Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze Sonstiges Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Beantragt ein Abgabeschuldner den Erlaß der HGA wegen ungünstiger Ertragslage und hat er im Erlaßzeitraum das Grundstück oder einen Grundstücksteil einer anderen Person unentgeltlich überlassen, so ist ein Grundstücksertrag in die Ertragsberechnung dann einzusetzen, wenn die unentgeltliche überlassung den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung nicht entspricht.
Unter dem unbestimmten Rechtsbegriff "Grundsätze einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung eines Grundstücks" ist das zu verstehen, was ein ordentlicher, sparsam wirtschaftender und auf die fristgerechte Tilgung der auf dem Grundstück ruhenden öffentlichen Lasten und anderer Grundpfandrechte bedachter Grundstückseigentümer für richtig hält.
Normenkette
LAG § 129 Abs. 1; 17-AbgabenDV-LA 4/3/1; 17-AbgabenDV-LA 5; AO § 258 Abs. 2, § 288/2
Tatbestand
Am 21. August 1959 stellte die Bfin. den Antrag, ihr nach § 129 LAG die Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 3.457,26 DM für den Erlaßzeitraum 1956 bis 1958 wegen ungünstiger Ertragslage zu erlassen. In der beigefügten Ertragsberechnung hatte sie die Mieteinnahmen einschließlich Umlagen für zwei Wohnungen und den Mietwert der von ihr selbst benutzten Wohnung als Grundstückserträge angegeben. Für den ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter überlassenen Wohnraum hatte sie keinen Mietwert eingesetzt. Die Ertragsberechnung schloß mit einem Verlust von 858,74 DM ab.
Das Finanzamt berichtigte die Ertragsberechnung, indem es für den dem Sohn überlassenen Wohnraum einen Mietwert von jährlich je 600 DM als zusätzlichen Grundstücksertrag einsetzte und von den Betriebskosten diejenigen der Hausreinigung in Höhe von jährlich je 480 DM und diejenigen der Gartenpflege in Höhe von jährlich je 200 DM nicht anerkannte, da sie nicht nachgewiesen seien. Außerdem wurden vom Finanzamt kleinere Beträge gestrichen, weil es sich dabei um Aufwendungen für private Zwecke handle. Nach diesen Berechnungen ergab sich ein verbleibender Grundstücksüberschuß von 3.233,31 DM. Da demnach das Grundstück "wirtschaftlich" sei, lehnte das Finanzamt den Antrag ab, obwohl ein Fehlbetrag von 223,95 DM vorlag.
In dem Einspruchsverfahren machte die Bfin. geltend, ihr Sohn sei am 2. Januar 1950 nach 5 1/2 jähriger Kriegsgefangenschaft mit 27 Jahren vollständig mittellos und gesundheitlich angegriffen aus Rußland zurückgekehrt. Sie habe schon vor seiner Rückkehr ein Zimmer (22 qm) mit Genehmigung des Quartieramts bereitgestellt. Nach seiner Rückkehr habe sie innerhalb des Hauses Umbauten vornehmen müssen, um jede Fläche auszunützen. Am 1. Mai 1950 habe ihr Sohn sein juristisches Studium begonnen und im Dezember 1953 beendet. Bis zum Oktober 1954 habe er als Gerichtsreferendar im Vorbereitungsdienst keine Unterstützung erhalten. Im Oktober 1954 habe er geheiratet. Ihre Schwiegertocher habe bis zu ihrer Heirat den Schwesternberuf ausgeübt, habe aber auf ärztliches Anraten diesen Beruf aufgeben müssen. Sie sei Flüchtling. Die Unterhaltsbeihilfe des Sohnes, die ihm seit dem Oktober 1954 gezahlt wurde, habe ursprünglich 180 DM betragen, sei später auf 240 und zuletzt im Jahre 1957 auf annähernd 300 DM erhöht worden. Aus diesen Beträgen habe der Sohn seinen gesamten Lebensunterhalt für sich und seine Frau und die Beschaffung der notwendigen Möbel und Haushaltseinrichtung bestreiten müssen. Weder seine Frau als Flüchtling A noch er als Spätheimkehrer hätten irgendeine Hausratshilfe bekommen. Nach Beendigung des Vorbereitungsdienstes als Referendar im Oktober 1957 habe er als juristischer Hilfsarbeiter bis zum 31. Dezember 1958 mit einem Monatsgehalt von 200 DM auskommen müssen. Erst seit dem 1. Januar 1959 übe er eine kaufmännische Tätigkeit aus. Unter diesen Umständen sei es ihrem Sohn beim besten Willen nicht möglich gewesen, eine Miete für die in ihrem Haus benutzte Wohnung zu zahlen. Sie sei aber gemäß den §§ 1601 ff. BGB unterhaltspflichtig gewesen. Im übrigen ließ die Bfin. von den geltend gemachten und vom Finanzamt nicht anerkannten Bewirtschaftungskosten Ausgaben im Gesamtbetrag von 90,30 DM fallen. Die Geltendmachung aller übrigen Bewirtschaftungskosten hielt sie aufrecht. Der Einspruch blieb erfolglos.
Im Laufe des Berufungsverfahrens wurden von dem Finanzamt die Kosten der Hausreinigung mit jährlich 332 DM und die Kosten der Gartenpflege mit jährlich 100 DM anerkannt. Die Bfin. beantragte Anberaumung einer mündlichen Verhandlung. Die Vorinstanz entschied ohne mündliche Verhandlung und erließ von den zu erbringenden Abgabeleistungen einen Teilbetrag von 1.519,95 DM. Der Teilerlaß beruht auf der Anerkennung der Kosten für die Hausreinigung und die Gartenpflegekosten zuzüglich des ursprünglichen Erlaßbetrags, den das Finanzamt übersehen hatte. Die mit der Rb. vorgebrachte Rüge, daß die Vorinstanz den Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung übergangen habe, führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz zur erneuten Entscheidung.
Das Verfahren befindet sich nunmehr im zweiten Rechtsgang. Die Vorinstanz hat in übereinstimmung mit der im ersten Rechtsgang getroffenen Entscheidung einen Teilbetrag von 1.519,95 DM erneut erlassen und den darüber hinausgehenden Antrag, einen weiteren Betrag von 450 DM zu erlassen, zurückgewiesen. Sie führte aus: Es sei ihr bekannt, daß der Zusatzerlaß des Bundesministers der Finanzen zur Siebzehnten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (17. AbgabenDV-LA) vom 28. Februar 1957 - IV C/5 - LA 2612 - 4/57 - (BStBl 1957 I S. 169) Ausnahmen von dem Ansatz fiktiver Mieterträge gestatte. Diese Ausnahmen seien aber mit dem Streitfall nicht vergleichbar. Nach gründlicher Beratung sei die Kammer zu dem Schluß gekommen, daß der Verzicht auf den Ansatz fiktiver Mieterträge im Streitfall sich mit der gesamten Struktur des LAG nicht vertrage. Die 17.AbgabenDV-LA verweise ausdrücklich auf die Vorschriften der BewDV, insbesondere auf § 34 Abs. 4 Ziff. 2 BewDV. Danach gelte die übliche Miete als Rohmiete für solche Grundstücke oder Grundstücksteile, die u. a. der Eigentümer dem Mieter mit Rücksicht auf persönliche, insbesondere verwandtschaftliche Beziehungen zu einem um mehr als 20 v. H. von dem üblichen Mietzins abweichenden Entgelt überlassen habe. Verpflichtungen zur unentgeltlichen überlassung unberücksichtigt zu lassen, würde dem Grundgedanken der Einheitsbewertung entsprechen. Dieser Gedanke gelte auch für das LAG, das die Masse der Mittel, die zur Ausschüttung gelangen sollen, möglichst nicht durch Umstände persönlicher Art schmälern wolle. Im Rahmen der HGA seien die steuerlichen Grundsätze des BewG unabdingbar anzuwenden. Etwas anderes könne aus § 5 der 17.AbgabenDV-LA nicht herausgelesen werden. Ein Vorausverzicht oder nachträglicher Verzicht auf Erträge, die in bewirtschaftungsfremden Erwägungen ihren Ursprung hätten, seien mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bewirtschaftung nicht vereinbar. Die in dem Zusatzerlaß des Bundesministers der Finanzen vom 28. Februar 1957 (a. a. O.) genannten Beispiele von Möglichkeiten des Verzichts seien auf wirtschaftsmäßige Erwägungen zurückzuführen, wenn sie auch manchmal sozial gefärbt erscheinen würden. Der Hinweis der Bfin. auf ihre gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber ihrem Sohn könne demgegenüber nicht durchschlagen. Eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben könne darin nicht gesehen werden, daß das Finanzamt im streitigen Erlaßzeitraum anders verfahren sei als für den vorhergehenden, obschon der Sachverhalt der gleiche geblieben und in vollem Umfang bekannt gewesen sei. Wenn das Finanzamt für den Erlaßzeitraum 1953 bis 1955 die Angaben der Bfin. über die Erträgnisse des Grundstücks ohne änderung hingenommen habe, so habe damals kein Anlaß bestanden, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Es möge sein, daß dem damaligen Bearbeiter die Unterstreichung des Formularwortlauts "Mietwert eigengenutzter Räume und solcher Räume, die unentgeltlich an Dritte überlassen worden sind" nicht aufgefallen sei. Dies sei verständlich, da die Akten darüber nichts enthielten, daß zwei Wohnräume dem zurückgekehrten Sohn und seiner Ehefrau überlassen worden seien. Erst in der Anlage zum Erlaßantrag für den Zeitraum 1956 bis 1958 habe die Bfin. dargelegt, daß sie 45 qm der Wohnung an ihren Sohn und die Schwiegertochter überlassen habe und daß sie ihn als Spätheimkehrer weitgehend unterstütze. Wenn das Finanzamt daraufhin zu anderen Ansätzen in der Ertragsberechnung gekommen sei, könne darin kein Verstoß gegen Treu und Glauben erblickt werden, weil es sich nicht in Widerspruch zum bisherigen Verhalten gesetzt habe.
Hinsichtlich der übrigen Einwendungen der Bfin. nimmt die Vorentscheidung auf das durch den erkennenden Senat aufgehobene Urteil der Vorinstanz im ersten Rechtsgang Bezug. Sie seien bereits dort behandelt worden.
Mit der Rb. wird in formeller Hinsicht die Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanz und die Zurückverweisung der Sache an diese und in materieller Hinsicht der Erlaß der Abgabeleistungen in Höhe von 1.969,95 DM beantragt. Die Bfin. rügt, daß die Vorinstanz in erheblichem Umfange auf das frühere Urteil, das durch den erkennenden Senat aufgehoben wurde, Bezug genommen habe. Dies sei unzulässig, weil das Urteil als nicht mehr vorhanden anzusehen sei. Auf ein nicht vorhandenes Urteil könne aber nicht verwiesen werden. Die Vorinstanz hätte eine völlig neue Entscheidung treffen und sich mit allen Einwendungen und Argumenten der Bfin. erneut auseinandersetzen und dies auch im einzelnen in dem neuen Urteil zum Ausdruck bringen müssen. Die Vorinstanz habe ihr früheres durch den Bundesfinanzhof aufgehobenes Urteil kurzerhand durch die Bezugnahme auf die dort gemachten Ausführungen wieder in Kraft gesetzt. Dabei sei noch nicht einmal zu erkenne, welche Teile des Urteils als aufrechterhalten zu gelten hätten, da die Vorinstanz die übrigen Einwendungen der Bfin. in Bausch und Bogen abtue. Abgesehen von der Unklarheit dieser Formulierung werde dadurch auch der Schein erweckt, daß sich die Vorinstanz mit den übrigen Einwendungen der Bfin. überhaupt nicht erneut auseinandergesetzt habe.
In materieller Hinsicht macht die Bfin. geltend, es entspräche herrschender Ansicht, daß auch die nicht richtige Anwendung von öffentlich bekanntgegebenen Runderlassen der obersten Verwaltungsbehörden eine nicht richtige Anwendung des bestehenden Rechts im Sinne des § 288 Ziff. 1 AO darstelle. In der Nichtanwendung eines solchen Erlasses liege außerdem ein Verstoß gegen Treu und Glauben. Wenn nach dem Zusatzerlaß des Bundesministers der Finanzen zur 17.AbgabenDV-LA vom 28. Februar 1957 (a. a. O.) ein Grundstückseigentümer berechtigt sei, einen wildfremden Mieter ohne zeitliche Begrenzung, also monatelang, mietfrei wohnen zu lassen und er außerdem berechtigt sei, ebenfalls ohne zeitliche Begrenzung, auf Untermietzuschläge in beträchtlicher Höhe zu verzichten, so müsse man es erst recht einer unterhaltspflichtigen Mutter gestatten, ihren aus der Kriegsgefangenschaft krank und mittellos heimgekehrten Sohn und dessen arbeitsunfähige Ehefrau jedenfalls für einen Zeitraum von neun Monaten innerhalb eines Erlaßzeitraums von 36 Monaten kostenlos wohnen zu lassen. Der Zusatzerlaß des Bundesministers der Finanzen vom 28. Februar 1957 (a. a. O) lasse klar erkennen, daß ein Grundstückseigentümer durchaus dazu berechtigt sei, zu Lasten der HGA sozialen Erwägungen Raum zu geben und in gewissem Umfang auf erzielbare Mieteinnahmen zu verzichten, ohne dadurch gegen die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung seines Grundstücks zu verstoßen. Damit habe der Erlaßgeber gleichzeitig hinsichtlich der Bemessung der HGA ganz bewußt einen Einbruch in die starren Grundsätze des BewG zugelassen und zwar aus verständlichen sozialen und menschlichen Erwägungen. Die starren Grundsätze des BewG unabdingbar anzuwenden, verstoße gegen den klaren Willen des Erlaßgebers. Im vorliegenden Fall handle es sich nicht um eine Wohltätigkeit aus verwandschaftlichen Gründen zum Nachteil der HGA, sondern um die Erfüllung einer Unterhaltspflicht gemäß §§ 1601 ff. BGB. Es sei schlechterdings nicht einzusehen, warum eine Mutter ausgerechnet gegenüber ihrem Sohn unter den obwaltenden Umständen kein soziales Empfinden an den Tag legen solle, welches ihr einem fremden Dritten gegenüber ohne weiteres zugebilligt werde. Im übrigen sei der beantragte Erlaß von 450 so gering, daß man nicht von einem fühlbaren Ausfall für den Lastenausgleichsfonds sprechen könne. Es müsse gerügt werden, daß die Vorinstanz immer noch von 1800 DM ausgegangen sei und demnach ihrer Entscheidung einen offensichtlich falschen Sachverhalt zugrunde gelegt habe.
Entscheidungsgründe
Der Rb. muß der Erfolg versagt bleiben.
I. -
Die Vorinstanz geht davon aus, daß im Rahmen der HGA die steuerlichen Grundsätze des BewG unabdingbar anzuwenden seien, da die 17.AbgabenDV-LA ausdrücklich auf die Vorschriften der BewDV verweise. In der 17.AbgabenDV-LA wird jedoch nur in § 5 Abs. 2 auf § 34 Abs. 4 Satz 2 BewDV verwiesen. In allen übrigen Bestimmungen findet sich nirgends ein Hinweis auf bewertungsrechtliche Vorschriften. Die allgemeine Schlußfolgerung, daß im Rahmen der HGA die steuerlichen Grundsätze des BewG unabdingbar anzuwenden seien, ist nicht nur bedenklich, sondern auch unverständlich. Aber auch aus der Anwendbarkeit des § 34 Abs. 4 Satz 2 BewDV im Rahmen des § 5 Abs. 2 der 17.AbgabenDV-LA läßt sich ein derartiger Schluß nicht ziehen. Zweck der Bestimmung des § 5 Abs. 2 der 17. AbgabenDV-LA ist nur, festzulegen, daß in den Fällen, in denen ein Grundstück oder Grundstücksteil durch den Eigentümer selbst oder durch überlassung des Gebrauchs an andere Personen ohne ein nur nach dem Gebrauchsnutzen bemessenes Entgelt genutzt wird, die fiktive übliche Miete den tatsächlichen Einnahmen im Sinne des § 5 Abs 1 der 17.AbgabenDV-LA gleichgeachtet werde. Weitergehende Schlußfolgerungen aus dieser Bestimmung zu ziehen, wäre verfehlt, da dazu kein Anlaß besteht. Zwar baut auch die Regelung der HGA weitgehend auf den Einheitswerten wie jedes andere Steuergesetz auf. Damit ist aber nicht verbunden, daß dann auch die übrigen steuerlichen Grundsätze, die nur für das BewG Geltung haben, zur Auslegung aller auf den Einheitswerten aufbauenden Steuergesetze einschließlich der HGA Geltung haben sollen.
Die Vorinstanz übersieht, daß im Streitfall nicht die Bestimmung des § 5 Abs. 2, sondern diejenige des § 4 Abs. 3 der 17.AbgabenDV-LA in Frage steht. Die Voraussetzung des § 5 Abs. 2 der 17.AbgabenDV-LA ist immer dann erfüllt, wenn ein Grundstück oder ein Teil eines Grundstücks einer anderen Person u. a. unentgeltlich zum Gebrauch überlassen wird. Dieser Tatbestand ist im Streitfall erfüllt. Ob in diesem Fall ein Grundstücksertrag anzusetzen ist, entscheidet sich danach, ob die unentgeltliche überlassung des Grundstücks oder eines Grundstücksteils an einen Dritten den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung nicht entspricht. Ist dies der Fall, dann muß ein Ertrag in der Ertragsberechnung für das unentgeltlich überlassene Grundstück (den Grundstücksteil) angesetzt werden (ß 4 Abs. 3 Satz 1 der 17.AbgabenDV-LA). In diesem Fall wird dann der fiktive Ansatz eines Mietwerts im Sinne des § 5 Abs. 2 in der Ertragsberechnung den Einnahmen im Sinne des § 5 Abs. 1 der 17.AbgabenDV-LA gleichgeachtet.
Im Streitfall kommt es deshalb entscheidend darauf an, was unter den Grundsätzen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung im Sinne des § 4 Abs. 3 der 17.AbgabenDV-LA zu verstehen ist. Weder die Verordnung selbst noch die amtliche Begründung dazu (Bundesrats-Drucksache Nr. 282/55 vom 29. Juli 1955) geben eine Erläuterung des Begriffs. Die Verordnung über die Wirtschaftlichkeits- und Wohnflächenberechnung für neugeschaffenen Wohnraum (im folgenden I. BVO) vom 20. November 1950 (Bundesgesetzblatt S. 753), deren Regelung die 17.AbgabenDV-LA grundsätzlich zu übernehmen hatte, verwendet den Begriff nur im Zusammenhang mit den Bewirtschaftungskosten, nicht dagegen mit den Grundstückserträgen. Nach § 18 Abs. 1 Satz 2 der I. BVO hat der Ansatz der Bewirtschaftungskosten den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung zu entsprechen. Soweit im Anschluß daran im einzelnen verschiedene Voraussetzungen angeführt werden, unter denen Bewirtschaftungskosten angesetzt werden dürfen, lassen sie sich auf die Erträge nicht übertragen. Der Zusatzerlaß des Bundesministers der Finanzen zur 17.AbgabenDV-LA vom 28. Februar 1957 (a. a. O.) macht nicht den Versuch, die "Grundsätze ordnungsgemäßer Bewirtschaftung eines Grundstücks" begrifflich zu bestimmen. Der Bundesminister der Finanzen gibt nur Beispiele, wann nach seiner Auffassung Erträge in die Ertragsberechnung aufzunehmen sind und wann nicht. Im Schrifttum wird darauf hingewiesen, daß für die Aufnahme von Grundstückserträgen in die Ertragsberechnung die objektiven Verhältnisse des Grundstücks maßgebend sein müßten. Daraus folge, daß alle Beträge angesetzt werden müßten, die ohne Rücksicht auf die persönlichen Beziehungen des Grundstückseigentümers zu seinen Mietern erzielbar seien. Lediglich im Zusammenhang mit den Bewirtschaftungskosten wird unter Berufung auf Bormann-Flender-Thiele (Handbuch über Kosten und Wirtschaftlichkeit in der Wohnungswirtschaft, Anm. 2 zu § 18 der I. BVO) darauf hingewiesen, daß Kosten nicht berücksichtigt werden dürfen, die bei Würdigung aller Umstände unter Beachtung der üblichen Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes im allgemeinen nicht entstehen (vgl. Kühne-Wolff, Gesetzgebung über den Lastenausgleich, 17.AbgabenDV-LA, Anm. 4 zu § 4 Abs. 3).
Der erkennende Senat hat in einem veröffentlichten und in einem weiteren noch zu veröffentlichenden Urteil zu der Frage Stellung genommen, ob die durch letztwillige Verfügung getroffene Anordnung eines Erblassers, einem Dritten Wohnraum in einem zum Nachlaß gehörigen Grundstück unentgeltlich zu überlassen, zur Folge habe, daß Grundstückserträge nicht anzusetzen sind (vgl. Urteile III 102/60 U vom 17. Januar 1964, BStBl 1964 III S. 312, Slg. Bd. 79 S. 223; III 166/62 U vom 23. Juli 1965). Da es sich in beiden Fällen um die Frage gehandelt hat, ob eine überlassung von Wohnraum im Sinne des § 5 Abs. 2 der 17.AbgabenDV-LA vorliegt und diese Frage verneint wurde, brauchte zu der Bestimmung des § 4 Abs. 3 Satz 1 der 17. AbgabenDV-LA im besonderen nicht Stellung genommen zu werden. Die Frage, was unter den Grundsätzen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung eines Grundstücks zu verstehen ist, ist deshalb auch in diesen Urteilen offengeblieben.
Bei den "Grundsätzen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung" im Sinne des § 4 Abs. 3 der 17.AbgabenDV-LA handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Die Grundsätze des Rechtsstaats verwehren es dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht, unbestimmte Rechtsbegriffe, auch soweit es sich um die Eingriffsverwaltung handelt, zu verwenden. Der Gesetzgeber muß insbesondere im Bereich des Wirtschafts- und Steuerrechts einer Vielfalt von wirtschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten Rechnung tragen und kommt deshalb ohne die Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen nicht aus (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 2 BvL 1/59 vom 10. Oktober 1961, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 13 A. 153). Der unbestimmte Rechtsbegriff unterscheidet sich von dem bestimmten Rechtsbegriff nur graduell, ist deshalb auslegungsfähig und unterliegt der Nachprüfung durch die Gerichte (vgl. Enneccerus-Nipperdey, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, §§ 50 und 58; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Allgemeiner Teil, 7. Aufl., § 5; Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung, Anm. 13 und 15 zu § 2 StAnpG). Die Unbestimmtheit des hier in Frage stehenden Rechtsbegriffs besteht darin, daß der Verordnungsgeber Anschauungen und Gebräuche, die im Wirtschaftsleben über die ordnungsgemäße Bewirtschaftung eines Grundstücks bestehen, zu einer Rechtsnorm erhoben hat und damit zu einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise nötigt. Ob ein Ertrag entgegen den Grundsätzen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung nicht gezogen worden ist, kann nur nach zeitlich und auch örtlich oft der Veränderung unterliegenden wirtschaftlichen Gesichtspunkten entschieden werden.
Der in § 4 Abs. 3 der 17. AbgabenDV-LA verwendete Begriff der "Grundsätze ordnungsgemäßer Bewirtschaftung" deckt sich weitgehend mit dem Begriff der "Regeln ordnungsgemäßer Wirtschaft", den das BGB in zahlreichen Vorschriften gebraucht (vgl. u. a. die §§ 588 Abs. 2, 589 Abs. 2, 987 Abs. 2, 993 Abs. 1, 1036 Abs. 2, 1135). Aber das BGB gibt ebenfalls an keiner dieser Stellen eine Erläuterung dieses Begriffs. Für den von dem Bundesverfassungsgericht in dem Beschluß 2 BvL 1/59 vom 10. Oktober 1961 (a. a. O.) als beispielhaft bezeichneten unbestimmten Rechtsbegriff der "ordnungsmäßigen Buchführung" hat sich als einzig feststehende Regel dafür, was darunter zu verstehen ist, in Rechtsprechung und Schrifttum nur das herausgebildet, was ein ordentlicher und ehrenwerter Kaufmann für richtig hält. In diesem Zusammenhang ist von besonderer Bedeutung die gesetzliche Regelung der Rechte und Pflichten des Zwangsverwalters bei der Zwangsverwaltung eines Grundstücks. Die Vorschrift des § 152 Abs. 1 des Zwangsversteigerungsgesetzes (ZVG) bestimmt, daß der Zwangsverwalter alle Handlungen vorzunehmen hat, die erforderlich sind, um das Grundstück in seinem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten und ordnungsgemäß zu benutzen. Ansprüche, auf welche sich die Beschlagnahme erstreckt, hat er geltend zu machen und die für die Verwaltung entbehrlichen Nutzungen in Geld umzusetzen. Die Aufgabe des Zwangsverwalters besteht demnach darin, die Grundstücksverwaltung so zu führen, wie sie ein sparsamer und ordentlicher Eigentümer führen würde. Dazu gehört, daß er ständig bemüht bleibt, seine Gläubiger zu befriedigen, daß er unwirtschaftlich Maßnahmen vermeidet, daß er andererseits keinen Raubbau treibt und im übrigen u. U. im Interesse einer ordnungsgemäßen Verwaltung auch sonst berechtigte Wünsche des Eigentümers zurückstellt (vgl. Wilhelmi-Vogel-Zeller, Zwangsversteigerungsgesetz, Anm. 4 zu § 152). Daraus abgeleitet läßt sich als Richtschnur für die Auslegung des Begriffs "Grundsätze ordnungsgemäßer Bewirtschaftung eines Grundstücks" das übereinstimmende Verhalten aller ordentlichen, sparsam wirtschaftenden und auf fristgerechte Tilgung der auf dem Grundstück ruhenden Lasten bedachten Grundstückseigentümer entnehmen. Was in diesen Rahmen fällt, ist von Fall zu Fall anhand der Besonderheit des einzelnen Falles jeweils festzustellen.
Der Sohn der Bfin. ist im Streitfall am 2. Januar 1950 aus der russischen Gefangenschaft zurückgekehrt. Da er vollständig mittellos und pflegebedürftig war, war die Bfin. als Mutter ihrem Sohn gegenüber unterhaltspflichtig. Die Unterbringung in ihrem Haus ergab sich wegen der damals bestehenden Zwangsbewirtschaftung der Wohnräume zwangsläufig. Eine anderweitige Unterbringung wäre in jener Zeit wohl kaum möglich und auch nicht sinnvoll gewesen. Vom Standpunkt jedes ordentlichen, sparsamen und auch auf die Interessen seiner Grundstücksgläubiger bedachten Grundstückseigentümers war unter den damaligen allgemeinen und im besonderen obwaltenden Verhältnissen die unentgeltliche Unterbringung des Sohnes im Haus der Bfin. nicht zu beanstanden. Für die Folgezeit ist jedoch zu berücksichtigen, daß sich die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse normalisierten und die Ordnung auf rechtlichem Gebiet weitgehend von kriegsbedingten Regelungen befreit wurde. Gegenüber den dinglichen Belastungen war die Unterhaltspflicht der Bfin. ihrem Sohn gegenüber eine an ihre Person und nicht an das Grundstück dinglich gebundene Verpflichtung. Andererseits war der Sohn nach Beendigung seines Studiums und Erhalt einer Unterhaltsbeihilfe bzw. eines Monatsgehalts als juristischer Hilfsarbeiter nicht mehr vollständig mittellos, wenn auch die Unterhaltsbeihilfe und das Monatsgehalt nicht sehr hoch waren. Die Bfin. mußte vom Standpunkt eines ordentlichen, sparsamen und auf die Interessen der Grundstücksgläubiger bedachten Grundstückseigentümers nunmehr berücksichtigen, daß sie ihre in ihrer Person begründete Unterhaltsverpflichtung, soweit sie noch bestand, nicht einseitig zum Nachteil der Grundstücksgläubiger auf die unentgeltliche überlassung der Wohnung beschränken dürfe. Nach Wegfall der besonderen außerordentlichen Umstände jener Zeit verlangte eine ordentlich geführte Grundstücksverwaltung hinsichtlich der Grundstückserträge eine vorrangige Berücksichtigung der Grundstücksgläubiger mit der Wirkung, daß auf Grundstückserträge nicht auf Kosten der Grundstücksgläubiger verzichtet werden durfte, um damit eine allgemeine persönliche Verpflichtung zu erfüllen. Die Unzulässigkeit eines Verzichts auf einen Grundstücksertrag gegenüber dem Sohn war jedenfalls bereits bei Beginn des hier in Betracht kommenden Erlaßzeitraums gegeben und hat während des ganzen Erlaßzeitraums bestanden. Somit war die Bfin. nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung ihres Grundstücks verpflichtet, für die dem Sohn und ihrer Schwiegertochter überlassene Wohnung in der Ertragsberechnung des hier in Betracht kommenden Erlaßzeitraums einen Mietwert einzusetzen. Auf Grund dieser rechtlichen Beurteilung ist der Einwand eines Verstoßes gegen Treu und Glauben gegenstandslos. Die Ausführungen der Vorinstanz zu diesem Punkt wären sehr bedenklich, wenn es darauf ankäme, daß das Finanzamt von der Unterbringung des Sohnes im Hause der Mutter vor Beginn des hier in Betracht kommenden Erlaßzeitraums keine Kenntnis gehabt hätte. Nach Aktenlage hat die Bfin. das Finanzamt lange vor Einreichung des Antrags auf Ertragslageerlaß für den Zeitraum 1953 bis 1955 über den Sachverhalt eingehend unterrichtet.
II. - Es trifft zu, daß die Vorinstanz am Ende ihrer Vorentscheidung ausführt, die übrigen Einwendungen der Bfin. seien bereits im Urteil der Kammer im I. Rechtsgang behandelt worden, auf dieses Urteil werde Bezug genommen. Mit Recht rügt die Bfin., daß die Bezugnahme auf Ausführungen in einem aufgehobenen Urteil nicht zulässig ist. Auch ihre Rüge ist berechtigt, daß sich aus einer ganz allgemeinen Ausdrucksweise, wie sie die Vorinstanz verwendet hat, nicht entnehmen lasse, welche Einwendungen damit gemeint gewesen seien. War die Vorinstanz der Auffassung, daß die Gründe der im II. Rechtsgang getroffenen Entscheidung das Entscheidungsergebnis in vollem Umfange tragen, dann brauchte sie sich mit Einwendungen, die auf die von ihr getroffene und ausreichend begründete Entscheidung keinen Einfluß hatten, nicht mehr im einzelnen auseinanderzusetzen. In diesem Fall war der Hinweis auf die im I. Rechtsgang ergangene und aufgehobene Entscheidung bedeutungslos. Sollte jedoch nach Auffassung der Vorinstanz die Auseinandersetzung mit den Einwendungen, die in der im I. Rechtsgang getroffenen Entscheidung behandelt wurden, einen mittragenden Teil der Begründung der Entscheidung im II. Rechtsgang darstellen, so ist die Verfahrensrüge der Bfin. auch wegen der allgemein gehaltenen Ausdrucksweise anzuerkennen, da insoweit ein Verstoß gegen § 258 Abs. 1 Satz 1 AO vorliegt. Auch wenn in diesem Fall die Vorentscheidung auf einem Verfahrensverstoß beruht, würde die Rüge aber nur dann zur Aufhebung der Vorentscheidung führen, wenn sie möglicherweise ohne den Verstoß anders ausgefallen wäre. Selbst wenn man wegen des allgemeinen Hinweises davon absieht, welche Einwendungen in dem Urteil der Vorinstanz im I. Rechtsgang behandelt worden sein sollen, so ist dafür, daß die Entscheidung der Vorinstanz anders ausgefallen wäre, kein Anhaltspunkt gegeben. Wenn auch aus anderen Gründen ist auch bei Berücksichtigung aller im Verfahren vorgebrachten Einwendungen der Bfin. im Ergebnis der Vorinstanz zuzustimmen. Der Aufhebung der Vorentscheidung aus rein verfahrensrechtlichen Gründen bedarf es deshalb nicht. Die Rb. ist in sachlicher Hinsicht nicht begründet.
Fundstellen
Haufe-Index 411768 |
BStBl III 1965, 714 |
BFHE 1966, 592 |
BFHE 83, 592 |