Entscheidungsstichwort (Thema)
Lagerung von unversteuertem Mineralöl als vorgesehene Zweckbestimmung
Leitsatz (amtlich)
Die Lagerung von unversteuertem Mineralöl nach § 9 MinöStG ist eine vorgesehene Zweckbestimmung i.S. des § 50 Abs.3 Nr.1 AO 1977.
Orientierungssatz
1. Der in § 50 AO 1977 enthaltene Begriff der vorgesehenen Zweckbestimmung ist --einheitlich-- dahin auszulegen, daß er jede steuerbegünstigte Verwendung umfaßt, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob diese Verwendung zum Erlöschen der Steuer führen kann.
2. Bei der Anmeldung von Mineralöl zur Verbringung in ein Steuerlager ist für das Entstehen der bedingten Mineralölsteuerschuld die in der Anmeldung enthaltene Mineralölmenge maßgebend, wenn von einer Zollbeschau der Ware abgesehen wird (sinngemäße Anwendung des § 17 Abs. 2 ZG). Diese Vermutung der Menge bindet den BFH als Revisionsgericht. Die Bindung entfiele nur, wenn das FG feststellte, die Vermutung sei widerlegt (vgl. BFH-Urteil vom 9.12.1986 VII R 170/82).
3. Kann bei Anmeldung von Mineralöl zur Verbringung in ein Steuerlager der Verbleib einer Teilmenge nicht festgestellt werden, gilt diese Menge als nicht der vorgesehenen Zweckbestimmung i.S. des § 50 Abs. 3 Nr. 1 AO 1977 zugeführt. Diese Vorschrift ist auch für das Unbedingtwerden bedingter Mineralölsteuern anwendbar.
4. NV: Das örtlich zuständige FG ist auch zur Entscheidung befugt über die örtliche Zuständigkeit der Behörde zum Erlaß des angefochtenen Steuerbescheids sowie über die Voraussetzungen und Folgen einer Verletzung der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit der Behörde, also auch über die Anwendung des § 127 AO 1977.
5. NV: Bei Versteuerung einer Fehlmenge an unversteuertem Mineralöl, das auf ein Steuerlager zu verbringen war, ist das HZA örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Feststellung der Fehlmenge getroffen worden ist.
6. NV: Die örtliche Unzuständigkeit des HZA für den Erlaß des Steuerbescheids führt noch nicht zu dessen Aufhebung. Hinzu kommen muß vielmehr, daß eine andere Sachentscheidung zumindest möglich erscheint. Dazu reicht es zwar aus, daß die Steuerfestsetzung von einer Ermessenausübung oder von der Ausfüllung eines Beurteilungsspielraums abhängig ist. Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht für die Bemessung der Fehlmenge an unversteuertem Mineralöl, das auf ein Steuerlager zu verbringen war, vor. Sie ist im gerichtlichen Verfahren voll nachprüfbar (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
AO 1977 § 50 Abs. 3 Nr. 1; MinöStG § 9; ZG § 17 Abs. 2; FGO § 118 Abs. 2; MinöStG § 7; AO 1977 §§ 127, 23 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) beantragte am 28.November 1982 --mit dem Vordruck für einen Mineralölversandschein-- beim Zollamt E, 2 077 604 l aus den Niederlanden eingeführtes Mineralöl (Normalbenzin bei 12 Grad Celsius) im Anschluß an die Abfertigung zum freien Verkehr an ihr Steuerlager in K abzufertigen. Das Zollamt entsprach dem Antrag ohne Zollbeschau und ohne Nämlichkeitssicherung. Das Schiff, mit dem die Ware befördert worden war, wurde beim Steuerlager der Klägerin in B ohne zollamtliche Mitwirkung gelöscht. Die für die Besteuerung erheblichen Daten wurden von einem zur Steuerhilfsperson bestellten Angestellten der Klägerin ermittelt. Nach dem von diesem erstellten Löschbericht ergab eine Schiffsvermessung vor dem Löschen der Ladung eine Benzinmenge von 2 063 642 l (bei 8 Grad Celsius). Nach dem Ergebnis der Vermessung der Lagertanks im Steuerlager der Klägerin wurden insgesamt 2 020 743 l (bei 12 Grad Celsius) in das Steuerlager aufgenommen. Gegenüber der zur Eingangsabfertigung angemeldeten Menge ergab sich demnach eine Fehlmenge von 56 861 l (bei 12 Grad Celsius).
Unter Berücksichtigung einer Nacheichung der für den Streitfall bedeutsamen Lagertanks im Steuerlager der Klägerin forderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) von der Klägerin für eine Fehlmenge von 43 882 l Leichtöl (Normalbenzin) nach einem Steuersatz von 51 DM/hl Mineralölsteuer in Höhe von 22 349,20 DM. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führte in den Gründen seiner Entscheidung, gegen das es die Revision zugelassen hat, folgendes aus:
Im Streitfall sei für die zur Einfuhrabfertigung angemeldete Menge von 2 077 604 l Leichtöl (Normalbenzin) nach § 36 Abs.1 Satz 1 Nr.2 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes (MinöStDV) eine bedingte Steuer entstanden. Auszugehen sei von der Menge und der Beschaffenheit des zum Versand abgefertigten Mineralöls. Insoweit sei nach § 33 Abs.1 Satz 2 i.V.m. § 14 Abs.2 Satz 3 MinöStDV die Vermutung nach § 17 Abs.2 des Zollgesetzes (ZG) maßgebend. Da das Zollamt E von einer Beschau abgesehen, also Menge und Beschaffenheit der Ware laut Anmeldung angenommen habe, sei aufgrund der gesetzlichen Vermutung von der Entstehung einer bedingten Steuer für die vorgenannte Menge auszugehen.
Diese Vermutung habe die Klägerin nicht widerlegt. Sie habe keinen konkreten Anhaltspunkt dafür vorgebracht, daß die Mengenermittlung, die sie der Zollanmeldung zugrunde gelegt habe, unrichtig sei. Der Auffassung der Klägerin, das HZA müsse dartun und beweisen, daß das nicht ins Steuerlager gelangte Mineralöl zweckwidrig verwendet worden sei, könne nicht gefolgt werden. Der Nachweis einer zweckwidrigen Verwendung sei für die Inanspruchnahme der Klägerin nicht erforderlich. Es genüge die Feststellung, daß die streitbefangene Menge im Namen der Klägerin zum Versand abgefertigt worden sei und daß die Klägerin diese Menge nicht ins Steuerlager aufgenommen habe. Im Streitfall stehe nicht fest, ob die streitbefangene Fehlmenge während des Transports nach der Einfuhr zum Steuerlager oder erst am Ort des Steuerlagers bis zur Aufnahme in dieses Lager entstanden sei.
Die Klägerin habe auch nicht dargetan, daß die Meßergebnisse --über die Einlagerung-- die eichrechtlichen Verkehrsfehlergrenzen überschritten. Nach den maßgebenden Eichscheinen über die Nacheichung der betroffenen Lagertanks sei die Unsicherheit der Volumenermittlung kleiner als +/- 0,5 v.H. Die Lagertanks seien mit einer Unsicherheit von weniger als +/- 0,5 v.H. ausweislich der Eichscheine geeichte Geräte im Sinne des Eichgesetzes, für die eine Korrektur nach der Dienstanweisung V 0307 Abs.11 in der Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung (VSF) in der für 1982 gültigen Fassung nicht zu machen sei.
Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Revision vor:
++/ Das HZA sei nicht für den Erlaß des Steuerbescheids örtlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit ergebe sich unmittelbar aus § 23 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977). Der Tatbestand, an den das Gesetz die Steuerpflicht knüpfe, sei im Streitfall der unbekannte Verbleib der Transportfehlmenge und die sich daraus ergebende Fiktion des Gesetzes für das Unbedingtwerden der bedingten Steuer. Aus der Notwendigkeit der Prüfung, ob für die zum Versand abgefertigte Menge § 17 ZG anzuwenden sei, ob also die Vermutung greife oder als widerlegt gelten könne, ergebe sich, daß allein die Versandzollstelle, hilfsweise die Betriebszollstelle, aber niemals die Empfangszollstelle örtlich zuständig sein könne.
§ 127 AO 1977 könne bei gegebener Verletzung der örtlichen Zuständigkeit nicht daran hindern, die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen ohne Entscheidung in der Sache aufzuheben. Mit Rücksicht darauf werde die nicht ordnungsgemäße Besetzung des FG gerügt. Gesetzlicher Richter sei der zuständige Richter. Bei Tätigwerden der örtlich zuständigen Behörde wäre das FG nicht zuständig gewesen. /++
§ 36 Abs.1 Satz 3 MinöStDV sei im Streitfall nicht anwendbar. Das gelte auch für § 50 Abs.3 Nr.1 Satz 2 AO 1977, und zwar schon deshalb, weil in § 15 Abs.2 Nr.7 d des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG) ausdrücklich für das Mineralölsteuerrecht eine eigenständige Steuerregelung bei ungeklärtem Verbrauch mineralölsteuerpflichtiger Waren vorgesehen sei. Diese Vorschrift gehe, auch wenn sie nur eine Ermächtigung für eine Verordnung enthalte, als spezielleres Gesetz vor. Da von der Ermächtigung kein Gebrauch gemacht worden sei, könne eine Zollbehörde sich auch im Steuerprozeß nicht auf die darin vorgesehene Umkehr der Beweislast berufen. Im übrigen gelte die Ermächtigung auch nicht für die Lagerung.
Das HZA habe zur Begründung seiner Steuerforderung einen steuerschuldbegründenden gesetzlichen Tatbestand nachzuweisen. Außer der Tatsache der unaufklärbaren Mengendifferenz spreche im Streitfall nichts für steuerschuldbegründende Umstände. Es gebe aber einige Indizien gegen Fehlmengenursachen. Die für den Streitfall maßgebende Dienstanweisung verlange vor allem in Fällen einer über die Toleranzgrenzen von 0,7 bzw. 1 v.H. hinausgehenden Mengendifferenz als Voraussetzung einer praxisnahen steuerunschädlichen Beurteilung u.a. die glaubhafte Darlegung, daß die erhöhten Fehlmengen bereits im Ausland entstanden seien. Ein solches Indiz sei die von der Klägerin --in der Vorinstanz-- vorgetragene und vom FG bestätigte Tatsache, daß sich zwischen der am Empfangsort des Steuerlagers und am Ladeort in den Niederlanden ermittelten Dichte erhebliche, nach physikalischen Gesetzen eigentlich unmögliche Differenzen ergäben.
Das FG habe es rechtsfehlerhaft unterlassen, die aufgrund der Eichtoleranzen möglichen Mengendifferenzen in die Beurteilung einzubeziehen, ob und ggf. warum die auf den ersten Blick recht großzügigen zollamtlichen Toleranzen für Transportmengendifferenzen laut der Dienstanweisung V 0330 Abs.8 (in der VSF) der Klägerin anzurechnen seien.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG und die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen aufzuheben, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Das HZA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat im Ergebnis rechtsfehlerfrei entschieden, daß der angefochtene Steuerbescheid nicht rechtswidrig ist.
1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß für das streitbefangene Mineralöl mit einer Menge von 2 077 604 l bei der Anmeldung mit Mineralölversandschein zur Verbringung in ein Steuerlager in der Person der Klägerin eine bedingte Mineralölsteuerschuld entstanden ist.
Für die Menge ist der Zeitpunkt der Anmeldung maßgebend. Danach ist die Mineralölsteuer entsprechend der --unter Verwendung des Vordrucks für den Mineralölversandschein abgegebenen-- Zollanmeldung der Klägerin für die Mineralölmenge von 2 077 604 l entstanden. Das folgt aus der sinngemäßen Anwendung des § 17 Abs.2 ZG (§ 7 MinöStG). Nach dieser Vorschrift wird vermutet, daß die Menge der als Zollgut angemeldeten Ware (§ 12 ZG) der Anmeldung entspricht, wenn von einer Zollbeschau der Ware abgesehen wird. Diese Voraussetzung ist nach den Feststellungen des FG im Streitfall erfüllt. Die Vermutung nach § 17 Abs.2 ZG geht dahin, daß die Anmeldung richtig ist (vgl. Müller in Bail/Schädel/Hutter, Kommentar zum Zollrecht, Stand 6/89, B 16-17 Anm.8).
Diese Vermutung der Menge, für die die Mineralölsteuer entstanden ist, bindet den Senat als Revisionsgericht. Die Bindung wäre nur entfallen, wenn das FG festgestellt hätte, die Vermutung sei widerlegt (vgl. Urteil des Senats vom 9.Dezember 1986 VII R 170/82, BFHE 148, 388, 394). Eine solche Feststellung hat das FG jedoch nicht getroffen.
2. Die bedingte Mineralölsteuer ist für die Teilmenge von 43 882 l des eingeführten Mineralöls nach § 50 Abs.3 Nr.1 AO 1977 unbedingt geworden. Da der Verbleib dieser Menge nach den Darlegungen des FG nicht festgestellt werden kann, gilt sie als nicht der vorgesehenen Zweckbestimmung im Sinne des § 50 Abs.3 Nr.1 AO 1977 zugeführt.
a) Diese Vorschrift ist auch für das Unbedingtwerden bedingter Mineralölsteuern anwendbar.
Die Anwendbarkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß das MinöStG (§ 15 Abs.2 Nr.7 d) eine Ermächtigung zur Anordnung des Unbedingtwerdens bedingter Steuern für Fälle enthält, in denen der Verbleib des Mineralöls nicht festgestellt werden kann, und daß von dieser Ermächtigung kein Gebrauch gemacht worden ist. § 50 Abs.3 Nr.1 AO 1977 wäre allenfalls dann nicht anwendbar, wenn von der vorgenannten Ermächtigung Gebrauch gemacht und dadurch eine Spezialvorschrift über das Unbedingtwerden bedingter Mineralölsteuern für Fälle geschaffen worden wäre, in denen der Verbleib des Mineralöls nicht festgestellt werden kann (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13.Aufl., § 50 AO 1977 Tz.10).
b) Die Lagerung ist eine vorgesehene Zweckbestimmung im Sinne des § 50 Abs.3 Nr.1 AO 1977.
aa) Diese Vorschrift enthält eine Rechtsfolgeregelung (vgl. Koch/Teichner, Abgabenordnung, 3.Aufl., § 50 Rz.9) für die Fälle, in denen verbrauchsteuerpflichtige Waren der vorgesehenen Zweckbestimmung nicht zugeführt worden sind oder ihr nicht mehr zugeführt werden können, wobei die gesetzliche Vermutung gilt, daß Waren, deren Verbleib nicht festgestellt werden kann, als nicht der vorgesehenen Zweckbestimmung zugeführt gelten.
Mit dieser Voraussetzung für das Unbedingtwerden der bedingten Steuer als die in § 50 Abs.3 Nr.1 AO 1977 bestimmte Rechtsfolge knüpft diese Vorschrift an die speziellen Vorschriften des Verbrauchsteuerrechts an, in denen die Zweckbestimmungen "vorgesehen" sind. Das ergibt sich schon aus § 50 Abs.1 AO 1977. In dieser Vorschrift ist näher bestimmt, auf welche Zweckbestimmungen es ankommt. Das sind nach dieser Regelung die besonderen Zweckbestimmungen, der verbrauchsteuerpflichtige Waren zugeführt werden müssen, um die Bedingung zu erfüllen, von der nach den Verbrauchsteuergesetzen die Gewährung einer Steuervergünstigung abhängig ist. Vorgesehene Zweckbestimmung i.S. des § 50 AO 1977 kann danach grundsätzlich jede Zweckbestimmung sein, der nach Verbrauchsteuervorschriften eine verbrauchsteuerpflichtige Ware zugeführt werden muß, um die ebenfalls in den Verbrauchsteuervorschriften enthaltene Steuervergünstigung zu erlangen.
Eine Zweckbestimmung in diesem Sinne ist auch die Lagerung von Mineralöl. Für sie ist in § 9 MinöStG als Steuervergünstigung die Freistellung von der Mineralölsteuer vorgesehen. Sie wird demgemäß im Gesetz (vgl. § 15 Abs.2 Nr.7 Buchst.c MinöStG) auch ausdrücklich als den steuerbegünstigten Zweckbestimmungen zugehörig angeführt.
bb) An der Zugehörigkeit der Lagerung von Mineralöl zur vorgesehenen Zweckbestimmung i.S. des § 50 Abs.3 Nr.1 AO 1977 fehlt es nicht deshalb, weil eine Zuführung von Mineralöl zu dieser Zweckbestimmung nicht zum Wegfall oder zum Erlöschen der Steuer für das Mineralöl führen kann (vgl. § 15 Abs.2 Nr.7 Buchst.c MinöStG).
Allerdings wird die Auffassung vertreten, der Begriff der Zweckbestimmung in § 50 AO 1977 sei dahin auszulegen, daß er nur Verwendungen umfasse, die nach dem Gesetz zum Erlöschen der --bedingten-- Steuer führen sollten (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 50 AO 1977 Tz.6; Peters, Das Verbrauchsteuerrecht, Tz.309, mit weiteren Hinweisen). Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden. Sie beruht darauf, daß in Absatz 1 des § 50 AO 1977 als Rechtsfolge der Zuführung verbrauchsteuerpflichtiger Waren zur vorgesehenen Zweckbestimmung das Erlöschen der Steuer bestimmt ist. Außerdem wird geltend gemacht, daß der in den verschiedenen Vorschriften des § 50 AO 1977 mehrfach verwandte Begriff der Zweckbestimmung keine unterschiedliche Bedeutung haben könne.
Es wird zwar einzuräumen sein, daß bei der Fassung des § 50 AO 1977 nur Verwendungszwecke bedacht worden sind, denen verbrauchsteuerpflichtige Waren mit der Folge des Erlöschens der bedingten Steuer zugeführt werden können. Das rechtfertigt aber nicht die Schlußfolgerung, der Begriff der Zweckbestimmung in § 50 AO 1977 müsse in diesem Sinne verstanden werden. Wenn § 50 Abs.1 AO 1977 wegen der darin bestimmten Rechtsfolge des Erlöschens der Steuer nur für steuerbegünstigte Verwendungen Bedeutung erlangen kann, die zum Erlöschen der Steuer führen können, zwingt das nicht zu der Folgerung, der Begriff der Zweckbestimmung in dieser Vorschrift müsse entsprechend eingeschränkt ausgelegt werden. Eine derartige Beschränkung läßt sich ungeachtet der Bedeutung des Begriffs der Zweckbestimmung in § 50 Abs.1 AO 1977 auch daraus entnehmen, daß die Steuer nach dieser Vorschrift nur "nach Maßgabe der Steuervergünstigung" erlischt, die nach den Verbrauchsteuergesetzen gewährt wird. Mag auch der nachfolgende Wortlaut des § 50 Abs.1 AO 1977, nach der die Steuer "ganz oder teilweise" erlischt, dafür sprechen, daß die Vorschrift nur auf Verwendungen ausgerichtet ist, die zumindest zu einem teilweisen Erlöschen der Steuer führen können, so kann nach dem Grundsatz a maiore ad minus den Worten "nach Maßgabe der Vergünstigung" gleichwohl entnommen werden, daß ein Erlöschen der Steuer dann nicht in Betracht kommt, wenn die Verbrauchsteuergesetze dem entgegenstehen. Einer einschränkenden Auslegung des Begriffs der Zweckbestimmung bedarf es dazu nicht.
Absatz 3 Nr.1 des § 50 AO 1977 gibt zu einer einschränkenden Auslegung des Begriffs der Zweckbestimmung ebenfalls keinen Anlaß. Dem Zweck dieser Vorschrift entspricht es vielmehr, diesem Begriff eine Bedeutung beizumessen, nach der es auf das Erlöschen der Steuer nicht ankommt. Denn durch das Unbedingtwerden der Steuer nach dieser Vorschrift soll erreicht werden, daß die Gewährung der Steuervergünstigung unterbunden wird, wenn die Verwendung einer verbrauchsteuerpflichtigen Ware nicht der Begünstigung entspricht oder der begünstigte Zweck durch eine Verwendung der Ware nicht mehr erreicht werden kann. Dieser Normzweck rechtfertigt auch dann ein Unbedingtwerden der Steuer, wenn die begünstigte Verwendung zwar nicht zum Erlöschen der Steuer führen soll, die Voraussetzungen des § 50 Abs.3 Nr.1 AO 1977, daß die Verwendung einer verbrauchsteuerpflichtigen Ware nicht der Begünstigung nach den verbrauchsteuerpflichtigen Vorschriften entspricht oder der nach diesen Vorschriften begünstigte Zweck durch eine Verwendung der Ware nicht mehr erreicht werden kann, aber erfüllt sind.
Der Wortlaut des § 50 AO 1977 gestattet es also, den Begriff der vorgesehenen Zweckbestimmung --einheitlich-- dahin auszulegen, daß er jede steuerbegünstigte Verwendung umfaßt, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob diese Verwendung zum Erlöschen der Steuer führen kann. Der aufgezeigte Zweck der Regelung in § 50 Abs.3 Nr.1 AO 1977 gebietet es sogar, den genannten Begriff so auszulegen. Daraus folgt, daß auch die Lagerung von Mineralöl als steuerbegünstigte Verwendung von dem Begriff der vorgesehenen Zweckbestimmung in § 50 Abs.3 Nr.1 AO 1977 umfaßt wird.
c) Nach den Feststellungen des FG kann der Verbleib der streitbefangenen Menge des Mineralöls nicht festgestellt werden und hat die Klägerin nicht nachgewiesen, daß das Mineralöl der Lagerung zugeführt worden ist.
Bei dieser Sachlage ist es ohne Bedeutung, ob das HZA aufgrund von Dienstanweisungen befugt gewesen wäre, entsprechend den Darlegungen der Klägerin bis zu einer Fehlmenge von höchstens 1 v.H. von einer Versteuerung nach § 50 Abs.3 Nr.1 AO 1977 abzusehen. Denn die streitbefangene Fehlmenge geht über diese Höchstgrenze hinaus. Der Senat vermag den von der Klägerin benannten Dienstanweisungen nicht zu entnehmen, daß das HZA bei deren Anwendung zumindest von einer Besteuerung im Rahmen der in den Dienstanweisungen genannten Grenzen hätte absehen müssen, so daß der Senat nicht zu entscheiden braucht, ob eine solche Dienstanweisung bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids überhaupt zu berücksichtigen gewesen wäre.
++/ 3. Das HZA war nach § 23 Abs. 1 AO 1977 für den Erlaß des Steuerbescheids örtlich zuständig; denn der Tatbestand, an den das Gesetz die Steuer knüpft, ist im Bezirk des HZA verwirklicht worden. Als Tatbestand in diesem Sinne ist die Feststellung der Fehlmenge anzusehen, deren Verbleib nicht geklärt werden konnte. Diese Feststellung ist im Bezirk des HZA getroffen worden.
Ob nach § 23 Abs. 2 AO 1977 auch ein anderes HZA für den Erlaß des Steuerbescheids örtlich zuständig gewesen wäre, braucht nicht entschieden zu werden, da die örtliche Zuständigkeit des im Streitfall beteiligten HZA dann nach § 25 AO 1977 gegeben ist.
Im übrigen führt nach § 127 AO 1977 die örtliche Unzuständigkeit des HZA für den Erlaß des angefochtenen Steuerbescheids noch nicht zu dessen Aufhebung, so daß es auch nicht darauf ankommt, ob § 87 der Allgemeinen Zollordnung (AZO) anwendbar ist, obwohl das Mineralöl sich im zollrechtlich freien Verkehr befunden hat. Hinzu kommen muß vielmehr, daß eine andere Sachentscheidung zumindest möglich erscheint (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. Juli 1980 I R 74/77, BFHE 131, 180, BStBl II 1980, 684). Dazu reicht es zwar aus, daß die Steuerfestsetzung von einer Ermessensausübung oder von der Ausfüllung eines Beurteilungsspielraums abhängig ist (vgl. BFH-Urteil vom 22. September 1983 IV R 109/83, BFHE 140, 132, BStBl II 1984, 342). Auch diese Voraussetzungen liegen im Streitfall jedoch nicht vor. Das gilt auch für die Bemessung der Fehlmenge. Sie ist im gerichtlichen Verfahren --wie eine Schätzung bei einer Einkommensteuerveranlagung (vgl. BFH-Urteil vom 19. Februar 1987 IV R 143/84, BFHE 149, 121, BStBl II 1987, 412)-- voll nachprüfbar.
Für die Anwendung des § 127 AO 1977 kommt es nicht darauf an, ob ein anderes FG zuständig gewesen wäre, wenn der Steuerbescheid von einem anderen HZA erlassen worden wäre. Die örtliche Zuständigkeit des FG richtet sich nach dem Sitz der Behörde, gegen den die Klage tatsächlich gerichtet ist (§ 38 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Dieses FG ist auch zur Entscheidung befugt über die örtliche Zuständigkeit des HZA zum Erlaß des angefochtenen Steuerbescheids sowie über die Voraussetzungen und Folgen einer Verletzung der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit des HZA, also auch über die Anwendung des § 127 AO 1977. /++
Fundstellen
Haufe-Index 62647 |
BFH/NV 1990, 25 |
BFHE 159, 378 |
BFHE 1990, 378 |
BB 1990, 1262 |
BB 1990, 1262-1263 (LT) |
HFR 1990, 441 (LT) |
StE 1990, 132 (K) |