Leitsatz (amtlich)
Abzugsfähige Versendungsauslagen eines Verlags sind die von der Druckerei für das Versandfertigmachen von Druckschriften berechneten Kosten nur dann, wenn der Verlag die Drucksachen nach dem Drucken abnimmt und sie der Druckerei vor dem Versandfertigmachen zurückgibt.
Normenkette
UStG 1951 § 5 Abs. 4 Nr. 1; UStDB 1951 § 5 Abs. 1-2, § 54
Tatbestand
Aus den Gründen
Die Steuerpflichtige ließ ihre Zeitungen und Zeitschriften von der Firma A (Druckerei) drucken. Nach dem Lieferungsvertrag vom 7. August 1954 umfaßte der Auftrag die „Herstellung der Druckplatten, den Druck sowie Verpackung und Versand” (Ziff. 1); die Verpackung und Einladung für den Versand halten „fortlaufend in unmittelbarem Anschluß an die Herstellung” zu erfolgen (Ziff. 6). Die Steuerpflichtige teilte der Druckerei die Adressen der Händler, den Versendungsweg und die Zahl der zu liefernden Stücke mit. Die Druckerei sortierte, bündelte und machte die aus der Druckmaschine kommenden Zeitungen und Zeitschriften versandfertig. Sie schaffte die Bündel zu der Verladerampe, die etwa 80 m von der Druckmaschine entfernt war. Hier wurden sie in der Regel von Wagen der Steuerpflichtigen übernommen. Manchmal übernahmen auch Fremdunternehmer (Charterwagen) oder die Druckerei selbst die Beförderung.
Das Finanzamt (FA) vertrat die Ansicht, daß die Kosten für das Versandfertigmachen mit Ausnahme des Betrags der auf Beförderungsfälle durch die Druckerei entfiel, keine abzugsfähigen Versendungsauslagen seien.
Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1969 S. 217 (EFG 1969, 217) veröffentlicht ist, versagte den Abzug der Kosten. Zur Begründung seiner Auffassung führte es aus: Das Bündeln, Verdrahten und Adressieren der Zeitungspakete durch die Druckerei sei keine bloße Sortier- und Verteilungsmaßnahme im Sinne der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH – (Urteile II 29/51 U vom 2. Juli 1951, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 55 S. 392 – BFH 55, 392 –, BStBl III 1951, 155; V 262/58 U vom 23. Februar 1961, BFH 72, 605, BStBl III 1961, 220). Die Steuerpflichtige habe die Druckerei in den hier streitigen Fällen nicht mit der Versendung beauftragt. Soweit sie die Zeitungen und Zeitschriften mit eigenen Fahrzeugen befördert habe, fehle es an einem Versenden. Soweit sie Charterwagen herangezogen habe, befördere nicht die Druckerei, sondern der Fremdunternehmer. Die Druckerei sei auch nicht mit der Beförderung der Zeitungen von der Druckmaschine zur Verladerampe beauftragt worden. Das Hinschaffen der Zeitungen an die Verladerampe sei ein innerbetrieblicher Vorgang der Druckerei. Die hierbei anfallenden Kosten seien nicht abzugsfähige Vorfrachten.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Steuerpflichtigen ist unbegründet.
Abzugsfähig sind nach § 54 Abs. 1 Satz 1 UStDB 1951 die Auslagen, die dem Unternehmer dadurch entstehen, daß er den Gegenstand der Lieferung an den Abnehmer versendet. § 54 UStDB 1951 verweist auf § 5 UStDB 1951. Nach § 5 Abs. 1 UStDB 1951 liegt ein Versenden vor, wenn der Unternehmer einen Gegenstand durch einen Frachtführer oder einen Verfrachter zu einem Dritten befördern läßt. Der Senat hat es darüber hinaus in ständiger Rechtsprechung nicht beanstandet, wenn der Unternehmer den Gegenstand von einem sonstigen selbständigen Erfüllungsgehilfen befördern läßt, der nicht Frachtführer oder Verfrachter zu sein braucht. Ein solcher Erfüllungsgehilfe kann – wie in dem Urteil V 262/58 U vom 23. Februar 1961 (a. a. O.) dargelegt ist - auch eine Druckerei im Verhältnis zum Zeitungsverlag sein. Ein Versenden setzt jedoch weiterhin voraus, daß der Unternehmer den Gegenstand dem Beförderungsunternehmen übergibt (§ 5 Abs. 2 Satz 1 UStDB 1951). Mit der Übergabe ist die Lieferung ausgeführt und die Verfügungsmacht am Lieferungsgegenstand übergegangen. Versendungsauslagen, die vor der Verschaffung der Verfügungsmacht an den Abnehmer anfallen, sind nicht abzugsfähige Vorfrachten (BFH-Urteil V R 109/66 vom 14. März 1968, BFH 92, 118).
Die Kosten des Versandfertigmachens sind Vorfrachten. Die Steuerpflichtige hatte bis zum Versandfertigmachen noch keine Verfügungsmacht an den Zeitungen und Zeitschriften erlangt und konnte sonach die Verfügungsmacht nicht an die Druckerei übertragen oder zurückübertragen. Nach der Sitzungsniederschrift zur mündlichen Verhandlung vor dem FG, deren Inhalt der Senat gemäß § 155 FGO, § 561 Abs. 1 Satz 1 ZPO verwerten darf, hat der Prokurist Dr. K der Steuerpflichtigen als Parteivertreter erklärt, es sei praktisch nicht durchführbar gewesen, die Zeitungen an der Druckmaschine abzunehmen; die Steuerpflichtige ziehe nicht Probeexemplare, sondern bekomme erst später Muster. Sonach blieben die Zeitungen und Zeitschriften nach Abschluß der Herstellung in der Verfügungsmacht der Druckerei. Sie wurden nicht der Steuerpflichtigen übergeben und sodann zum Zwecke des Versendens der Druckerei zurückgegeben. Hierin unterscheiden sich der Urteilsfall V 262/58 U (a. a. O.) und der vorliegende Sachverhalt. Im Urteilsfall V 262/58 U hatten ein Redakteur und ein Versandleiter des Verlags die gedruckte Auflage geprüft, in Empfang genommen und alsbald der Druckerei zum Versand zurückgegeben. Im vorliegenden Fall begnügte sich die Steuerpflichtige mit einer formellen Überprüfung an Hand späterhin übersandter Muster. Die Zeitschriften und Zeitungen gingen – wenn überhaupt – frühestens an der Verladerampe – also nach dem Versandfertigmachen – in die Verfügungsmacht der Steuerpflichtigen über.
Es kann unentschieden bleiben, ob das Versandfertigmachen hauptsächlich eine Sortier- und Verteilungsmaßnahme im Sinne des BFH-Urteils V 262/58 U war, ob die Druckerei mit dem Versenden beauftragt war und ob die Kraftfahrer der Steuerpflichtigen und der Charterwagen Erfüllungsgehilfen der Druckerei waren. Es kann selbst unterstellt werden, daß Beauftragte der Druckerei die Fahrzeuge begleiteten. Wird insoweit den Gedankengängen der Revisionsklägerin gefolgt, ändert sich das Ergebnis nicht. Es wäre in diesem Fall ein Reihengeschäft anzunehmen. Sobald die Druckereibeauftragten oder die Kraftfahrer die Bündel den Händlern übergaben oder an Bahn bzw. Post zur Versendung an die Händler aushändigten, wären zwei Lieferungen vollzogen; eine Lieferung der Druckerei an die Steuerpflichtige und eine weitere Lieferung der Steuerpflichtigen an den Händler (§ 2 Abs. 2, § 5 Abs. 2 Satz 2 UStDB 1951). Die Kosten des Versandfertigmachens blieben Vorfrachten, da sie anfielen, bevor die Steuerpflichtige den Händlern die Verfügungsmacht an den Zeitungen und Zeitschriften verschaffte. Beim Reihengeschäft vollziehen sich die Lieferungen der Reihe an einem Ort und in einem Zeitpunkt, Der oder die nicht tätig werdenden Lieferanten müssen sich die Tätigkeit des handelnden Erstlieferanten zurechnen lassen. Was bei diesem Vorfracht ist, kann bei den weiteren Lieferanten der Reihe nicht abzugsfähige Versendungsauslage sein.
Fundstellen
Haufe-Index 514895 |
BFHE 1971, 334 |