einzelsteuern ein. Die Auffassung des Finanzgerichts führe auch zu einer unterschiedlichen Behandlung von Firmenwerten, je nachdem, ob sie realisiert worden seien oder nicht. Darin könne ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) liegen. Das Argument der Bfin., mit der Vereinbarung der Umsatzpacht habe wirtschaftlich der Verzicht der Bfin. auf eine eigene Betriebstätigkeit abgegolten werden sollen, sei vom Finanzgericht nicht entkräftet. Wenn das Finanzgericht dabei auf die Einheit des Unternehmens auch nach der Betriebsaufspaltung abhebe, dann könne konsequenterweise auch von einer Vergegenständlichung des Firmenwerts nicht die Rede sein. Die Bfin. stehe nach wie vor auf dem Standpunkt, die für die überlassung der immateriellen Werte vereinbarte und gezahlte Pacht sei nur ein Rechnungselement im Rahmen der Gesamtpacht. Die Teile der Gesamtpacht, die auf das unbewegliche und bewegliche Anlagevermögen entfielen, entsprächen den üblichen angemessenen Sätzen. In dem variabel gestalteten Teil des Pachtentgeltes sei dagegen die Abgeltung des Verzichts der Bfin. auf eine eigene Betriebstätigkeit zu erblicken. Das Finanzgericht habe auch zu Unrecht die Anwendung des § 59 Ziff. 2 in Verbindung mit § 67 (Abs. 1) Ziff. 5 Sätze 2 bis 4 BewG abgelehnt. Zwischen dem Geschäftswert eines Unternehmens und einer ungeschützten Erfindung bestehe eine analoge Beziehung in der Weise, daß es sich bei beiden um rein tatsächliche Verhältnisse ohne rechtsbeständige Fundierung handele. Wenn es der ratio legis entspreche, diesem Umstand wegen der Schwierigkeiten der Bewertung dadurch Rechnung zu tragen, daß eine ungeschützte Erfindung nur bei einer überlassung gegen Zahlung fester Beträge angesetzt wird, so müsse dies auch bei der überlassung eines Geschäftswerts im Wege eines Pachtvertrages gelten. Im übrigen werde auch, wenn feste Beträge gezahlt würden, für die Kapitalisierung der Jahresbeträge höchstens ein Zeitraum von drei Jahren zugrunde gelegt. Das müsse dann aber auch für den Geschäftswert gelten.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Die Vorentscheidung hat sich der Auffassung des Reichsfinanzhofs in dem Urteil III A 313/34 vom 25. Oktober 1934 (a. a. O.) angeschlossen, daß auch Aufwendungen anderer Personen bezeichnend dafür sein können, daß der Verkehr einen immateriellen Wert als Wirtschaftsgut anerkennt, und der Geschäftswert deshalb nicht nur durch ein Veräußerungsentgelt, sondern auch durch Zahlung von Pacht von den Vertragspartnern als Wirtschaftsgut vergegenständlicht werden kann. Diese Auffassung hat auch der erkennende Senat in dem Urteil III 65/62 U vom 27. Juli 1962, BStBl 1962 III S. 436, Slg. Bd. 75 S. 460) vertreten. Er hat entschieden, daß bei einer verpachteten Apotheke beim Verpächter ein Firmenwert anzusetzen sein kann, wenn sich aus der Höhe des Pachtzinses eine Vergütung für die überlassung des Firmenwerts ergibt. In den Entscheidungsgründen hat er ausgeführt, daß bei der Verpachtung alsdann ein Firmenwert genauso in Erscheinung getreten und realisiert worden ist, wie bei einer Veräußerung durch Bezahlung des Firmenwerts, nur daß das eine Mal die Zahlung in einem Betrag (evtl. in Raten) und das andere Mal in Form laufender Vergütungen erfolgt.
Die Bfin. erhebt gegen diese Auffassung eine Reihe von grundsätzlichen Einwendungen. Auf sie braucht jedoch im einzelnen nicht eingegangen zu werden, weil auch bei Anwendung dieser Grundsätze im Streitfall ein Firmenwert bei der Bfin. nichtangesetzt werden kann. Es kann nach Auffassung des Senats nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Bfin. die immateriellen Werte nicht an einen fremden Dritten, sondern an die im Wege der Betriebsaufspaltung aus ihr hervorgegangene GmbH, an der sie von 80 v. H. und ihre beiden Gesellschafter zu je 10 v. H. beteiligt sind, verpachtet hat. Das Finanzgericht weist selbst darauf hin, daß bei einer Betriebsaufspaltung regelmäßig der Betrieb nur in anderer Rechtsform fortgeführt werde. Das ist vom Bundesfinanzhof in mehreren Entscheidungen anerkannt worden (vgl. Urteile I 38/52 U vom 26. August 1952, BStBl 1952 III S. 261, Slg. Bd. 56 S. 681; IV 435/53 U vom 27. Januar 1955, BStBl 1955 III S. 125, Slg. Bd. 60 S. 326, und I 1/57 U vom 10. September 1957, BStBl 1957 III S. 396, Slg. Bd. 65 S. 427). In dem Urteil IV 435/53 U vom 27. Januar 1955 (a. a. O.) wird dazu ausgeführt: "Die Vorentscheidung) hat rechtlich einwandfrei ausgeführt, daß auch nach der Betriebsaufspaltung und der Verpachtung an die Betriebsgesellschaften die Grundstücke dem eigenen gewerblichen Betrieb des Bg. dienten. Die Betriebsgesellschaften waren im Zuge der Umorganisation aus dem Einzelunternehmen des Bg. hervorgegangen, setzten die bisherige Fabrikation unverändert fort, hatten die Buchwerte übernommen und wurden wirtschaftlich vom Bg. und seiner mit ihm zusammenlebenden Ehefrau beherrscht. Wenn auch durch die Gründung der Kapitalgesellschaften handelsrechtlich eigene Rechtspersönlichkeiten entstanden waren, und diese die Betriebsgrundstücke nicht kraft eigenen Rechts, sondern auf Grund von Pachtverträgen nutzten, so ist doch nach der das Steuerrecht beherrschenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise durch die Umorganisation und die Betriebsspaltung nur die Rechtsform des Unternehmens des Bg. geändert worden. Wirtschaftlich blieben alle Betriebe auch nach der Spaltung ein einheitliches Unternehmen." Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Danach liegt im Streitfall wirtschaftlich trotz der Betriebsaufspaltung ein einheitliches Unternehmen vor. Es ist der Bfin. darin zuzustimmen, daß man bei einer Verpachtung innerhalb eines solchen einheitlichen Unternehmens nicht davon sprechen kann, daß durch die Zahlung des Pachtzinses bei der Bfin. ein Geschäftswert als bewertungsfähiges Wirtschaftsgut in Erscheinung getreten ist. Denn es handelt sich dann um einen internen Vorgang dieses Unternehmens, aus dem man keine Schlüsse ziehen kann, daß der Verkehr den Firmenwert der Bfin. als Wirtschaftsgut anerkannt hat. Dieser ist vielmehr in der Hand der Bfin. ein originärer Geschäftswert geblieben, der nicht angesetzt werden kann.
Da die Vorentscheidungen dies verkannt haben, waren sie aufzuheben. Die Sache geht an das Finanzamt zurück, das nunmehr den Einheitswert des Betriebsvermögens der Bfin. auf den 1. Januar 1957 ohne Ansatz eines Geschäftswertes festzustellen haben wird.
Fundstellen
Haufe-Index 411453 |
BStBl III 1965, 80 |
BFHE 1965, 217 |
BFHE 81, 217 |