Leitsatz (amtlich)
Die bei einem Unternehmer aufgrund von § 193 Abs.1 AO 1977 angeordnete Betriebsprüfung kann sich auch auf nichtbetriebliche Sachverhalte erstrecken (Bestätigung von BFH-Urteil vom 5.November 1981 IV R 179/79, BFHE 134, 395, BStBl II 1982, 208).
Normenkette
AO 1977 § 193 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist als Steuerberaterin selbständig tätig. Sie wird zusammen mit ihrem Ehemann zur Einkommensteuer veranlagt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ordnete bei ihr im Jahre 1981 eine Außenprüfung gemäß § 193 Abs.1 der Abgabenordnung (AO 1977) an; die Prüfung sollte sich auf die Umsatzsteuer und Einkommensteuer 1977 bis 1979 erstrecken. Die Klägerin machte hiergegen geltend, daß die Außenprüfung nur hinsichtlich der Umsatzsteuer und ihrer betrieblichen Einkünfte angeordnet werden könne; auf andere Besteuerungsgrundlagen könne eine Außenprüfung nach § 193 Abs.1 AO 1977 nicht erstreckt werden. Ihr Einspruch und ihre Klage blieben jedoch erfolglos.
Mit ihrer vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision rügt die Klägerin unrichtige Anwendung der AO 1977.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet; die Prüfungsanordnung ist nicht zu beanstanden.
1. Die Finanzbehörde bedarf zur Anordnung einer Außenprüfung einer besonderen Ermächtigung; sie ist in § 193 AO 1977 in drei Fällen vorgesehen.
Nach § 193 Abs.1 AO 1977 ist eine Außenprüfung zulässig bei Steuerpflichtigen, die einen gewerblichen oder land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalten oder die freiberuflich tätig sind; das sind die Steuerpflichtigen, die sog. Gewinneinkünfte erzielen. Bei anderen Steuerpflichtigen kommt eine Außenprüfung in Betracht, soweit sie Steuern für Rechnung anderer entrichten, einbehalten oder abführen müssen (§ 193 Abs.2 Nr.1 AO 1977), oder wenn die für die Besteuerung erheblichen Verhältnisse der Aufklärung bedürfen und eine Prüfung an Amtsstelle nach Art und Umfang des zu prüfenden Sachverhalts nicht zweckmäßig ist (§ 193 Abs.2 Nr.2 AO 1977).
Bei der Klägerin ist eine Außenprüfung aufgrund von § 193 Abs.1 AO 1977 angeordnet worden. Es ist streitig, ob sich eine solche Prüfung bei einem Einzelunternehmer auf die betrieblichen Verhältnisse beschränken muß oder ob sie sich auch auf andere Besteuerungsgrundlagen, insbesondere die Höhe von Überschußeinkünften und von Sonderausgaben sowie weitere Besteuerungsmerkmale erstrecken kann. Die überwiegende Meinung spricht sich für eine Begrenzung der Prüfung auf die betrieblichen Verhältnisse aus, während die privaten Verhältnisse nur unter den Voraussetzungen des § 193 Abs.2 Nr.2 AO 1977 überprüfbar sein sollen (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11.Aufl., § 194 AO 1977 Anm.1; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung- Finanzgerichtsordnung, 14.Aufl., § 194 AO 1977 Anm.3; Frotscher in Schwarz, Abgabenordnung, § 194 Anm.15; Giesberts, Die steuerliche Betriebs- und Außenprüfung, 2.Aufl., S.36; App, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1984, 559. Abweichend Schick in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 7.Aufl., § 193 AO 1977 Anm.81, § 194 AO 1977 Anm.129; J.Thiel, Die Information über Steuer und Wirtschaft --Inf-- 1977, 111; Koch, Abgabenordnung, 2.Aufl., § 194 Anm.3). Der Senat hat bisher angenommen, daß sich die Prüfung auf diejenigen Steuerarten erstrecken könne, für die die betrieblichen Verhältnisse Bedeutung hätten. Innerhalb dieser Prüfung könnten auch Besteuerungsmerkmale kontrolliert werden, die mit den betrieblichen Vorgängen nichts zu tun haben (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5.November 1981 IV R 179/79, BFHE 134, 395, BStBl II 1982, 208). Er bleibt bei dieser Auffassung.
2. Nach dem Gesetzestext ermächtigt § 193 AO 1977 die Finanzbehörde unter bestimmten Voraussetzungen zu einer Außenprüfung, deren möglicher Umfang in § 194 AO 1977 beschrieben wird; in welchem Umfang die Finanzbehörde von den ihr dadurch gegebenen Möglichkeiten Gebrauch macht, bestimmt sie in der Prüfungsanordnung (§ 196 AO 1977). Darin liegt eine Ermessenshandlung.
Der die Auffassung des Senats ablehnenden Literaturmeinung ist einzuräumen, daß nach einem allgemeinen Grundsatz der Ermessensausübung durch den § 193 AO 1977 zu entnehmenden Zweck der Prüfungsermächtigung hinsichtlich des Umfangs der Außenprüfung Grenzen gesetzt sind. Es ist auch anzuerkennen, daß bei dieser Ermessensausübung die besondere Belastung des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden muß, die eine Außenprüfung gegenüber einzelnen Ermittlungsmaßnahmen der Finanzbehörde bedeutet; der Senat hat auf diesen Umstand, der sich insbesondere aus den erweiterten Nachforschungsmöglichkeiten im Rahmen einer Außenprüfung ergibt, bereits in seiner Entscheidung in BFHE 134, 395, BStBl II 1982, 208 hingewiesen. Diese Gesichtspunkte verlangen jedoch nicht, die Außenprüfung bei einem Unternehmer gemäß § 193 Abs.1 AO 1977 auf die betrieblichen Verhältnisse zu beschränken und die privaten Verhältnisse nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 193 Abs.2 Nr.2 AO 1977 in die Prüfung einzubeziehen.
Die Prüfungsermächtigung des § 193 Abs.1 AO 1977 erklärt sich daraus, daß die steuererheblichen Verhältnisse eines Unternehmers bei einer Veranlagung an Amtsstelle im allgemeinen nicht hinreichend aufgeklärt werden können, weil es hierbei auf Geschäftsvorfälle ankommt, die sich erst durch ein Eindringen in die Buchführung kontrollieren lassen. Die Bestimmung ist denn auch im Hinblick darauf in das Gesetz aufgenommen worden, daß eine genauere Überprüfung der Steuererklärung eines Unternehmers durchweg nur anhand der vom Steuerpflichtigen geführten Bücher und Aufzeichnungen möglich ist (Regierungsbegründung zur AO 1977, BTDrucks VI/1982 zu § 174). Diese Voraussetzungen sind in der Regel nicht gegeben, soweit es sich um Besteuerungsmerkmale im privaten Bereich, insbesondere um Überschußeinkünfte der §§ 19 bis 22 des Einkommensteuergesetzes (EStG) handelt. Insoweit sind die Steuerpflichtigen nicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen verpflichtet, die ein Prüfungsbedürfnis wie im betrieblichen Bereich begründen könnte. Die Überprüfung der steuerlichen Verhältnisse eines Nichtunternehmers macht nicht solche Schwierigkeiten, wie sie bei Unternehmern anzutreffen sind, die Gewinneinkünfte erzielen.
Gleichwohl gestattet eine Prüfungsanordnung aus § 193 Abs.1 AO 1977 eine Ausweitung der Prüfung auch auf die privaten Verhältnisse des Steuerpflichtigen. Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung in BFHE 134, 395, BStBl II 1982, 208 hervorgehoben hat, erfordert die Ermittlung der steuererheblichen betrieblichen Verhältnisse häufig auch ein Eindringen in den privaten Bereich. So kommt es für die Gewinnermittlung vielfach darauf an, ob und in welchem Umfang bestimmte Vorgänge zum betrieblichen oder privaten Bereich gehören; ebenso muß für Schätzungen und Kontrollrechnungen für Zwecke des betrieblichen Bereichs häufig die Entwicklung der privaten Verhältnisse herangezogen werden. In welchem Umfang solche Ermittlungen erforderlich sein werden, kann bei Anordnung der Außenprüfung nicht vorhergesagt werden, so daß eine gegenständliche Einschränkung der Prüfungsanordnung auf bestimmte Ermittlungen im privaten Bereich nicht in Betracht kommt. Der Finanzbehörde kann darüber hinaus nicht versagt sein, die in einem solchen Zusammenhang getroffenen Feststellungen bei der Ermittlung der nichtbetrieblichen Steuermerkmale auszuwerten und weitergehend auch diese Merkmale im Rahmen der Außenprüfung aufzuklären; es wäre nicht sinnvoll und mit dem Zweck der Prüfungsermächtigung nicht vereinbar, solche Ermittlungsbefugnisse mit dem Resultat zu verneinen, daß die erforderliche Aufklärung nunmehr durch Einzelermittlungen nach den §§ 88 ff. AO 1977 an Amtsstelle oder durch den Betriebsprüfer (vgl. BFH-Urteil vom 5.April 1984 IV R 244/83, BFHE 140, 518, BStBl II 1984, 790) vorgenommen werden müßte. Gegen dieses Ergebnis kann auch nicht eingewendet werden, daß bei der Prüfung einer Mitunternehmerschaft aufgrund von § 193 AO 1977 nur die Überprüfung der betrieblichen Verhältnisse der Mitunternehmer angeordnet werden kann und die Erstreckung auf ihre nichtbetrieblichen Verhältnisse gemäß § 194 Abs.2 AO 1977 ein besonderes Prüfungsbedürfnis entsprechend § 193 Abs.2 AO 1977 voraussetzt (vgl. App, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1984, 559). Diese Regelung hat ihre Ursache ersichtlich darin, daß das für die Mitunternehmerschaft zuständige Betriebs- FA häufig nicht gleichzeitig Wohnsitz-FA der Gesellschafter ist und Ermittlungen in ihrem privaten Bereich nicht oder nur eingeschränkt vornehmen kann.
Auch im Rahmen dieser erweiterten Prüfungsmöglichkeit muß der Prüfer seine Ermittlungen allerdings gemäß §§ 199 Abs.1, 200 Abs.1 Satz 1 AO 1977 auf solche Sachverhalte beschränken, die für die Besteuerung erheblich sein können. Der BFH hat hierzu in der den Rechtszustand vor Inkrafttreten der AO 1977 betreffenden Entscheidung vom 13.Februar 1968 GrS 5/67, BFHE 91, 351, BStBl II 1968, 365, Ausführungen gemacht. Im einzelnen braucht hierauf nicht eingegangen zu werden, weil die Rechtmäßigkeit einzelner Prüfungsmaßnahmen zwischen den Beteiligten nicht streitig ist.
Fundstellen
BStBl II 1986, 437 |
BFHE 145, 311 |
BFHE 1986, 311 |
BB 1986, 587-587 (ST) |
DB 1986, 628-628 (ST) |
DStR 1986, 235-235 (S) |
HFR 1986, 169-169 (ST) |
FR 1986, 163-163 (S) |
Information StW 1986, 235-235 (ST) |
NJW 1986, 1193 |
NJW 1986, 1193-1194 (ST) |
BRAK-Mitt 1986, 158-158 (S) |
StBp 1986, 69-70 (ST) |