Leitsatz (amtlich)
Sind im Herabsetzungsverfahren wegen Wiederaufbaues tatsächliche Mieten nach Grund und Höhe fest als Dauermieten vereinbart worden, so sind sie in der Regel als nachhaltige Grundstückserträge in die Wirtschaftlichkeitsberechnung einzusetzen. Zu erwartende Mieten können in einem solchen Fall nur ausnahmsweise nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 der 18. AbgabenDV-LA als Grundstückserträge angesetzt werden.
Normenkette
LAG § 104; 18. AbgabenDV-LA § 5; I. BVO § 24
Tatbestand
Am 21. Juni 1948 war der Kaufmann A Eigentümer des mit HGA belasteten 4 163 qm großen Grundstücks. Die Gebäude auf diesem Grundstück wurden im Jahre 1943 zerstört. Die Schadensquote betrug 45,02 v. H.
Am 5. Juli 1949 verkaufte der Kaufmann A das Grundstück an den Revisionskläger. Der Kaufpreis betrug 104 085 DM zuzüglich einer mit 3 103,13 GM ablösbaren Rente. Nach § 2 des Kaufvertrags übernahm der Käufer als Selbstschuldner an Stelle des Verkäufers eine auf dem Grundstück lastende Hypothekenschuld von 45 000 GM unter Anrechnung auf den Kaupfreis. Mit dem 1. August 1949 gingen die Nutzungen und Lasten des Grundstücks auf den Käufer über. Sie waren bis zu diesem Tag zeitanteilig aufzuteilen und zu verrechnen. Das bürgerlich-rechtliche Eigentum ging am 8. Mai 1950 mit der an diesem Tag erfolgten Eintragung im Grundbuch auf den Revisionskläger über.
Die zerstörten Gebäude wurden vom September 1948 bis Mai 1949 wieder aufgebaut. Sie waren am 14. Mai 1949 bezugsfertig. Nach außen trat eine GmbH als Bauherrin auf. An dieser Gesellschaft waren der Revisionskläger zu 60 v. H. und sein Schwiegersohn zu 40 v. H. beteiligt. Der Voreigentümer A hatte der GmbH ein Vorkaufsrecht an dem Grundstück eingeräumt und im Grundbuch eintragen lassen. Vom Juni 1948 bis zum 1. Dezember 1948 hatte er ihr das Grundstück unentgeltlich überlassen. Von da ab mußte an den Voreigentümer eine monatliche Miete von 683,35 DM entrichtet werden. An den Kosten des Wiederaufbaus beteiligte sich der Voreigentümer A nicht. Mit Schreiben vom 28. Mai 1949 und mit seinem am 9. Januar 1950 beim FA eingegangenen Fortschreibungsantrag wies er darauf hin, daß für ihn nur ein Einheitswert für den Grund und Boden, nicht aber für die wiederaufgebauten Gebäude in Betracht komme. Für diese sei ein besonderer Einheitswert festzustellen und der GmbH mitzuteilen. Die Kosten des Wiederaufbaus wurden ausschließlich vom Revisionskläger bestritten. Der Revisionskläger behandelte das Grundstück als Betriebsvermögen und aktivierte die Wiederaufbaukosten. Zwischen der GmbH und dem Revisionskläger wurde Ende 1948 oder Anfang 1949 ein Mietvertrag abgeschlossen und eine monatliche Miete von 1 000 DM vereinbart. Während anfangs die wirtschaftlichen Verhältnisse der GmbH gut waren, verschlechterten sie sich etwa ab Mitte 1949. Der Betrieb wurde zunächst eingeschränkt, dann stillgelegt und schließlich wurde die Firma im Jahre 1950 liquidiert. Ab 1. Juli 1950 wurde das Grundstück von dem Revisionskläger zu fremdbetrieblichen Zwecken gegen eine Miete von monatlich 2 000 DM vermietet.
Am 3. März 1958 stellte der Revisionskläger den Antrag auf Herabsetzung der Abgabeschulden der HGA nach § 104 LAG. In der beigefügten Wirtschaftlichkeitsberechnung setzte er die Grundstückserträge mit 12 000 DM an. Die Wirtschaftlichkeitsberechnung schloß mit einem Fehlbetrag von 20 690 DM ab. Der Antrag wurde von dem FA abgelehnt. Es erhöhte auf der Ertragsseite die Miete von jährlich 12 000 DM auf 24 000 DM. Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg.
Das FG hat sich im Ergebnis auf folgenden Standpunkt gestellt: Der Revisionskläger könne keine Herabsetzung nach § 104 LAG erhalten. Es seien ausreichende Erträgnisse des Grundstücks vorhanden gewesen, aus denen die Leistungen hätten ermöglicht werden können.
Mit der als Revision zu behandelnden Rb. wird unrichtige Anwendung bzw. Nichtanwendung des geltenden Rechts gerügt und insbesondere geltend gemacht:
Die Änderung des Ansatzes des Gebäudeertrags in der Wirtschaftlichkeitsberechnung sei unzulässig. Im Jahre 1949 sei die vereinbarte Miete von 12 000 DM das angemessene Entgelt für die Überlassung der wiederaufgebauten Fabrik gewesen. Unmittelbar nach der Währungsreform habe das Preisgefüge noch nicht seinen Ausgleich gefunden, da sich in jener Zeit die deutsche Volkswirtschaft in dem erst beginnenden Zustand der Aufwärtsentwicklung und wirtschaftlichen Gesundung befunden habe. Es sei nicht voraussehbar gewesen, daß die Entwicklung so sprunghaft vor sich gehen werde, wie es tatsächlich geschehen sei. Die 1 1/4 Jahre später mit dem neuen Mieter vereinbarte Miete von monatlich 2 000 DM hätte im Jahre 1949 noch nicht erzielt werden können. Die ungünstige Ertragslage der GmbH sei wesentlich später eingetreten und bei Vertragsabschluß nicht vorauszusehen gewesen. Daß die Miete von 1 000 DM von der GmbH schließlich nicht mehr hätte gezahlt werden können und die GmbH in der Zeit vom 1. April 1950 bis 1. Juli 1950 ertragslos gewesen sei, berechtige nicht, deswegen eine Miete von monatlich 2 000 DM anzusetzen. Erst die weitere günstige Fortentwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse im Laufe des Jahres 1950 hätte die höhere Miete von 2 000 DM ermöglicht. Die Überlegungen des FG würden aus nachträglicher Sicht die Kenntnis einer zeitlich erst späteren Entwicklung in eine frühere Zeit verlegen, in der sie in Wirklichkeit noch nicht vorhanden und auch nicht voraussehbar gewesen sei.
Das FA hat hierzu u. a. ausgeführt:
Der Ansatz eines Grundstücksertrags von 2 000 DM entspreche dem ortsüblichen Mietwert und sei deshalb angemessen. Wenn zum Vergleich neben der zwischen dem Revisionskläger und der GmbH vereinbarten Krisenmiete für die gewerblich genutzten Gebäude auch der Nutzungswert des Grund und Bodens, der in Höhe der bisher an den Voreigentümer A gezahlten Miete angenommen werden könne, und der Mietwert der vorhandenen Werkswohnungen berücksichtigt würden, so ergäben diese drei Nutzwerte zusammen einen Betrag, der der geschätzten ortsüblichen Miete etwa gleichkomme. Eine fehlerhafte Ermittlung der nachhaltig erzielbaren, ortsüblichen Miete sei nicht zu erkennen, da es nicht auf die subjektive Leistungsfähigkeit des Mieters, sondern auf den objektiv erzielbaren Mietwert ankomme.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Das FG hat die Erhöhung des Gebäudeertrags von 1 000 auf 2 000 DM durch das FA gebilligt. Aus den Ausführungen des FG könnte geschlossen werden, nicht die tatsächlichen, sondern grundsätzlich die höchstmöglichen Mieten seien maßgebend. Der Ansatz aller darunter liegenden Mieten, auch wenn sie tatsächlich gezahlt werden, wäre demnach unzulässig. Im Ergebnis müßte deshalb immer geprüft werden, ob nicht ein anderer Mieter in der Lage wäre, eine noch höhere Miete als die tatsächliche nachhaltig zu entrichten. Bei einer solchen Auslegung hätte folgerichtig das Abstellen auf die tatsächlichen Mieten keinen eine solche Regelung rechtfertigenden Sinn. Es würde in Wirklichkeit ausschließlich nur noch auf die zu erwartenden Mieten ankommen. Dies hätte jedoch im Endergebnis die Folge, daß die Wirtschaftlichkeitsberechnung ins Irreale führen und letzten Endes jede Beweiskraft verlieren würde. Zu einer solchen Schlußfolgerung zwingt die in der 18. AbgabenDV-LA getroffene Regelung nicht.
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 der 18. AbgabenDV-LA sind Grundstückserträge die tatsächlichen oder zu erwartenden Einnahmen aus Mieten, Umlagen und Vergütungen mit Ausnahme der Untermietzuschläge. Aus dieser Wortfassung ist zu entnehmen, daß die zu erwartenden Einnahmen und die tatsächlich erzielten gleichrangig sind. Worauf es zurückzuführen ist, daß außer den tatsächlichen auch die zu erwartenden Einnahmen in die Regelung mit aufgenommen wurden, läßt sich aus dieser Wortfassung mit einiger Sicherheit nicht entnehmen. Da die 18. AbgabenDV-LA auf der Ermächtigung in § 104 Abs. 4 Nr. 3 LAG beruht und danach bei der Regelung der Wirtschaftlichkeitsberechnung die Vorschriften der Verordnung über Wirtschaftlichkeits- und Wohnflächenberechnung für neugeschaffenen Wohnraum - I. BVO - vom 20. November 1950 (BGBl 1950, 753) anwendbar sein sollen, ist zur Auslegung auf die dem § 5 der 18. AbgabenDV-LA entsprechende Bestimmung des § 24 der I. BVO zurückzugreifen. Beide Bestimmungen stimmen wörtlich überein, soweit sie für die hier zu klärende Auslegungsfrage von Bedeutung sind. Wie in § 5 Abs. 1 Satz 1 der 18. AbgabenDV-LA werden auch in § 24 Abs. 1 der I. BVO den tatsächlichen Einnahmen die zu erwartenden Einnahmen gleichrangig gegenübergestellt. Der Grund dafür, daß auch hier nicht allein auf die tatsächlichen Einnahmen abgestellt wird, ist der Umstand, daß in der Regel die Wirtschaftlichkeitsberechnung vor der Fertigstellung des Bauvorhabens erstellt werden muß. In dem Zeitpunkt, in dem sich der Wiederaufbau noch im Stadium des Bauvorhabens befindet, können tatsächliche Einnahmen aus Mieten noch nicht vorliegen. Die Bewilligungsstelle muß aber aus der Wirtschaftlichkeitsberechnung ersehen können, ob die Aufwendungen durch die zu erwartenden Erträge gedeckt werden. Es mußte ihr deshalb die Möglichkeit gegeben werden, auf Einnahmen abzustellen, die nach Fertigstellung des Gebäudes als Mieteinnahmen zu erwarten sind (vgl. Roquette, Mieten - und Berechnungsverordnungen, I. BVO, Anm. 1 zu § 24 und auch II. BVO, Anm. 3 bis 5 zu § 31). Da für die Bewilligungsstelle mögliche, tatsächlich aber nicht erzielbare Mieten keinen Wert für ihre Beurteilung des Bauvorhabens haben, können nur solche Mieten als zu erwartende Einnahmen angesehen werden, die nach der Bezugsfertigkeit des Gebäudes mit Sicherheit tatsächlich eingehen werden. Wenngleich ein Bauherr in der Regel daran interessiert ist, höchstmögliche Mieten zu erzielen, unterliegt auch er dem Gesetz von Angebot und Nachfrage. Er kann umgekehrt auch nicht dazu angehalten werden, eine Vermietung solange zurückzustellen, bis er das höchstmögliche Angebot erhalten hat, selbst wenn er in der Zwischenzeit erhebliche Mieteinbußen erleidet. Entsprechend wird auch die Bewilligungsstelle nicht Mieten ansetzen, die nur in seltenen Fällen zu erreichen sind. Auch sie wird sich an solche Mieten halten, die etwa in der Mitte zwischen der niedrigsten und höchstmöglichen Miete liegen. Kann sie ausnahmsweise bereits an tatsächliche Mieten anknüpfen, wird sie diese an Stelle von nur geschätzten Mieten in der Wirtschaftlichkeitsberechnung ansetzen. Die Ermittlung der zu erwartenden Einnahmen aus Mieten ist deshalb für die Bewilligungsstelle nur eine Behelfsmaßnahme, weil tatsächliche Mieten ihr in der Regel nicht zur Verfügung stehen.
Im Herabsetzungsverfahren wegen Wiederaufbaus nach § 104 LAG liegt demgegenüber der Schwerpunkt immer auf den tatsächlichen Mieten. In diesem Verfahren ist das FA in der Regel, weil an den in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit angeknüpft wird, nicht mehr auf die Höhe von zu erwartenden Mieten angewiesen, sondern es kann unmittelbar auf die tatsächlichen Mieten zurückgreifen. Sind aber tatsächliche Mieten vorhanden, ist grundsätzlich kein Raum mehr für den Ansatz von zu erwartenden Mieten. Die Prüfung hat sich deshalb nur darauf zu erstrecken, ob die tatsächliche Miete nachhaltig ist. Im allgemeinen wird davon auszugehen sein, daß tatsächliche Mieten, die nach Grund und Höhe fest als Dauermieten vereinbart worden sind, als nachhaltig angesehen werden können. Auch die fest vereinbarte Dauermiete, die mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Lage des Mieters nicht die höchstmögliche Steigerung ausnutzt, bleibt eine tatsächliche Miete, die in der vereinbarten Höhe nachhaltig ist. Nur ausnahmsweise können in solchen Fällen nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 der 18. AbgabenDV-LA zu erwartende Mieten als Grundstückserträge angesetzt werden. Dies hat das FG verkannt.
Fundstellen
Haufe-Index 412817 |
BStBl II 1968, 389 |
BFHE 1968, 542 |