Leitsatz (amtlich)
Werden Lizenzzahlungen steuerrechtlich zum Teil als verdeckte Gewinnausschüttung behandelt, so wird hierdurch die bürgerlich-rechtliche Fälligkeit der Zahlungsverpflichtung nicht berührt. Die verdeckten Gewinnausschüttungen erhöhen den Gewinn des Jahres, in dem die "Lizenzgebühren" gezahlt worden sind.
Normenkette
KStG § 6 Abs. 1 S. 2; DBA SWE Art. 6 Abs. 3a; Zusatzprotokoll zum DBAS vom 20. März 1959 Abschn. II Ziff. 7
Tatbestand
Bei einer Betriebsprüfung im Jahre 1952 bei der D-AG, einer inländischen Kapitalgesellschaft, war die Frage aufgegriffen worden, ob nicht in den von der D-AG an die Revisionsklägerin, eine schweizerische Kapitalgesellschaft, gezahlten Lizenzgebühren verdeckte Gewinnausschüttungen enthalten seien. Nach längeren Verhandlungen zwischen dem Revisionsbeklagten (FA) und der D-AG wurde in einer Vereinbarung vom Mai 1955 der D-AG von dem FA zugestanden, die Zahlung der Lizenzgebühren in Höhe des überhöhten Betrages rückgängig zu machen oder für sie Kapitalertragsteuer zu zahlen. Nach Ergehen des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 15. Juli 1931 zwischen dem Deutschen Reiche und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftsteuern (DBAS) vom 9. September 1957 (BGBl II 1959, 183, BStBl I 1959, 151) entschied sich die D-AG für die Besteuerung der überhöhten Zahlungen der Jahre 1948 bis 1950 und 1957 und 1958 in Höhe von zusammen 1 925 350 DM. Sie führte, da sie die Kapitalertragsteuer selbst übernahm, 33 1/3 % = 641 783 DM Kapitalertragsteuer an das FA ab. Die Revisionsklägerin beantragte Erstattung der Kapitalertragsteuer in Höhe von 15 % aus 2 567 133 DM. Sie beantragte weiter aus der verdeckten Gewinnausschüttung 1959 in Höhe von 1 352 066 DM Erstattung der Kapitalertragsteuer in Höhe von 15 %.
Die Erstattungsanträge hatten nur insoweit Erfolg, als das FA für die Jahre 1957, 1958 und das erste Halbjahr 1959 10 % und für das zweite Halbjahr 1959, wie beantragt, 15 % erstattete. Im übrigen wurden die Anträge abgelehnt mit der Begründung, die Erstattungsmöglichkeiten des DBAS richteten sich nach der Fälligkeit der Ausschüttungen. Fälligkeit sei hier das jeweilige Kalender-Quartal bzw. später der Kalendermonat gewesen. Daher kämen Erstattungsansprüche überhaupt erst hinsichtlich der nach dem 31. Dezember 1956 gezahlten Lizenzgebühren, und zwar mit 10 %, und erst hinsichtlich der nach dem 30. Juni 1959 gezahlten Lizenzgebühren mit 15 % in Betracht.
Die Revisionsklägerin ist dagegen der Ansicht, die Fälligkeit der gesamten Lizenzgebühren sei erst nach dem 30. Juni 1959 eingetreten. Auf Grund der Betriebsprüfung habe die D-AG seit Anfang 1953 bis zu der Ausübung des Wahlrechts die Lizenzgebühren, soweit sie von der Betriebsprüfung als überhöht beanstandet worden waren, nur noch unter Vorbehalt an die Revisionsklägerin abgeführt. Damit sei noch kein Zufließen im Rechtssinne eingetreten, weil diese Zahlungen unter Vorbehalt noch keine Vertragserfüllung gewesen seien. Der Vorbehalt bei den Zahlungen der D-AG an die Revisionsklägerin sei von Bedeutung, weil durch ihn ein zivilrechtlicher Schwebezustand herbeigeführt worden sei, der erst auf Grund der Ausübung des Wahlrechts am 3. September 1959 durch eine neue vertragliche Vereinbarung sein Ende gefunden habe. Die Fälligkeit der aus dem neuen Rechtsgrund zu leistenden Beträge, die sich kassenmäßig bereits im Besitz der Revisionsklägerin befanden, sei erst damit eingetreten. Bis dahin habe auch kein steuerlicher Tatbestand vorgelegen. Damit allein schon sei der Erstattungsanspruch für die Zeit ab 1957 begründet.
Für die Jahre 1948 bis 1950 könne das Begehren der Revisionsklägerin allerdings nur auf die Vereinbarung vom 27. Mai 1955 allein gestützt werden, da die Lizenzzahlungen für diese Jahre durch die D-AG noch ohne Vorbehalt geleistet worden seien. Für die Vereinbarung sei der D-AG das Recht eingeräumt worden, für Steuerzwecke eine besondere Tatbestandsgestaltung vorzunehmen und es sei vorgesehen gewesen, daß die Ausübung des Wahlrechts nicht ex tunc wirken solle.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das FG führt u. a. aus: Für die Frage der Erstattung komme es auf die Fälligkeit der Lizenzgebühren an, die 30 Tage nach Ablauf des Kalenderjahres bzw. des Kalendermonats liege. Die Vereinbarung zwischen der D-AG und dem FA habe diese Vertragsbeziehungen nicht berührt. Die Einräumung eines Wahlrechts durch die Vereinbarung vom 27. Mai 1953 bedeute nichts anderes, als daß die Finanzverwaltung bereit gewesen sei, eine Änderung der Vertragsbeziehungen zwischen der Revisionsklägerin und der D-AG für die Vergangenheit entgegen dem Grundsatz, daß die Rückwirkung von bürgerlich-rechtlichen Verträgen steuerrechtlich unbeachtlich ist, für Zwecke der Besteuerung der D-AG gelten zu lassen.
Lizenzgebühren oder Arbeitslöhne, die unter steuerlichen Gesichtspunkten nicht als solche anerkannt werden könnten, seien keine Lizenzgebühren oder Arbeitslöhne. Daraus folge, daß diejenigen Beträge, die die D-AG auf Grund ihrer vertraglichen Verpflichtungen an die Revisionsklägerin laufend gezahlt habe, von vornherein zum Teil Lizenzgebühren und zum anderen Teil Gewinnausschüttungen und auch als solche zu den vertraglich vorgesehenen Terminen fällig gewesen seien.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
I.
Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß nach Art. 6 Abs. 3a DBAS in der Fassung des Zusatzprotokolls vom 9. September 1957 Steuern von Dividenden und Zinsen, die die Bundesrepublik im Abzugswege erhebt, dem Gläubiger mit Wohnsitz in der Schweiz auf Antrag in Höhe des Betrages zu erstatten sind, der 15 % der Dividenden oder Zinsen übersteigt. Es trifft ferner zu, daß durch Abschnitt II Ziff. 7 des Zusatzprotokolls zum DBAS vom 20. März 1959 (BGBl II 1959, 722, BStBl I 1959, 263) der Satz von 15 % auf 10 % geändert wurde. Diese Erstattungsmöglichkeit des Art. 6 DBAS gilt für die im Abzugsweg erhobenen Steuern von Dividenden, die nach dem 31. Dezember 1956 fällig werden (vgl. Abschnitt IV Abs. 2a des Zusatzprotokolls zum DBAS vom 9. September 1957). Die Veränderung des Satzes von 10 % auf 15 % gilt nach Abschnitt V Absatz 2a des Zusatzprotokolls zum DBAS vom 20. März 1959 für die im Abzugsweg erhobenen Steuern von Dividenden, die nach dem 30. Juni 1959 fällig werden.
Nach dem Vertrag vom 6. September 1940 zwischen der Revisionsklägerin und der D-AG waren die Lizenzen bis Ende eines jeden Kalendervierteljahres fällig. Die D-AG hat die Zahlungen vertragsgemäß entrichtet. Soweit die Fälligkeit für diese Zahlungen vor dem 31. Dezember 1956 liegt, kommt eine Erstattung der Kapitalertragsteuer nicht in Frage.
II.
Der Ansicht der Revisionsklägerin, die Fälligkeit der Ausschüttungen an sie sei erst bei der Ausübung des ihr eingeräumten Wahlrechts im September 1959 eingetreten, kann nicht gefolgt werden. Vielmehr ist von dem für die Vergangenheit festgestellten Sachverhalt auszugehen. Dabei gilt für die Fälligkeit folgendes: Wenn bei Annahme unangemessen hoher Lizenzgebühren die über das angemessene Entgelt hinausgehenden Zahlungen einer Tochtergesellschaft an ihre Schweizer Muttergesellschaft für die Überlassung von Patentrechten und Verfahren als verdeckte Gewinnausschüttung behandelt werden, so ist deren Fälligkeit - die nach dem DBAS maßgeblich ist - gleichwohl nach dem "Lizenzvertrage" und seiner Durchführung (vgl. § 5 StAnpG) zu beurteilen. Die als verdeckte Gewinnausschüttung behandelten Beträge erhöhen den steuerlichen Gewinn des Jahres, in dem die Revisionsklägerin den Gewinn durch ihren Abzug als fällige Lizenzgebühren unzulässigerweise gemindert hat.
III.
Auch die Einräumung des Wahlrechtes für die steuerrechtliche Behandlung der als nicht abzugsfähig beurteilten Ausgaben hat auf die Fälligkeit der Zahlungen keinen Einfluß. Die Vereinbarung, auf die sich die Klägerin beruft, hat in Abs. III folgenden Wortlaut:
"Bezüglich der steuerlichen Behandlung der nicht als abzugsfähig anerkannten Betriebsausgaben werden zwei Wege aufgezeigt, die der Firma zur Wahl zur Verfügung gestellt werden:
1. die Firma übernimmt die KapSt zum jeweils gültigen Satz (heute 33 1/3 %). Es besteht Einigkeit darüber, daß auch diese KapSt eine Steuer der Lizenzgeberin ist, oder
2. die Firma nimmt unter Debitoren jeweils zum Schluß eines Steuerabschnittes eine Forderung in Höhe der nicht anerkannten Lizenzen auf zuzüglich eines Zinses in Höhe von 1 % über dem jeweils gültigen Lombardsatz der Bank deutscher Länder."
Durch das eingeräumte Wahlrecht sollte der Revisionsklägerin die Möglichkeit offengelassen werden, die aus den damals schwebenden deutsch-schweizerischen Doppelbesteuerungsverhandlungen erwarteten Erleichterungen bei der Kapitalertragsteuer in Anspruch zu nehmen. Diese Ansicht stimmt mit der Äußerung aller an der Verhandlung Beteiligten überein. Welche Rechtsfolgen sich ergeben hätten, wenn die D-AG die zweite Möglichkeit gewählt hätte, braucht hier nicht untersucht zu werden, da sie unbestritten die erste Möglichkeit gewählt hat. Für die Auslegung der Vereinbarung ist in erster Linie der Text maßgeblich. Daraus ergibt sich, daß die Tatsache der verdeckten Gewinnausschüttung anerkannt wird und in Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung Kapitalertragsteuer zu zahlen ist. Der Sachverhalt, der zu der Besteuerung führte, wird durch seine steuerrechtliche Behandlung nicht berührt.
Gegen die auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragene Deutung, daß durch die Ausübung des Wahlrechts die Besteuerungsgrundlage erst geschaffen wurde, spricht die Fassung der Vereinbarung, die nicht nur die in der Vergangenheit gezahlten, sondern auch die in der Zukunft anfallenden Lizenzen berührt. Träfe die Ansicht der Revisionsklägerin zu, daß die Fälligkeit aller Zahlungen erst mit der Ausübung des Wahlrechts einreten sollte, so wäre die Fassung der Vereinbarung, "die Kapitalertragsteuer zum jeweils gültigen Satz (heute 33 1/3 %)" zu übernehmen, nicht verständlich; sind unterschiedliche Steuersätze als möglich bezeichnet, so kann nicht der Eintritt aller Fälligkeiten im Augenblick der Ausübung des Wahlrechts gemeint sein.
Mit dieser Auslegung stimmt auch die Äußerung des Dr. M. vom 23. März 1961 überein. Wenn das FG die Vereinbarung dahin auslegt, daß diese die Vertragsbeziehungen zwischen der Revisionsklägerin und der D-AG in bezug auf die Fälligkeit der Lizenzgebühren nicht berühre, so ist diese Feststellung zum mindesten möglich und darum für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO).
Wenn in einem Schreiben vom 28. Dezember 1965 Dr. M. die Ansicht der Stpfl. bestätigt, diese habe das Recht erhalten sollen, "für die Zwecke der Besteuerung eine besondere Tatbestandsgestaltung vorzunehmen", so kann dies als neues tatsächliches Vorbringen nicht zur Aufhebung der Vorentscheidung führen; es ist aber auch nicht geeignet, die Auslegung der Vereinbarung durch das FG zu widerlegen. Auch diese Bestätigung besagt noch nicht, daß die Fälligkeit der vertragsgemäß erfolgten und erfolgenden Zahlungen aufgehoben sein sollten. Hinzu kommt, daß der maßgebliche Text der Vereinbarung nichts für eine derartige Auslegung hergibt. Da die Auslegung der Vereinbarung durch das FG deren Wortlaut entspricht und auch sinnvoll ist, kann sie auch nicht gegen Treu und Glauben verstoßen, wie die Revisionsklägerin meint.
IV.
Die Vorinstanz hat darum zutreffend die Erstattung der Kapitalertragsteuer für die überhöhten Lizenzen 1948 bis 1950 abgelehnt, weil die Beträge vor dem 31. Dezember 1956 fällig waren (vgl. Art. 6 DBAS und Zusatzprotokoll vom 9. September 1957, Abschnitt IV Abs. 2a). Die Erstattung der Kapitalertragsteuer auf die Lizenzen 1957, 1958 und 1959, deren Fälligkeit vor dem 1. Juli 1959 liegt, ist zu Recht mit 10 v. H. vorgenommen worden (vgl. Abschnitt V Abs. 2a des Zusatzprotokolls zum DBAS vom 20. März 1959).
Fundstellen
Haufe-Index 412776 |
BStBl II 1968, 50 |
BFHE 1968, 260 |