Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Ersetzt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer die Kosten von Dienstreisen mit einem eigenen Pkw in Form von Kilometergeldern, so ist zu vermuten, daß mit diesen Sätzen die tatsächlichen Fahrtkosten des Arbeitnehmers voll abgegolten sind.
Wird diese Vermutung aber im Einzelfall widerlegt, so können die in Abschn. 21 Abs. 5 und 9 LStR 1957 enthaltenen Kilometersätze bei der erforderlichen Schätzung auch von den Steuergerichten als Anhalt angewendet werden.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1; LStR Abschn. 21 Abs. 5; LStR Abschn. 21/4; LStR Abschn. 21 Abs. 9; LStR Abschn. 21/12
Tatbestand
Der Bf. ist für seinen Arbeitgeber Holzeinkäufer; er überwacht auch die in den Waldungen lagernden Bestände und veranlaßt ihren Abtransport. Bei seinen Dienstfahrten benutzte er einen eigenen VW. Sein Arbeitgeber ersetzte ihm im Streitjahr 1958 17 Pfennig für jeden dienstlich gefahrenen Kilometer.
Der Bf. begehrte, ihm bei der Veranlagung darüber hinaus 8 Pfennig je Kilometer als Werbungskosten anzuerkennen. Er trug vor, seine Fahrten hätten sich überwiegend auf Waldgegenden erstreckt. Dadurch sei der Aufwand für den Pkw besonders hoch gewesen. In Abschnitt 21 Abs. 9 LStR sei für Kraftwagen ein Kilometersatz von 25 Pfennig anerkannt. Bei den früheren Veranlagungen sei ihm vom Finanzamt der Unterschiedsbetrag von 17 bis 25 Pfennig auch als Werbungskosten zugebilligt worden.
In der Einspruchsentscheidung verwies der Steuerausschuß auf eine Veröffentlichung des ADAC, wonach die Betriebskosten eines VW bei Zugrundelegung der vom Bf. abgefahrenen Kilometer mit 17 Pfennig im allgemeinen angemessen abgegolten seien. Da dieser Satz sich jedoch auf normale Straßen beziehe, lägen die Kosten des Bf. wegen der Fahrten in Waldgegenden bei etwa 20 Pfennig. Der Steuerausschuß erkannte dem Bf. deshalb Werbungskosten von 3 Pfennig je Kilometer zu.
Mit der Berufung machte der Bf. geltend, der Kilometersatz von 25 Pfennig sei nicht nur in den LStR, sondern auch in § 20 Abs. 2 Ziff. 2 LStDV für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte im eigenen Pkw festgelegt. Die vom Arbeitgeber vergüteten 17 Pfennig beruhten nicht auf genauere Berechnung seiner tatsächlichen Fahrtkosten.
Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück. Es führte aus, ein Arbeitnehmer, der von seinem Arbeitgeber weniger als 25 Pfennig je Kilometer ersetzt bekomme, könne nicht ohne weiteres einen Betrag bis zu 25 Pfennig je Kilometer als Werbungskosten geltend machen, sondern müsse seinen höheren Aufwand glaubhaft machen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
Werbungskosten eines Arbeitnehmers im Sinne von § 9 EStG 1958 sind alle Aufwendungen, die durch das Dienstverhältnis veranlaßt sind (Urteil des Senats VI 79/60 S vom 2. März 1962, BStBl 1962 III S. 192, Slg. Bd. 74 S. 513). Dazu gehören auch Kosten für Dienstreisen des Arbeitnehmers mit seinem Pkw, soweit sie ihm nicht vom Arbeitgeber ersetzt werden.
Werden dem Arbeitnehmer die Fahrtauslagen in Form von Kilometergeldern ersetzt, so ist im allgemeinen davon auszugehen, daß die vereinbarten Kilometersätze auf Grund von Einzelberechnungen ermittelt worden sind und mit ihnen die Kosten für die Dienstreisen des Arbeitnehmers im eigenen Pkw voll vergütet werden. Ein Arbeitnehmer kann sich also nicht ohne weiteres auf den Kilometersatz von 25 Pfennig im Abschn. 21 Abs. 5 und 9 LStR 1957 berufen, wenn er mit seinem Arbeitgeber einen geringeren Kilometersatz vereinbart hat. Davon geht auch die Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 215/53 U vom 17. Dezember 1953 (BStBl 1954 III S. 76, Slg. Bd. 58 S. 428) aus. Die Anerkennung eines Kilometersatzes von 25 Pfennig in den LStR ist nicht als sachliche Begünstigung von Arbeitnehmern gedacht. Der Satz ist vielmehr ein Richtsatz, der auf einer Schätzung gemäß § 217 AO beruht und der Arbeitsvereinfachung für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Finanzbehörden dient.
Die Vermutung, daß mit dem vereinbarten Kilometersatz die Fahrtauslagen des Arbeitnehmers voll abgegolten sein sollen, ist allerdings widerlegbar. Es kommt nicht selten vor, daß Arbeitgeber von ihren Arbeitnehmern verlangen, daß diese die Kosten der Dienstreisen voll oder zum Teil aus ihrem Gehalt tragen, das dann meist entsprechend höher bemessen wird. In solchen Fällen ist das Kilometergeld des Arbeitgebers nur als Beihilfe oder Zuschuß für den Arbeitnehmer gedacht. Der Arbeitnehmer ist dann nicht gehindert, seine über den Zuschuß hinausgehenden Kosten als Werbungskosten geltend zu machen, wie der Senat in den Urteilen VI 24/58 U vom 18. April 1958 (BStBl 1958 III S. 300, Slg. Bd. 67 S. 73) und VI 9/59 U vom 29. Januar 1960 (BStBl 1960 III S. 163, Slg. Bd. 70 S. 435) bereits ausgeführt hat.
Diesem rechtlichen Gesichtspunkt hat das Finanzgericht wohl nicht ausreichend Rechnung getragen. Der Bf. hatte behauptet, die 17 Pfennig seien nur ein Zuschuß zu den Fahrtkosten gewesen; eine Berechnung der tatsächlichen Kosten habe der Bemessung nicht zugrunde gelegen. Das Finanzgericht hätte dieser Behauptung, die für die Entscheidung wesentlich war, nachgehen müssen. Die angefochtene Entscheidung mußte daher aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen werden. Das Finanzgericht muß vor allem den Arbeitgeber zu den Behauptungen des Bf. hören.
Bei der erneuten Entscheidung hat das Finanzgericht von den folgenden Grundsätzen auszugehen: Ergibt sich, daß den 17 Pfennig eine Einzelberechnung der tatsächlichen Fahrtaufwendungen zugrunde liegt, so sind die vom Steuerausschuß zuerkannten 3 Pfennig nicht gerechtfertigt, so daß evtl. die Einspruchsentscheidung zuungunsten des Bf. geändert werden muß. Ergibt sich aber, daß die 17 Pfennig nur ein Zuschuß waren, so bestehen keine Bedenken, dem Bf. Werbungskosten bis zu 8 Pfennig je Kilometer zuzuerkennen. Die Sätze der LStR sind zwar an sich nur Verwaltungsanweisungen, die die Steuergerichte nicht binden und die den Steuerpflichtigen keinen vor den Steuergerichten verfolgbaren Anspruch verleihen. Da aber die Sätze im Abschn. 21 LStR Schätzungen nach § 217 AO sind, die die obersten Verwaltungsbehörden auf Grund ihrer Erfahrungen im Interesse der Vereinfachung und gleichmäßigen Handhabung festgesetzt haben, so haben auch die Steuergerichte diese Sätze anzuwenden, sofern sie nicht im Einzelfall zu offensichtlich unrichtigen Ergebnissen führen (Urteile des Bundesfinanzhofs VI 143/60 U vom 11. August 1961, BStBl 1961 III S. 509, Slg. Bd. 73 S. 669; IV 356/60 U vom 24. Mai 1962, BStBl 1962 III S. 396, Slg. Bd. 75 S. 356).
Der Bf. kann sich allerdings nicht darauf berufen, daß das Finanzamt ihm früher die beantragten Werbungskosten widerspruchslos zugebilligt habe. Jeder Veranlagungszeitraum bildet einen Steuerfall für sich. Bei der Beurteilung späterer Jahre ist das Finanzamt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht durch seine Beurteilung in früheren Jahren gebunden. Erkennt das Finanzamt, daß die bisherige Behandlung unrichtig war, so darf es den in der Vergangenheit gemachten Fehler nicht auch für die Zukunft wiederholen.
Fundstellen
Haufe-Index 410865 |
BStBl III 1963, 425 |
BFHE 1964, 290 |
BFHE 77, 290 |