Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Wird in einem HGA-Erlaßverfahren die Prüfung der Frage, ob die Erhebung einer Abgabe nach § 131 AO unbillig ist, nur auf das belastete Grundstück und nicht auch auf die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers erstreckt, so kann die Ablehnung des Erlaßantrags ermessensfehlerhaft sein.
Wird nach § 131 AO der Antrag auf Erlaß aller Abgabeleistungen gestellt und das mit der HGA belastete Grundstück, ehe über den Erlaßantrag endgültig entschieden wurde, veräußert, so bleibt die Entscheidung über den Erlaßantrag zulässig. Eine Ablehnung des Antrags kann in einem solchen Fall nicht darauf gestützt werden, daß der Antragsteller ab dem Zeitpunkt des übergangs des Grundstücks auf den Erwerber durch die HGA nicht mehr belastet sei.
Hat der Gesellschafter einer OHG auf Grund des § 131 AO den Erlaß einer HGA-Schuld beantragt, zu der er unanfechtbar herangezogen wurde, so kommt es bei der Ermessensentscheidung der Finanzbehörde darauf an, ob die Heranziehung zur HGA eindeutig fehlerhaft ist und der Antragsteller zu der unrichtigen Veranlagung nicht nur nichts Wesentliches beigetragen, sondern das von seiner Seite Erforderliche getan hat, um eine richtige Veranlagung, gegebenenfalls durch Beschreitung des Rechtsmittelwegs, zu erreichen. Die Prüfung ist auf die KGA auszudehnen, wenn die Möglichkeit besteht, daß der Schuldnergewinn aus der dinglich gesicherten RM-Verbindlichkeit entweder der KGA oder der HGA unterlegen hat, und ein Bescheid, ob der Schuldnergewinn zur KGA heranzuziehen ist, nicht erteilt wurde.
Hat ein Abgabeschuldner seinen Einspruch gegen die Heranziehung zur HGA zu einer Zeit zurückgenommen, zu der die 19. AbgabenDV-LA, auf deren Bestimmungen der Einspruch mit Aussicht auf Erfolg hätte gestützt werden können, noch nicht ergangen war, so ist eine Ablehnung des Erlaßantrags ermessensfehlerhaft.
Normenkette
LAG §§ 91, 97 Abs. 1 Nr. 1, §§ 131, 161, 163, 186; AO § 131
Tatbestand
Der Bruder des Bf. wurde durch Bescheid vom Dezember 1955 unter anderem zu einer Abgabeschuld von 7.500,00 DM herangezogen. Durch Zurücknahme des dagegen eingelegten Einspruchs ist der HGA-Bescheid unanfechtbar geworden. Streitig ist, ob bei Ablehnung des daraufhin gestellten Erlaßantrags die Finanzverwaltung die Grenzen ihres Ermessens eingehalten hat.
Der Sachverhalt ist folgender: Der Bruder des Bf. war zusammen mit diesem und zwei anderen Geschwistern Gesellschafter einer eine Wäscherei und Plätterei betreibenden OHG. Er war Eigentümer eines mit einem Fabrikgebäude und einem Wohngebäude bebauten Grundstücks. Die Gebäude dienten dem Betrieb der OHG und wurden steuerlich dem Betriebsvermögen der OHG zugerechnet. Die OHG beschaffte sich für den Ausbau und die Erweiterung dieses Betriebs mehrere Darlehen von der mit ihr in Geschäftsverbindung stehenden Bank. Sie wurden auf dem Grundstück des Bf. durch eine Hypothek und vier Grundschulden gesichert und zum Einbau neuer maschineller Einrichtungen verwendet. Die Darlehnsschulden sind in den Bilanzen der OHG seit dem Jahre 1949 regelmäßig ausgewiesen worden.
Die Gebäude und Maschinen des Betriebs der OHG wurden durch Bombenangriffe in den Jahren 1944 und 1945 zerstört, so daß der Betrieb eingestellt werden mußte. Eine Gesellschafterin schied durch Tod und ein anderer Gesellschafter durch Kündigung aus der OHG aus. Diese wurde jedoch daraufhin nicht aufgelöst, sondern zwischen dem Bf. und seinem Bruder fortgesetzt. Die Firma wurde nach Mitteilung des Amtsgerichts nicht geändert. Am 15. Juni 1948 wurde auf einem gepachteten Grundstück ein Betrieb, der ebenfalls eine Wäscherei zum Gegenstand hatte, durch die OHG eröffnet. Die OHG reichte dem Finanzamt eine auf den Eröffnungsstichtag aufgestellte RM-Bilanz ein, die gleichzeitig als RM-Schlußbilanz (RMSB) auf den 19. (20.) Juni 1948 gelten sollte, da nach den Angaben der OHG zwischen den beiden Stichtagen keine Geschäftsvorfälle vorgekommen seien. Gleichzeitig legte die OHG eine DM-Eröffnungsbilanz (DMEB) auf den 21. Juni 1948 vor. Die Darlehnsschuld gegenüber der Bank ist weder in der RM-Eröffnungs- (Schluß-) bilanz noch in der DMEB als Schuldposten ausgewiesen. Dazu erklärte die OHG in ihrer Vermögensaufstellung zur Ermittlung des Einheitswertes des dem Gewerbebetrieb dienenden Vermögens auf den 21. Juni 1948, sie habe unter anderem die durch Grundpfandrechte gesicherte Schuld an die Bank in die DMEB nicht aufgenommen, weil sie mit dem wiederaufgebauten Betrieb in keinem Zusammenhang stehe. Die Schuldbeträge würden in der persönlichen Vermögensaufstellung berücksichtigt werden. In der Anlage zur Vermögensanzeige und Selbstberechnung der Soforthilfeabgabe (SHA) hat die OHG über das Betriebsvermögen des zerstörten Betriebs eine Aufstellung gegeben, die mit einem Minusvermögen abschließt, und eine solche für den neueröffneten Betrieb, die ein Vermögen von 25.000,00 DM ausweist. In den Vermögensteuererklärungen des Bf. und seines Bruders auf den 1. Januar 1949 erscheint die umgestellte 1/10-Darlehnsschuld gegenüber der Bank zusammen mit anderen in die Eröffnungsbilanz des neueröffneten Betriebs nicht übernommenen Schulden entsprechend den Anteilen der beiden Gesellschafter an dem Gesellschaftsvermögen als Vermögensschulden. Den der OHG übersandten Vordruck für die Erklärung und Selbstberechnung der Kreditgewinnabgabe (KGA) sandte sie unausgefüllt mit dem Bemerken zurück, sie habe keinen Kreditgewinn gehabt. Das Finanzamt stellte sich auf den Standpunkt, der Schuldnergewinn aus der Darlehnsschuld an die Bank unterliege nicht der KGA, da die Darlehnsschuld in der DMEB der OHG nicht enthalten sei. Es setzte im Jahre 1953 die KGA-Schuld auf 0 DM fest und erklärte im Jahre 1955 die "nv" -Veranlagung für endgültig. Einen Bescheid erhielt die OHG in beiden Fällen nicht.
Das Finanzamt hat die Heranziehung des Bruders des Bf. zu HGA damit begründet, daß die Betriebsschuld der OHG gegenüber der Bank in eine Privatschuld des Bruders des Bf. umgewandelt worden sei. Es hat wegen ungünstiger Ertragslage des Grundstücks bis zum Ende des Jahres 1958 die Abgabeleistungen in vollem Umfange erlassen. Im August 1957 wurde über das Vermögen der OHG das Konkursverfahren eröffnet und die Firma nach Durchführung des Verfahrens im November 1958 im Handelsregister gelöscht. Nunmehr beantragte der Bruder des Bf. im Januar 1959, ihm die HGA, soweit sie aus der Darlehnsschuld gegenüber der Bank hergeleitet werde, zu erlassen. Da das Finanzamt diesem Antrag nicht entsprach, bat der Bf. nach dem Tode seines Bruders als dessen Alleinerbe mit Schreiben vom Februar 1959, die Angelegenheit nochmals zu überprüfen, und erklärte, als auch daraufhin eine ablehnende Antwort des Finanzamts erging, durch Schreiben vom April 1959, er bestehe auf dem von seinem Bruder beantragten Erlaß der HGA. Ehe über den Erlaßantrag endgültig entschieden wurde, verkaufte der Bf. mit Rücksicht auf die absonderungsberechtigten Gläubiger das mit der HGA belastete Grundstück des verstorbenen Bruders zusammen mit seinem eigenen Nachbargrundstück im Mai 1959 zu einem Gesamtpreis von 30.000,00 DM. Nach § 2 des Kaufvertrags erfolgte die übereignung frei von einer etwa entstandenen öffentlichen Last nach dem LAG - HGA -. In § 5 des Kaufvertrags wurde dazu vereinbart, daß der Erwerber keine Verbindlichkeit, die sich aus dem LAG ergeben würde, übernehme und Verbindlichkeiten dieser Art von dem Bf. zu erfüllen seien. Als Tag der übergabe des Grundstücks wurde der 15. Juni 1959 vereinbart (ß 3 Abs. 1 des Kaufvertrags). Die Umschreibung auf den Erwerber im Grundbuch ist im August 1959 vorgenommen worden. Der nach Auszahlung der zu Lasten der verkauften Grundstücke bestehenden Hypothekenbeträge an die Gläubiger verbleibende überschußbetrag belief sich auf 9.000,00 DM und wurde von dem Konkursverwalter auf ein Anderkonto eingezahlt. Der Bf. wiederholte nach Durchführung des Verkaufs letztmalig seinen Erlaßantrag wegen Totalverlustes seines Vermögens mit Schreiben vom Dezember 1960. Er dehnte in diesem Schreiben den Erlaßantrag auch auf die übrigen Abgabeschulden, zu denen sein Bruder außerdem herangezogen worden war, aus, hat aber insoweit den Antrag im Berufungs- und Rechtsbeschwerdeverfahren nicht aufrechterhalten. Das Finanzamt teilte ihm daraufhin mit, daß, da bis Ende des Jahres 1958 bereits alle Abgabeleistungen erlassen worden seien, über den Erlaß für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1959 entschieden werde, wenn die Verwaltungsanordnung für den Erlaßzeitraum 1959 bis 1961 ergangen sei. Den Antrag, den dann noch verbleibenden Restbetrag der HGA-Schuld zu erlassen, lehnte das Finanzamt ab und verwies den Bf. durch Rechtsmittelbelehrung auf den Beschwerdeweg.
Beschwerde und Berufung blieben ohne Erfolg. Die Vorinstanz führte aus, die Anwendung des § 131 AO werde gemäß § 203 Abs. 5 LAG durch besondere Verwaltungsanordnungen des Bundesministers der Finanzen geregelt. Außerhalb einer solchen Verwaltungsanordnung bzw. ohne einen ministeriellen Einzelerlaß sei ein Erlaß nicht möglich. Der Bundesfinanzhof habe durch Urteil III 221/58 U vom 17. April 1959 (BStBl 1959 III S. 258, Slg. Bd. 68 S. 681) entschieden, daß auch die Steuergerichte im Bereich des LAG nicht in der Lage seien, den § 131 AO unabhängig von einer Verwaltungsanordnung des Bundesministers der Finanzen anzuwenden. Was dort für die Vermögensabgabe ausgesprochen worden sei, müsse auch für die HGA gelten. Für den vorliegenden Sachverhalt sei eine Billigkeitsmaßnahme weder in einer allgemeinen Verwaltungsanordnung noch durch ministeriellen Einzelerlaß vorgesehen. Es bestehe nach dem Willen des Gesetzgebers ein das gesamte HGA-Recht beherrschender Grundsatz, daß sich nur solche Umstände auf die Entstehung, die Höhe und die Erhebung der HGA auswirken sollen, die das belastete Grundstück betreffen würden. Das Schicksal und insbesondere der Verlust sonstiger Vermögensgegenstände des Schuldners einschließlich etwaiger mittels der Hypotheken-Valuta erstellter Werte seien für die Abgabeerhebung regelmäßig ohne Bedeutung. Der Bf. könne mit dem Vorbringen, die Kreditforderung dürfe nicht für Zwecke der HGA erfaßt werden, nicht gehört werden. Darüber, ob im vorliegenden Falle eine HGA oder eine KGA zu erheben sei, sei in dem unanfechtbar abgeschlossenen HGA-Veranlagungsverfahren entschieden worden. Abgesehen davon gebe die Heranziehung des Schuldnergewinns zur HGA auch inhaltlich zu keiner Beanstandung Anlaß, weil der frühere Betrieb am 21. Juni 1948 nicht mehr bestanden habe. Die Aufbringung der sich an die Eigentumsaufgabe des Grundstücks infolge des Verkaufs anschließenden Abgabeleistungen sei Sache des Erwerbers. Der Bf. sei von diesem Zeitpunkt ab durch die HGA nicht mehr belastet.
Der Bf. hat im Erlaßverfahren und zur Begründung seiner Rb. folgendes vorgetragen:
Der frühere Betrieb der OHG sei durch die Zerstörung der Gebäude und der maschinellen Einrichtungen vollständig vernichtet worden. Der in den Jahren 1947/1948 auf einem gepachteten Grundstück wieder aufgebaute Betrieb habe mit dem früheren Betrieb nichts zu tun. Aus diesem Grunde seien die nach der Zerstörung verbliebenen Verbindlichkeiten nicht in die Eröffnungsbilanz des neuen Betriebs aufgenommen worden. Die Verbindlichkeiten seien von seinem Bruder und ihm in den Vermögenserklärungen, die in den Jahren nach der Währungsreform abgegeben worden seien, angegeben worden, aber nicht als Privatschulden, sondern als persönliche Schulden aus der Haftung als Gesellschafter in der Höhe, die dem Anteil des einzelnen Gesellschafters an der OHG entsprochen habe. Aus der Zerstörung der früheren OHG seien den Gesellschaftern nur abgewertete Verbindlichkeiten verblieben. Für die Kriegslasten hätten die Gesellschafter der OHG nicht eine DM erhalten, obwohl mit dem Betrieb der OHG vor der Zerstörung ein Reingewinn von über 30.000 RM jährlich erzielt worden sei. Da die Bank ihren Kredit nur der OHG gegeben habe, habe am 20. Juni 1948 die Bank keine Forderung gegen seinen Bruder gehabt. Es habe kein Schuldverhältnis zwischen seinem Bruder und der Bank bestanden. Sein Bruder habe deswegen bei der Währungsumstellung auch keinen Schuldnergewinn erzielen können. Das Finanzamt habe aber seinen Bruder so behandelt, als sei er mit der OHG identisch. Bei einem Verkauf oder einer Zerstörung eines Betriebes - durch Feuer oder Explosion - hafte der Gesellschafter einer OHG neben dieser wie ein Bürge für die Darlehnsschuld der OHG, wenn der Gläubiger aus dem Verkaufserlös oder aus der Versicherungssumme nicht voll befriedigt werden könne. Habe die OHG aber ihr Betriebsvermögen durch Kriegseinwirkung verloren und erhalte sie für ihren Totalschaden keine Entschädigung, so hafte der Bürge nicht für die Forderung des Gläubigers der OHG. Im Streitfall sei mit der Zerstörung des Betriebs und der maschinellen Einrichtungen der Gegenwert der Forderung der Bank verlorengegangen, der Betrieb habe aufgehört zu existieren, die OHG sei aufgelöst worden und die Gesellschafter hätten sich getrennt. Die OHG hätte zur KGA herangezogen werden müssen, da sie aber einen Totalverlust erlitten habe, komme eine Heranziehung nicht in Betracht. Keinesfalls könne aber anstelle der KGA nach Belieben des Finanzamts eine HGA verlangt werden. Das LAG enthalte keine Vorschrift, daß ein Bürge in einem solchen Fall zu irgendeiner Gewinnabgabe herangezogen werden könne.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen.
Der Hinweis der Vorinstanz, die Versagung der Billigkeitsmaßnahme rechtfertige sich damit, daß nach dem Willen des Gesetzgebers ein das gesamte HGA-Recht beherrschender Grundsatz bestehe, nach dem nur solche Umstände berücksichtigt werden können, die das belastete Grundstück betreffen, bedarf in den Fällen, in denen § 131 AO angewendet werden soll, einer Richtigstellung. Im Gegensatz zu § 129 LAG und in gewisser Hinsicht zu § 131 LAG ist die Prüfung der Frage, ob die Erhebung einer Abgabe nach § 131 AO unbillig ist, nicht nur auf das belastete Grundstück, sondern auf die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers zu erstrecken. In einem HGA-Erlaßverfahren nach § 131 AO kann es deshalb auch auf Umstände ankommen, die nicht nur unmittelbar das Grundstück betreffen, sondern sich auch auf alle anderen Umstände beziehen, die eine Unbilligkeit der Einziehung begründen können. Wird dies nicht beachtet, kann eine Ablehnung des Erlaßantrags ermessensfehlerhaft sein. Die den Finanzgerichten zukommende Entscheidung über die Frage einer Ermessensverletzung ist durch § 203 Abs. 5 LAG nicht eingeengt worden. Diese Vorschrift hat nur den Zweck, eine einheitliche Anwendung des § 131 AO für die Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Lastenausgleichsabgaben sicherzustellen. Der erkennende Senat hat im Anschluß an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 314/60 vom 21. Februar 1961 (BStBl 1961 I S. 63) seine frühere abweichende Meinung aufgegeben (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs III 67/60 U vom 2. März 1962, BStBl 1962 III S. 277, Slg. Bd. 75 S. 21; III 243/60 U vom 1. Februar 1963, BStBl 1963 III S. 242, Slg. Bd. 76 S. 663; III 176/61 S vom 23. August 1963, BStBl 1963 III S. 541, Slg. Bd. 77 S. 605, und III 74/60 U vom 20. November 1964, BStBl 1965 III S. 73, Slg. Bd. 81 S. 205). Das Urteil des Bundesfinanzhofs III 221/58 U vom 17. April 1959, a. a. O., auf das sich die Vorinstanz berufen hat, ist damit überholt.
Im Streitfall ist der Erlaßantrag als noch vor Verkauf des belasteten Grundstücks gestellt anzusehen. Zwar ist das Rechtsmittelverfahren erst auf Grund des letztmalig gestellten Antrags vom Dezember 1960, nachdem das Grundstück bereits verkauft war, in Gang gekommen, doch handelt es sich bei diesem Antrag nur um eine Wiederholung des bereits vor Verkauf des belasteten Grundstücks von dem Bruder und dem Bf. gestellten Antrags. Im Zeitpunkt der erstmaligen Stellung des Antrags bestand die Haftung des Bruders des Bf. nach § 111 Abs. 3 LAG noch in vollem Umfang. Das gleiche gilt, abgestellt auf den Zeitpunkt der erstmaligen Wiederholung des gestellten Antrags, für den Bf. selbst. Der Antrag umfaßte alle Abgabeleistungen ohne Rücksicht darauf, welches Schicksal das Grundstück später haben würde. Im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung durch die Oberfinanzdirektion war das belastete Grundstück bereits verkauft. Der Antrag bezog sich auch hier nur auf die nach dem Eigentumsübergang fällig werdenden Abgabeleistungen. Aber auch dieser Antrag geht auf die vor Verkauf des Grundstücks gestellten Erlaßanträge zurück. Die Vorinstanz, die ihre ablehnende Entscheidung auch damit begründet hat, daß der Bf. von dem Zeitpunkt des übergangs des Grundstücks auf den Erwerber ab durch die HGA nicht mehr belastet sei, hat nicht berücksichtigt, daß es auf diese Rechtswirkung, die erst nach Stellung des maßgebenden Antrags eingetreten ist, im Streitfall nicht entscheidend ankommt.
Bei der überprüfung der Ermessensentscheidung der Oberfinanzdirektion kommt es in erster Linie darauf an, ob die Heranziehung des Bruders des Bf. zur HGA mindestens teilweise eindeutig fehlerhaft ist und ob der Bf. und sein Bruder zu der unrichtigen Veranlagung wesentlich beigetragen oder das ihrerseits Erforderliche getan haben, um die richtige Veranlagung zu erreichen. In einem Erlaßverfahren kann es sich nicht darum handeln, die Richtigkeit der Veranlagung in allen Einzelheiten nachzuprüfen, um so auf diese Weise das Veranlagungsverfahren neu aufzurollen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs I 218/55 U vom 17. April 1956, BStBl 1956 III S. 190, Slg. Bd. 62 S. 510; VII 44/62 U vom 6. August 1963, BStBl 1963 III S. 515, Slg. Bd. 77 S. 535). Es kann aber auch nicht darauf verzichtet werden, die Veranlagung insoweit nachzuprüfen, als es auf die offensichtliche Fehlerhaftigkeit ankommt. Hinsichtlich der eigenen Mitwirkung des Abgabeschuldners sind in erster Linie die von ihm abgegebenen Erklärungen zu beachten. Hat er es versäumt, durch ein Rechtsmittelverfahren eine Klärung der Veranlagung herbeizuführen, kann dies in der Regel nicht durch Stellung eines Erlaßantrags ersetzt werden. Im Streitfall sind bei der engen Verzahnung zwischen der KGA und HGA auch die Erklärungen, die der Bf. und sein Bruder in der Eigenschaft als Gesellschafter der OHG abgegeben haben, von Bedeutung.
Bei der überprüfung der HGA-Veranlagung, soweit sie für die Beurteilung des Erlaßantrags nach vorstehenden Gesichtspunkten erforderlich ist, muß mit Rücksicht darauf, daß die RM-Verbindlichkeit gegenüber der Bank als Betriebsschuld seinerzeit dinglich gesichert worden ist, von dem in § 97 Abs. 1 Nr. 1 LAG zum Ausdruck gekommenen Grundsatz ausgegangen werden. Hiernach geht die Abgabepflicht zur KGA der Abgabepflicht zur HGA vor. Die Wechselbeziehung in Fällen dieser Art führt dazu, daß grundsätzlich zunächst das Veranlagungsverfahren wegen der KGA durch einen Bescheid nach § 186 LAG abzuschließen ist, und daß von der Unanfechtbarkeit dieses Bescheids ein sich etwa ergebendes HGA-Verfahren abhängig gemacht werden muß. Dies gilt auch dann, wenn die Heranziehung des Schuldnergewinns zur KGA zu keiner KGA-Schuld führt, weil im Endergebnis der Gewinnsaldo auf 0 DM festzustellen ist, oder wenn eine Heranziehung zur KGA nicht in Betracht kommt. Gegen diese grundsätzliche Behandlungsweise hat das Finanzamt bereits dadurch eindeutig verstoßen, daß es für den Betrieb der OHG keinen Abgabebescheid erteilt, sondern nur einen internen Aktenvermerk über die "nv" -Veranlagung aufgenommen hat.
Ob der Schuldnergewinn aus einer dinglich gesicherten RM-Verbindlichkeit der KGA oder der HGA zu unterwerfen ist, richtet sich nach dem Charakter der Schuld. Handelt es sich danach um eine Betriebsschuld und hat der Abgabepflichtige die Verbindlichkeit nicht in seiner RMSB und DMEB ausgewiesen, so müssen die Bilanzen für die KGA berichtigt werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 196/55 S vom 22. November 1957, BStBl 1958 III S. 10, Slg. Bd. 66 S. 24 (35)).
Das Finanzamt hat ohne sonstigen ersichtlichen Grund nur deswegen, weil die Verbindlichkeit gegenüber der Bank weder in der RMSB noch in der DMEB ausgewiesen war, angenommen, daß die ursprünglich unbestrittene Betriebsverbindlichkeit in eine private Schuld umgewandelt worden sei. Das Finanzamt hat nicht geprüft, ob der am 15. Juni 1948 auf einem gepachteten Grundstück aufgenommene Betrieb die Fortsetzung des nach seiner Zerstörung eingestellten Betriebs darstellt oder ob nach dem Vorbringen des Bf. die OHG mit Aufnahme des neuen Betriebs Inhaber zweier Unternehmen geworden war. Erst dann, wenn das Finanzamt zuvor diese Fragen in verneinendem Sinn abschließend entschieden hätte, wäre der Weg zur Heranziehung zur HGA eröffnet gewesen. Auch dagegen hat das Finanzamt verstoßen.
Dafür, daß der zerstörte und eingestellte Betrieb durch die Geschäftseröffnung am 15. Juni 1948 nur fortgesetzt worden ist, spricht einmal die eigene Auffassung des Finanzamts, das den Betrieb in den Jahren 1946, 1947 und im ersten Halbjahr 1948 als ruhend angesehen hat, ferner, daß die OHG die Firma auch nach Ausscheiden von zwei Gesellschaftern weitergeführt hat und Gegenstand des Unternehmens der gleiche geblieben ist, und schließlich, daß die OHG das am 1. Januar 1946 noch vorhandene brauchbare Maschinen- und Büroinventar einschließlich des Fuhrparks, soweit aus den Akten ersichtlich, bei Eröffnung des Betriebs im Jahre 1948 übernommen hat. Unter diesen Umständen lag es nahe, eine Fortsetzung des Betriebs anzunehmen, mit der Folge, daß auch die früheren Betriebsschulden in die Bilanzen des neueröffneten Betriebs aufzunehmen waren. Da letzteres die OHG nicht getan hat, hätte das Finanzamt mindestens für die Zwecke der KGA die RMSB und die DMEB berichtigen müssen.
Auch das Vorbringen des Bf., das wegen der im Zeitpunkt der Währungsreform nicht getilgten Betriebsschulden von einem selbständigen Fortbestehen des früheren Betriebs ausgeht, hätte das Finanzamt prüfen müssen. Eine OHG kann gleichzeitig mehrere Handelsgewerbe betreiben. Ob im Falle der Nichtfortführung des Betriebes der frühere Betrieb hinsichtlich der noch nicht getilgten Schulden durch entsprechende Vereinbarungen mit den Gläubigern am Währungsstichtag restlos abgewickelt war, ist im einzelnen nicht geprüft worden. Wäre aber der erste Betrieb am Währungsstichtag wegen dieser Schulden als noch bestehend anzusehen, wäre ihre übernahme in die DMEB des zweiten Betriebs weder geboten noch möglich, so daß daraus die Schlußfolgerung des Finanzamts, es müsse sich um eine Privatschuld handeln, nicht gerechtfertigt war. Die übernahme der umgestellten 1/10-Schuld gegenüber der Bank anteilsmäßig in die Vermögensteuererklärungen der beiden Gesellschafter spricht nicht unwiderleglich für eine Umwandlung in eine Privatschuld. Auch daraus, daß die 1/10-Schuld nicht in den Einheitswert des neuen Betriebs der OHG aufgenommen wurde, kann nichts Entscheidendes im Sinne einer Umwandlung in eine Privatschuld hergeleitet werden. Da sich der frühere Betrieb im Zustand der Liquidation befand, hätte das Finanzamt unter Umständen in entsprechender Anwendung der Tz. 11 des Zweiten Sammelerlasses zur Kreditgewinnabgabe vom 12. Juli 1954 (2. KGA-Sammelerlaß) - BStBl 1954 I S. 350 - von einer Veranlagung zur KGA absehen können, ohne daß es zu einer HGA-Veranlagung gekommen wäre.
Eine Wiederaufrollung aller dieser mit der KGA zusammenhängenden Veranlagungsfragen, insbesondere eine Entscheidung darüber, ob es sich bei dem zweiten Betrieb um eine Fortsetzung des ersten oder ob es sich um zwei selbständige Betriebe gehandelt hat, ist im streitigen Zeitpunkt in einem Veranlagungsverfahren nicht mehr möglich, da die OHG in der Zwischenzeit im Handelsregister gelöscht worden ist.
Folgt man aber der der "nv" -Veranlagung bei der KGA zugrunde liegenden Auffassung des Finanzamts, daß die Schuld gegenüber der Bank nicht der KGA unterlegen habe, so steht die Heranziehung des Bruders des Bf. zur HGA in voller Höhe des Schuldnergewinns in offensichtlichem Widerspruch zu der Behandlung bei der Vermögensteuer. In den Vermögensteuererklärungen haben die Gesellschafter die Schuld im Verhältnis von 33 1/3 % zu 66 2/3 % aufgeteilt, und zwar in der Weise, daß 1/3 auf den Bruder und 2/3 auf den Bf. entfallen sollten. Das Verhältnis entspricht der Beteiligung in dem neuen Betrieb. Nach diesem Aufteilungsverhältnis wurden die Vermögensteuerveranlagungen der beiden Gesellschafter durchgeführt. Es kann zweifelhaft sein, ob dieses Aufteilungsverhältnis für die Darlehnsschuld zutreffend ist, da die OHG in der Anlage zur Vermögensanzeige und Selbstberechnung der SHA angegeben hat, daß die Gesellschafter an dem früheren Betriebsvermögen mit je 50 % beteiligt waren. Keinesfalls war es aber zulässig, da nur eines dieser beiden Aufteilungsverhältnisse zutreffend ist, den Bruder des Bf. mit dem vollen Schuldnergewinn zur HGA heranzuziehen. Nach § 2 Satz 1 der Neunzehnten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (19. AbgabenDV-LA) wird der Schuldnergewinn aus einer Verbindlichkeit, die am 20. Juni 1948 an einem Grundstück eines von mehreren Gesamtschuldnern gesichert war, zur HGA nach Maßgabe des Teilbetrags der Verbindlichkeit herangezogen, zu dem sie von dem Eigentümer des Grundstücks auf Grund der zwischen ihm und den übrigen Gesamtschuldnern bestehenden Rechtsverhältnisse am 20. Juni 1948 zu erfüllen war. Aus § 128 HGB ergibt sich, daß die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner haften. Demnach besteht zwar zwischen der Gesellschaft und den nach § 128 HGB haftenden Gesellschaftern kein Gesamtschuldverhältnis, jedoch zwischen den mehreren Gesellschaftern im Verhältnis zueinander (vgl. Baumbach-Duden, Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 16. Aufl. zu § 128 Anm. 2 C; Gessler-Hefermehl-Hildebrandt-Schröder, Handelsgesetzbuch, 2. Aufl., zu § 128 Anm. 15 und 21 und die dort angegebene weitere Literatur). Die Höhe der in der Person des Bruders des Bf. zum Entstehen kommenden Abgabeschuld hängt danach hinsichtlich der Verbindlichkeit gegenüber der Bank von dem zwischen dem Bf. und seinem Bruder bestehenden Rechtsverhältnis ab.
Obwohl der Sachverhalt in den wesentlichsten Punkten ungeklärt geblieben ist, liegen unabhängig davon entscheidende Fehler und Widersprüche im Hinblick auf die KGA-Behandlung wie die HGA-Veranlagung vor. Die ungenügende Klärung des Sachverhalts hinsichtlich des Charakters der Darlehnsschuld gegenüber der Bank, hinsichtlich der Frage, ob der frühere Betrieb fortgesetzt wurde oder ob zwei Betriebe vorliegen, und erforderlichenfalls auch hinsichtlich des maßgebenden Rechtsverhältnisses zwischen den beiden Gesellschaftern im Hinblick auf ihren Anteil an der Schuld gegenüber der Bank, lassen eine endgültige Entscheidung über den Erlaßantrag nicht zu. Die noch ausstehende Prüfung ist, soweit diese für die Erlaßentscheidung erforderlich ist, nachzuholen. Hätte nach dem Ergebnis der Prüfung der Schuldnergewinn aus der Verbindlichkeit gegenüber der Bank ganz oder teilweise zur KGA herangezogen werden müssen, wäre der Bruder des Bf. insoweit unzweifelhaft zu Unrecht zur HGA herangezogen worden. Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, daß die OHG eine ordnungsmäßige KGA-Erklärung nicht abgegeben hat, daß andererseits aber auch das Finanzamt keinen KGA-Bescheid erlassen hat und daß die Rechtslage im Streitfall für den Bf. nicht einfach lag. Kommt im Ergebnis eine Heranziehung zur KGA nicht in Betracht, weil beispielsweise auf Grund einer Vereinbarung zwischen der Bank und der OHG und deren Gesellschaftern eine Umwandlung in eine Privatschuld stattgefunden hat, so bedarf es noch der Klärung des zwischen dem Bf. und seinem Bruder bestehenden Rechtsverhältnisses, aus dem sich der Anteil der Schuld ergibt, für den der Bruder dem Bf. gegenüber als Gesamtschuldner aufzukommen hatte. War der Bruder nur anteilig zur Tilgung der Schuld verpflichtet, darf ihm bei Prüfung des Ausmaßes des zu gewährenden Erlasses die Rücknahme des Einspruchs gegen die HGA-Veranlagung nicht zum Vorwurf gemacht werden. Der Einspruch ist im Januar 1956 zurückgenommen worden, die 19. AbgabenDV-LA erging aber erst am 31. August 1956. Die Regelung des § 2 der 19. AbgabenDV-LA mußte deshalb dem Bruder des Bf. unbekannt sein, so daß er nach der damaligen Rechtslage nicht in der Lage war, seinen Einspruch sachgerecht weiterzuverfolgen. Der Umstand, daß im Zeitpunkt der Zurücknahme des Einspruchs die für § 2 der 19. AbgabenDV-LA erforderliche gesetzliche Ermächtigung in § 91 Abs. 4 Nr. 2 LAG vorlag, kann ihm nicht zum Nachteil angerechnet werden. Sollte es deshalb in dieser Richtung auf die Rücknahme des Einspruchs entscheidend ankommen und hätte die Veranlagung zur HGA auf Grund des Einspruchs ganz oder teilweise aufgehoben werden müssen, so wäre insoweit eine Ablehnung des Erlaßantrags ermessensfehlerhaft gewesen.
Die Vorentscheidungen sind aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache ist an die Oberfinanzdirektion zurückzuverweisen. Diese hat nach Aufklärung des Sachverhalts in dem vorstehend angegebenen Rahmen eine neue Ermessensentscheidung zu treffen. Bei der abschließenden Entscheidung hat die Oberfinanzdirektion, soweit es noch darauf ankommen sollte, mit Rücksicht darauf, daß in dem auf § 131 AO gestützten Erlaßantrag auch auf den Totalverlust des Vermögens hingewiesen wurde, die Gesamtverhältnisse des Bf. in die Beurteilung einzubeziehen. Dabei wird das Schicksal des auf Anderkonto eingezahlten Erlöses aus den verkauften Grundstücken mitzuberücksichtigen sein.
Fundstellen
Haufe-Index 411829 |
BStBl III 1966, 56 |
BFHE 1966, 155 |
BFHE 84, 155 |