Leitsatz (amtlich)
1. § 71 Abs. 1 Ziff. 3 in Verbindung mit § 76 Abs. 2 Satz 2 UStDB halten sich im Rahmen der Ermächtigung des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 UStG.
2. § 12 UStDB gilt auch für eine Bearbeitung und Verarbeitung im Sinne des § 71 Abs. 1 Ziff. 3 UStDB. 3. Werden Emballagen lediglich befüllt, so stellt dies keine Be- oder Verarbeitung dar.
Normenkette
UStG §§ 16, 18 Abs. 1 Nr. 1; UStDB §§ 12, 71 Abs. 1 Ziff. 3, § 76 Abs. 2 S. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob der Bfin. Umsatzsteuervergütung (§ 16 UStG) zusteht für die von ihr bzw. von ihren Lieferanten an ihr im Freihafen gelegenes Werk verbrachten oder versandten, im Inland hergestellten Emballagen verschiedener Art (Transportfässer, Drums, Einweggebinde, Öleimer, Dosen, Tuben). Die Emballagen werden im Freihafenbetrieb der Bfin. verschiedenen Behandlungen unterzogen, z. B. Entgraten, Reinigen, Bespritzen mit den Firmenfarben, Signieren, anschließend befüllt und verschlossen (durch Einschrauben von Verschlüssen, maschinelles Befestigen von Metalldeckeln mittels Falzes, Verlöten, Umfalzen) und plombiert. Mit den darin befindlichen Mineralölprodukten gelangen die Emballagen wieder in das Inland. Soweit es sich um Leihgebinde handelt, werden sie anschließend wieder in den Freihafen ausgeführt.
Die von der Bfin. gemäß § 70 in Verbindung mit § 71 UStDB beantragte Umsatzsteuervergütung (Ausfuhrhändlervergütung und Ausfuhrvergütung) für Oktober 1959 lehnte das Finanzamt mit Bescheid vom 14. März 1960 mit der Begründung ab, daß keiner der Vergütungstatbestände des § 71 Abs. 1 Ziff. 1 bis 8 UStDB vorliege. Die von der Bfin. im Freihafen vorgenommenen Bearbeitungen fielen mittelbar oder unmittelbar unter die Fiktion des § 12 Abs. 1 Satz 3 UStDB und könnten deshalb nicht als Bearbeitungsmaßnahmen im Sinne des § 71 Abs. 1 Ziff. 3 UStDB angesehen werden. § 71 Abs. 1 Ziff. 6 UStDB scheide deshalb aus, weil der Zweck der Ausfuhr der Emballagen die beabsichtigte Befüllung, nicht aber die Einlagerung zum Verkauf sei. Auch § 71 Abs. 1 Ziff. 7 UStDB komme nicht in Betracht, da unter einem Gebrauch im Sinne dieser Bestimmung eine Verwendung zu verstehen sei, die sich nicht in einer einmaligen Benutzung erschöpfe.
Die Sprungberufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht vertrat die Auffassung, daß die §§ 71 Abs. 1 Ziff. 3 und 76 Abs. 2 Satz 2 UStDB n.F. sich nicht im Rahmen der Ermächtigung des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 UStG hielten. Der Verordnungsgeber habe durch diese Vorschriften den Ausfuhrbegriff des § 16 UStG nicht näher bestimmt, sondern er sei erheblich darüber hinausgegangen. Nur dann, wenn eine Be- oder Verarbeitung für den Auslandsmarkt vorliege, wie es in § 71 Abs. 1 UStDB a. F. bestimmt gewesen sei, könne eine vergütungsfähige gewerbliche Verwendung angenommen werden. Aus § 71 Abs. 1 Ziff. 3 in Verbindung mit § 76 Abs. 2 Satz 2 UStDB n.F. lasse sich nicht entnehmen, daß der Verordnungsgeber die Vergütung auch in den Fällen habe zusprechen wollen, in denen die Gegenstände auf den Inlandsmarkt zurückgelangten. Ganz offenbar habe durch § 71 Abs. 1 Ziff. 3 in Verbindung mit § 76 Abs. 2 Ziff. 2 UStDB n.F. nicht die Ausfuhr, jedenfalls nicht nur die Ausfuhr, sondern die Freihafenwirtschaft begünstigt werden sollen.
In der Rb. wendet sich die Bfin. gegen die Auffassung des Finanzgerichts, §§ 71 und 76 UStDB n.F. seien durch die Ermächtigung der §§ 16 und 18 UStG nicht gedeckt. Das Finanzgericht sei von falschen Überlegungen ausgegangen, wenn es meine, daß eine Vergütung nach § 16 UStG nur dann in Betracht komme, wenn die Ware für den Auslandsmarkt be- oder verarbeitet werde. Was unter Inland und Ausland im Sinne des § 16 UStG zu verstehen sei, ergebe sich aus § 1 UStDB. § 16 UStG stelle allein darauf ab, daß Gegenstände in das Ausland ausgeführt wurden. Es sehe keine besonderen abweichenden Folgen vor, wenn die ausgeführten Gegenstände später wieder in das Inland zurückgebracht würden. § 76 Abs. 2 Satz 2 UStDB spreche also nur etwas aus, was auch schon ohne weiteres aus § 16 UStG sich ergebe. Jedenfalls sei aber § 71 Abs. 1 Ziff. 3 UStDB durch die dem Verordnungsgeber erteilte Ermächtigung gedeckt, den Umfang der Steuervergütungen im Sinne des § 16 UStG festzusetzen. Ein bestimmter Weg dafür sei dem Verordnungsgeber nicht vorgeschrieben. Im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens habe er hier, bei einer Maßnahme mit stark wirtschaftspolitischem Einschlag, weitgehend Entscheidungsfreiheit gehabt. Der Gesetzgeber habe sich jedoch eng an das Gesetz angelehnt.
Die Bfin. ist auch der Auffassung, daß die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Ziff. 3 UStDB vorlägen. Der Begriff der Be- und Verarbeitung im Sinne des § 71 Abs. 1 Ziff. 3 UStDB sei entgegen der Auffassung des Finanzamts nicht im Sinne des § 12 UStDB, sondern in einem umfassenderen Sinne, nach dem Sprachgebrauch zu verstehen. Aber auch wenn man den Begriff des Be- und Verarbeitens nach § 12 UStDB bestimmen wollte, würden die vorgenommenen Arbeiten auch den Tatbestand des Be- und Verarbeitens im Sinne dieser Bestimmung erfüllen. Es sei zu unterscheiden zwischen der Bearbeitung vor der Befüllung und der Bearbeitung nach der Befüllung. Durch das Entgraten, Reinigen, Nachkörnen, Anbringen der Verschlüsse mit Dichtungen und der Plomben und durch das Bemalen entstünden Gegenstände einer völlig anderen Marktgängigkeit. Mit diesen Arbeiten seien 18 Arbeitskräfte beschäftigt. Etwa 16 % des Arbeitseinsatzes fielen auf diese Tätigkeit.
Schließlich würden die Emballagen auch durch das Befüllen mit Mineralölprodukten bearbeitet. Die Emballagen verlören durch das Befüllen ihre wirtschaftliche Selbständigkeit.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. Der Senat kann die Auffassung des Finanzgerichts nicht teilen, § 71 Abs. 1 Ziff. 3 UStDB in Verbindung mit § 76 Abs. 2 Satz 2 UStDB in der Fassung der Achten Verordnung zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (BGBl I S. 6, BStBl 1957 I S. 131) vom 7. Februar 1957 hielte sich nicht im Rahmen der Ermächtigung des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 UStG.
Nach dieser Bestimmung ist der Verordnungsgeber ermächtigt, "zur Durchführung des Gesetzes die in ... § 16 vorgesehenen Bestimmungen zu erlassen, den Umfang der Steuervergütungen im Sinne des § 16 UStG festzusetzen und die in diesem Gesetz verwendeten Begriffe näher zu bestimmen". Auf Grund der Ermächtigung, die im Gesetz verwendeten Begriffe näher zu bestimmen, hat der Verordnungsgeber die Begriffe In- und Ausland in § 1 UStDB näher bestimmt. Danach ist Inland das Reichsgebiet mit Ausnahme der Zollausschlüsse (z. B. der Freihäfen, des Drei-Seemeilen-Gebietes). Ausland ist das Gebiet, das hiernach nicht Inland ist. Die Begriffsbestimmung des § 1 UStDB gilt auch für die in § 16 UStG verwendeten Begriffe Inland und Ausland. Eine Ausfuhr in das Ausland nach § 16 UStG ist demnach auch die Ausfuhr in den Freihafen. Die Auffassung des Finanzgerichts, daß in § 71 Abs. 1 Ziff. 3 UStDB etwas angeordnet sei, was unmittelbar oder mittelbar in seinen Wirkungen dem Gesetz widerspreche, kann daher nicht als zutreffend angesehen werden. Dem steht auch nicht entgegen, daß in § 71 Abs. 1 UStDB a. F. eine Be- oder Verarbeitung in einem ausländischen Betrieb des Antragstellers als gewerbliche Verwendung nur dann gegolten hat, wenn die Be- oder Verarbeitung für den Auslandsmarkt ausgeführt worden ist. Es ist richtig, daß insoweit die Voraussetzungen für den Ausfuhrbegriff enger gezogen gewesen sind als in § 71 Abs. 1 Ziff. 3 UStDB. So wurde eine Ausfuhrhändlervergütung auch nicht gewährt, wenn z. B. Umschließungen nur zum vorübergehenden Gebrauch in das Ausland verbracht oder versandt worden sind. Aus den enger gefaßten Voraussetzungen für die Ausfuhrhändlervergütung der früheren Regelung läßt sich aber kein Schluß auf die Ungültigkeit des § 71 Abs. 1 Ziff. 3 UStDB herleiten. Denn der Ausfuhrbegriff des § 16 UStG enthält insoweit keine Einschränkungen.
Das Finanzgericht geht auch von einer unzutreffenden Auffassung aus, wenn es meint, § 16 UStG erlaube nicht, die Freihafenwirtschaft zu begünstigen. Infolge der auch für § 16 UStG maßgebenden Begriffsbestimmung des § 1 UStDB ist gerade das Gegenteil der Fall. Im übrigen sprechen für die Begünstigung der Freihafenwirtschaft im Rahmen des Umsatzsteuerrechts auch erhebliche wirtschaftspolitische Gründe, z. B. die Beschäftigung von inländischen Arbeitskräften.
Es läuft § 71 Abs. 1 Ziff. 3 UStDB in Verbindung mit § 76 Abs. 2 Satz 2 UStDB auch gar nicht auf eine besondere umsatzsteuerrechtliche Begünstigung der Freihafenwirtschaft hinaus. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen. Lieferungen von Gegenständen, die zu einem zollrechtlich zugelassenen Be- oder Verarbeitungsverkehr abgefertigt oder im Rahmen eines solchen Verkehrs hergestellt oder bearbeitet oder verarbeitet worden sind, gelten als steuerbare Lieferungen im Sinne des § 1 Ziff. 1 UStG, wenn diese Gegenstände gemäß § 69 Abs. 1 Nr. 42 ZG abgabenfrei eingeführt worden sind -- vgl. Art. 5 des Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes, des Zolltarifgesetzes und des Mineralölsteuergesetzes (Drittes Zolländerungsgesetz) vom 9. August 1956 (BGBl I S. 735) --. Die Freihafenbetriebe werden demnach insoweit wie inländische Betriebe behandelt. Aus diesem Grunde sieht § 76 Abs. 2 Satz 2 UStDB davon ab, daß bei einer nicht nur vorübergehenden Wiedereinfuhr der im Freihafen bearbeiteten Gegenstände die erhaltene Vergütung abzusetzen ist. Werden inländische Waren im Freihafen be- oder verarbeitet, ohne daß dies besonders zugelassen worden ist, so ist bei ihrer Wiedereinfuhr zwar keine Umsatzsteuer, wohl aber Umsatzausgleichsteuer zu entrichten. Ist aber eine solche nachweislich entrichtet worden, so ist gemäß § 76 Abs. 2 Satz 3 UStDB gleichfalls von der Absetzung oder Rückzahlung der Vergütung abzusehen. Es werden somit die in dem Freihafen ausgeführten und von dort wiedereingeführten Waren den in das Ausland ausgeführten und von dort wiedereingeführten Waren gleichgestellt. Wenn das Finanzgericht bei dieser Rechtslage eine Bevorzugung der Freihafenwirtschaft annimmt, so hat es den Zusammenhang der Vorschriften nicht genügend beachtet.
2. Die Bfin. stützt ihren Anspruch auf Vergütung auf § 70 Abs. 1 Ziff. 2 UStDB in Verbindung mit § 71 Abs. 1 Ziff. 3 UStDB, wonach als gewerbliche Verwendung die Be- oder Verarbeitung des ausgeführten Gegenstandes in einem Zollausschluß durch den Antragsteller in dessen im Zollausschluß belegenen Betrieb gilt. Es kann zwar der Auffassung der Bfin. nicht zugestimmt werden, daß für die Begriffe Be- und Verarbeitung § 12 UStDB nicht anzuwenden sei. § 12 UStDB befindet sich in Teil I der UStDB, der die Überschrift trägt "Allgemeine Vorschriften". Er gilt deshalb in allen Fällen, in denen der Begriff der Bearbeitung oder Verarbeitung in den Durchführungsbestimmungen verwendet wird. Es kommt demnach nicht darauf an, ob einzelne Durchführungsbestimmungen jeweils noch einen besonderen Hinweis auf § 12 UStDB enthalten oder nicht. Aus der Stellung des § 12 UStDB im allgemeinen Teil der Durchführungsbestimmungen muß vielmehr gefolgert werden, daß jede Be- oder Verarbeitung, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, nach den Grundsätzen des § 12 UStDB zu beurteilen ist. Der Senat hat deshalb im Urteil V 174/62 U vom 12. November 1964 (BStBl 1965 III S. 57) ausgesprochen, daß die für die Frage einer steuerlich schädlichen Bearbeitung gewonnenen Erkenntnisse nicht wieder aufgegeben werden können, wenn mit der Annahme einer steuerlich schädlichen Bearbeitung eine Ausfuhrvergütung verbunden wäre. Das kann aber in umgekehrten Fällen nicht anders sein. Von der gesetzlichen Fiktion einer steuerlich unschädlichen Bearbeitung in bestimmten Fällen kann nicht deshalb abgewichen werden, weil damit der Verlust einer Ausfuhrvergütung verbunden ist.
Die Bfin. behauptet, daß die von ihr im Freihafen vorgenommenen Maßnahmen sich auch dann als Bearbeitung darstellen, wenn man der Fiktion des § 12 Abs. 1 Satz 3 UStDB folgt. Das Finanzgericht hat auf Grund der von ihm vertretenen anderen Rechtsauffassung nicht geprüft, inwieweit die von der Bfin. vorgenommenen Behandlungen sich als Be- oder Verarbeitung im Sinne des § 12 UStDB darstellen. Die Sache war deshalb an das Finanzgericht zur Prüfung dieser Frage zurückzuverweisen. Soweit dabei festgestellt wird, daß einzelne Emballagen durch die vorgenommenen Bearbeitungen eine Änderung der Marktgängigkeit erfahren haben, kann die Vergütung aus diesem Grunde nicht versagt werden.
3. Der Senat kann die Auffassung der Bfin. nicht teilen, daß das Befüllen als solches eine Be- oder Verarbeitung der Emballagen darstellt. Denn die Begriffe Be- oder Verarbeitung schließen schon dem Wortsinn nach eine Tätigkeit aus, die nur in einem Befüllen besteht. Soweit sich eine Be- oder Verarbeitung nicht feststellen läßt, kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß ein Gebrauch oder Verbrauch der Emballagen im Freihafenbetrieb der Bfin. stattfindet. Der Senat hält insoweit die Auslegung dieser beiden Begriffe, wie sie in dem Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 29. April 1957 (BStBl 1957 I S. 235) Abschn. B Nr. 37 Abs. 13 zum Ausdruck kommt, für zutreffend.
4. Haben nach dem Ergebnis der vom Finanzgericht noch anzustellenden Ermittlungen die Emballagen infolge der Bearbeitungen eine Änderung der Marktgängigkeit erfahren, so steht der Bfin. jedoch nur dann Vergütung zu, wenn bei der Wiedereinfuhr der Emballagen nachweislich Umsatzausgleichsteuer entrichtet worden ist. Dieser Nachweis ist im Streitfalle deshalb erforderlich, weil die Bfin. die Emballagen nach dem Inhalt der Akte nicht in einem genehmigten Freihafenveredelungsverkehr bearbeiten läßt und nur in einem solchen Falle die nicht nur vorübergehende Einfuhr für die Umsatzsteuervergütung ohne Bedeutung ist.
Fundstellen
BStBl III 1965, 335 |
BFHE 1965, 250 |