Leitsatz (amtlich)
1. Fehlt bei einem Vertrag, der von vornherein klar und eindeutig zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter vereinbart worden ist, die Detailvereinbarung über eine vertragliche Nebenpflicht, so kann deshalb das von der Kapitalgesellschaft gezahlte Entgelt nicht insgesamt als verdeckte Gewinnausschüttung behandelt werden. Eine solche ist allenfalls insoweit anzunehmen, als die Kapitalgesellschaft eine Leistung erbracht hat, zu der sie vertraglich nicht verpflichtet war.
2. Der Grundsatz, daß ein Vertrag, den eine Kapitalgesellschaft mit ihrem beherrschenden Gesellschafter abschließt, tatsächlich auch durchgeführt werden muß, gilt nur dann, wenn das Fehlen der tatsächlichen Durchführung --was die Regel sein wird-- darauf schließen läßt, daß die Vereinbarung lediglich die Unentgeltlichkeit der Leistung des Gesellschafters verdecken soll.
Normenkette
KStG 1968 § 6 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, wurde im Jahre 1969 als Betriebskapitalgesellschaft gegründet, die im Rahmen einer Betriebsaufspaltung den Betrieb eines früheren Einzelunternehmens fortführte. Das Einzelunternehmen blieb als Besitzunternehmen erhalten. Inhaberin des Einzelunternehmens und alleinige Gesellschafterin der Klägerin war Frau T.
Die Klägerin schloß mit T am 13.September 1969 einen "Betriebsüberlassungs- und Pachtvertrag" ab. Danach überließ T der Klägerin zur pachtweisen Nutzung sämtliche Gegenstände des beweglichen Anlagevermögens mit Ausnahme der Kraftfahrzeuge, die Betriebsorganisation, die Betriebserfahrungen, die geschäftlichen Beziehungen zu Kunden und Lieferanten sowie das Recht der Firmenfortführung. Die Klägerin sollte ihrerseits einen jährlichen Pachtzins zahlen, der sich aus einem Fixum, der Absetzung für Abnutzung (AfA) und einer festen Umsatzbeteiligung errechnete. Der Pachtzins durfte nicht höher als der Gewinn der Klägerin vor Bezahlung des Pachtzinses sein. Auf den Jahrespachtzins waren monatliche Abschlagszahlungen zu leisten. Die Schlußrechnung sollte vier Wochen nach Aufstellung des Jahresabschlusses der Klägerin erteilt werden. Die Klägerin übernahm außerdem Instandhaltungsverpflichtungen gegenüber T bezüglich der gepachteten Vermögensgegenstände.
Nach einer Außenprüfung stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgendes fest: In den Streitjahren 1969 bis 1974 waren Abschlagszahlungen auf den Jahrespachtzins weder von T angefordert noch von der Klägerin geleistet worden. Die Klägerin hatte die Abschlagszahlungen auch nicht als monatlich anfallende Verbindlichkeiten verbucht. Entsprechend hatte T in der Buchführung ihres Einzelunternehmens auch keine Abschlagsforderungen erfaßt. Der Jahrespachtzins war erst bei der Aufstellung der Bilanz für die Klägerin ermittelt und auf einem Verrechnungskonto der T gutgeschrieben worden. Ersatz- und Neuinvestitionen waren zunächst nur von der Klägerin getätigt, finanziert und verbucht worden. Erst bei Anfertigung des Jahresabschlusses der Klägerin wurde aus den von ihr verbuchten Geschäftsvorfällen eine Gewinnermittlung für das Besitzunternehmen der T abgeleitet. Der Jahrespachtzins wurde mit den Kosten der Ersatz- und Neuinvestitionen sowie mit den "Entnahmen" der T verrechnet. Durch die Verrechnung ergaben sich erhebliche Forderungen der Klägerin gegenüber T. Diese Forderungen wurden nicht verzinst.
Das FA erkannte deshalb die Pachtzahlungen nicht als Betriebsausgaben an, sondern behandelte sie als verdeckte Gewinnausschüttungen. Der Einspruch gegen die geänderten Körperschaftsteuerbescheide 1969 bis 1974 vom 3.Mai 1976 und die sich anschließende Klage blieben erfolglos.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin sinngemäß Verfahrensfehler wegen Verletzung des § 76 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sowie die Verletzung des § 6 Abs.1 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1968). Die tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts (FG) trügen dessen Entscheidung nicht.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung vom 17.September 1976 die Körperschaftsteuerbescheide 1969 bis 1974 vom 3.Mai 1976 dahin zu ändern, daß die Körperschaftsteuer 1969 auf 1 797 DM, 1970 auf 63 313 DM, 1971 auf 67 229 DM, 1972 auf 68 248 DM, 1973 auf 64 007 DM und 1974 auf 0 DM festgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 FGO).
1. Der Senat hält die von der Klägerin erhobene Rüge eines Verfahrensmangels nicht für durchgreifend. Dies bedarf keiner weiteren Begründung (Art.1 Nr.8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs --BFHEntlG--).
2. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung sind unter einer verdeckten Gewinnausschüttung im Sinne des § 6 Abs.1 Satz 2 KStG 1968 alle Vorgänge zu verstehen, durch die letztlich Vermögen einer Kapitalgesellschaft den Gesellschaftern oder diesen nahestehenden Personen zugeführt wird, wobei --um den Folgen des § 7 Satz 2 KStG 1968 zu entgehen-- eine Beurteilung des Sachverhalts geltend gemacht wird, die diesen nicht als Grundlage einer Ausschüttung erscheinen läßt, vielmehr eine solche verdeckt. Vermögensvorteile werden damit den Gesellschaftern in einer Form zugeführt, in der sie nicht als Ausschüttung, sondern unter anderer Bezeichnung verborgen sind. Im allgemeinen liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung vor, wenn eine Kapitalgesellschaft einem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers einem Nichtgesellschaft nicht gewährt hätte (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7.Dezember 1983 I R 70/77, BFHE 140, 221, BStBl II 1984, 384; vom 23.Mai 1984 I R 294/81, BFHE 141, 266, BStBl II 1984, 673; vom 11.Dezember 1985 I R 164/82, BFHE 146, 126, BStBl II 1986, 469). Ist allerdings der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kommt bei Leistungen der Kapitalgesellschaft an ihn eine verdeckte Gewinnausschüttung auch dann in Betracht, wenn nicht von vornherein eindeutig und klar bestimmt ist, ob und in welcher Höhe --einerlei ob laufend oder einmalig-- ein Entgelt bezahlt werden soll (vgl. BFH- Urteil vom 30.Januar 1985 I R 37/82, BFHE 143, 263, BStBl II 1985, 345). Dies gilt jedenfalls dann, wenn wegen des Fehlens einer klaren, eindeutigen und im voraus getroffenen Vereinbarung die Möglichkeit besteht, den Gewinn der Kapitalgesellschaft mehr oder weniger beliebig festzusetzen und ihn so zu beeinflussen, wie es bei der steuerlichen Gesamtbetrachtung des Einkommens der Kapitalgesellschaft und ihres Gesellschafters am günstigsten ist.
Zu diesen Voraussetzungen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß in den Streitjahren 1969 bis 1974 T die alleinige Gesellschafterin der Klägerin war. Da diese Feststellung nicht mit Revisionsrügen angefochten wurde, ist der erkennende Senat an sie gebunden (§ 118 Abs.2 FGO). Aus ihr folgt, daß T beherrschende Gesellschafterin der Klägerin war.
Im übrigen ist das FG davon ausgegangen, daß es bezüglich der Ersatz- und Neubeschaffung von Anlagegütern an einer klaren und von vornherein getroffenen Vereinbarung fehle. Die dazu getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen jedoch diese Schlußfolgerung nicht. Wenn der erkennende Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung gefordert hat, daß Verträge zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter klar und von vornherein abgeschlossen sein müssen, dann bedeutet dies, daß von vornherein Klarheit über den Inhalt der vertraglichen Hauptpflichten bestehen muß. Umgekehrt geht es jedoch nicht an, bei einem an sich klar und von vornherein abgeschlossenen Vertrag aus dem Fehlen einer Detailvereinbarung über eine vertragliche Nebenpflicht auf einen insgesamt unentgeltlichen Leistungsaustausch zu schließen. Zu berücksichtigen ist, daß beim Fehlen einer Detailvereinbarung über eine vertragliche Nebenpflicht die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ergänzende Anwendung finden können. Auch kann sich die notwendige vertragliche Ergänzung aus der tatsächlichen, ständigen und einheitlichen Handhabung durch die Vertragspartner ergeben, wenn nur im übrigen ein von vornherein abgeschlossener Vertrag mit gegeneinander abgewogenen Leistungs- und Gegenleistungspflichten vorhanden ist. Selbst wenn aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles bezüglich einer vertraglichen Nebenpflicht eine unklare Vereinbarung festzustellen sein sollte, so rechtfertigt eine solche Unklarheit die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung nur insoweit, als die Kapitalgesellschaft eine möglicherweise nicht bestehende Leistungspflicht angenommen hat. Das FG hätte deshalb prüfen müssen, ob die Annahme der verdeckten Gewinnausschüttung nicht auf den Teil des Pachtzinses zu beschränken war, der auf die Pacht der ersatz- und neubeschafften Anlagegüter entfiel. Da das FG auch dieser Überlegung nicht nachgegangen ist, läßt sich die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung revisionsrechtlich jedenfalls nicht auf das Fehlen einer von vornherein klar abgeschlossenen Vereinbarung stützen.
3. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats ist eine verdeckte Gewinnausschüttung auch dann anzunehmen, wenn eine an sich klare und von vornherein mit dem beherrschenden Gesellschafter abgeschlossene Vereinbarung tatsächlich nicht durchgeführt wurde (vgl. Urteile vom 20.September 1967 I 67/64, BFHE 90, 212, BStBl II 1968, 49; vom 2.Mai 1974 I R 194/72, BFHE 112, 476, BStBl II 1974, 585; vom 23.Oktober 1985 I R 247/81, BFHE 145, 165, BStBl II 1986, 195). Dieser Grundsatz gilt jedoch nur dann, wenn das Fehlen der tatsächlichen Durchführung --was die Regel sein wird-- darauf schließen läßt, daß die von vornherein abgeschlossene Vereinbarung lediglich die Unentgeltlichkeit der Leistung des Gesellschafters verdecken soll. Die entsprechende Schlußfolgerung läßt sich aus den bisherigen Feststellungen des FG jedoch nicht ableiten. Das FG hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß T der Klägerin die verpachteten Anlagegüter zur Nutzung überlassen hat. Auch wurde von der Klägerin ein Pachtzins durch Verrechnung mit Forderungen der Klägerin gegenüber T gezahlt. Zwar entrichtete die Klägerin keine monatlichen Abschlagszahlungen. Dazu hätte sie jedoch nur dann Veranlassung gehabt, wenn die monatliche Verrechnung der wechselseitigen Forderungen ein Guthaben der T gegenüber der Klägerin ergeben hätte. Die entsprechende Annahme rechtfertigt sich aus der Überlegung, daß Verträge zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter steuerrechtlich dann anerkannt werden sollen, wenn beide sich wie einander fremde Dritte behandeln. Ein fremder Verpächter wird aber Abschlagszahlungen solange nicht anfordern, als er damit rechnen muß, daß sein Vertragspartner die Aufrechnung mit höheren Gegenforderungen erklärt und den zu seinen Gunsten verbleibenden Saldo geltend macht. Das FG hätte deshalb in tatsächlicher Hinsicht feststellen müssen, ob T auch angesichts der Gegenforderungen der Klägerin Veranlassung hatte, die monatlichen Abschlagszahlungen einzufordern. War eine solche Veranlassung zu verneinen, so muß der von vornherein klar und eindeutig abgeschlossene Vertrag unbeschadet der Frage als durchgeführt behandelt werden, ob sich nicht aus den einseitigen Vorleistungen der Klägerin gegenüber T wiederum verdeckte Gewinnausschüttungen ergeben.
4. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Seine Entscheidung kann deshalb keinen Bestand haben. Die Sache ist nicht entscheidungsreif, weil entscheidungserhebliche Feststellungen nicht getroffen sind. Dies nachzuholen ist Sache des FG. Deshalb war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache war an das FG zurückzuverweisen. Damit erhält das FG auch Gelegenheit, im 2.Rechtszug die Schlußfolgerungen zu beachten, die sich aus dem Verfahren vor dem Großen Senat des BFH GrS 2/86 für den Streitfall ergeben könnten.
Fundstellen
Haufe-Index 61878 |
BStBl II 1988, 301 |
BFHE 152, 74 |
BFHE 1988, 74 |
HFR 1988, 349 (LT1-2) |