Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Kann ein Steuerpflichtiger als Folge einer Teilzerstörung seines Gebäudes im Kriege oder eines gleichartigen Katastrophenfalles eine Wertabschreibung oder eine außerordentliche Absetzung für Abnutzung in Anspruch nehmen, so stellen die in einem späteren Wirtschaftsjahr aufgewendeten Kosten zur Beseitigung des Schadens keinen Erhaltungs-, sondern Herstellungsaufwand dar.
Normenkette
EStG §§ 4, 6
Tatbestand
In einem landwirtschaftlichen Großbetrieb (200 ha) brannte durch den Krieg im Jahre 1944 unter anderem das Dach eines Pferdestalles bis auf die massiv gebaute Stahlbetondecke ab. Durch ein für die Beseitigung von Kriegsschäden zuständiges sogenanntes "Rüstungskontor" wurde kurz nach dem Schadensfall im Auftrag des Landkreises zur Vermeidung weiterer Zerstörung des Gebäudes durch Witterungseinflüsse ein provisorisches, flaches Pappdach auf das Gebäude gelegt. Dieses Pappdach wurde auf einen 2,30 m hohen Drempel (Maueraufbau) aufgesetzt, um zugleich einen für den Betrieb erforderlichen Banseraum zu schaffen. Im Wirtschaftsjahr 1952/1953 machte das nunmehr in Liquidation befindliche Rüstungskontor Eigentumsansprüche an dem Dach geltend. Das Dach wurde demzufolge wieder entfernt und der Verfügungsmacht der Erbengemeinschaft entzogen. Dadurch wurde der massive Wiederaufbau des Stallgebäudes notwendig. Die Steuerpflichtige ließ daher einen neuen Dachstuhl mit hohem Satteldach errichten. Dieser Dachstuhl entsprach etwa der Größe des Daches vor der Zerstörung. Da das Dach aber auf den im Jahre 1944 anläßlich der Notbedachung errichteten Drempel aufgesetzt wurde, wurde ein über den ursprünglichen Zustand des Gebäudes hinaus vergrößerter Dach- und Banseraum geschaffen. Die Baukosten in Höhe von 28 000 DM setzte die Steuerpflichtige als Erhaltungsaufwand ab.
Das Finanzamt hat die 28 000 DM als Herstellungsaufwand angesehen und den Betrag daher in der Bilanz zum 30. Juni 1953 aktiviert. Die Steuerpflichtige vertrat die Auffassung, die 28 000 DM seien Erhaltungsaufwand. Einspruch und Berufung der Steuerpflichtigen blieben ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Es ist in übereinstimmung mit der Vorentscheidung und dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 163/57 U vom 3. Februar 1959 (BStBl 1959 III S. 320, Slg. Bd. 69 S. 151) davon auszugehen, daß die Abgrenzung zwischen Erhaltungs- und Herstellungsaufwand bei der Beseitigung von Kriegsschäden nach den allgemeinen Grundsätzen vorzunehmen ist. Danach sind Erhaltungsaufwand alle Aufwendungen, die im Rahmen des ganzen Betriebes als laufende Ausgaben erscheinen (vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 8/53 U vom 9. Juli 1953, BStBl 1953 III S. 245, Slg. Bd. 57 S. 639) und dazu dienen, das Grundstück im ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten. Nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (siehe Entscheidung VI 305/43 vom 19. April 1944, RStBl 1944 S. 626) muß es sich bei den laufenden Aufwendungen (Erhaltungsaufwand) um regelmäßig in gewissen Zeitabständen notwendige Ausbesserungen handeln, durch die die Wesensart eines Gebäudes nicht verändert wird. Den laufenden Nutzungen stehen die laufenden Aufwendungen gegenüber. Nach dieser Auffassung gehören erhebliche Aufwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden, die ungewöhnlicher Natur sind, nicht zum Erhaltungsaufwand (siehe im einzelnen Zitzlaff, Steuer und Wirtschaft 1951 Sp. 209 ff.). Ihnen ist durch Wertabschreibung oder außerordentliche Absetzung für Abnutzung (AfA) Rechnung zu tragen. Herstellungsaufwand liegt in der Regel vor, wenn das Gebäude in seinem Zustand wesentlich geändert wird.
Es ist von dem Zustand des Gebäudes als Folge der Kriegszerstörung auszugehen und die Veränderung dieses Zustandes durch die jetzt vorgenommenen Baumaßnahmen zu prüfen. Die provisorische Abdeckung mit dem Pappdach kann nicht als Wiederherstellung angesehen werden, zumal dieses Dach nicht den Eigentümern gehörte. Nach den unwidersprochenen Feststellungen in der Einspruchsentscheidung hat die Bfin. in der Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1949 hinsichtlich der Gebäudewerte auf die herabgesetzten Teilwerte zurückgegriffen, die die Zerstörung berücksichtigen. Schon diese Tatsache läßt es folgerichtig erscheinen, die Kosten zur Beseitigung des Kriegsschadens zu aktivieren.
Die Grenzen zwischen Erhaltungs- und Herstellungsaufwand sind nicht immer leicht zu finden. Ist aber durch einen Schaden im oben dargestellten Sinne ein Eingriff in die Substanz des Betriebsvermögens erfolgt, der eine Wertabschreibung oder außerordentliche AfA rechtfertigt, so werden die Kosten für die Wiederherstellung einen Herstellungsaufwand darstellen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Wirtschaftsgut durch den Schaden für den Betrieb unbrauchbar geworden ist. Aber auch wenn die Gebrauchsfähigkeit mit Einschränkungen erhalten geblieben ist, kann eine Substanzverringerung angenommen werden, die bei der Wiederherstellung zu Herstellungskosten führt. Wenn das Dach eines Gebäudes als Folge des natürlichen Verschleißes im Rahmen der normalen Nutzung wesentliche Aufwendungen notwendig macht, liegt grundsätzlich Erhaltungsaufwand vor. Im vorliegenden Fall, wo es sich um Teilzerstörung durch Kriegsschäden handelt, die eine Wertabschreibung rechtfertigten, muß Herstellungsaufwand angenommen werden. Bei der Frage, ob Herstellungs- oder Erhaltungsaufwand vorliegt, kann die buchmäßige Behandlung durch den Steuerpflichtigen nicht unberücksichtigt bleiben. Hat der Steuerpflichtige eine Teilwertabschreibung vorgenommen, so hat er hiermit anerkannt, daß sich die Substanz seines Betriebsvermögens vermindert hat. In einem solchen Falle erscheint es gerechtfertigt, bei der Ausbesserung des Schadens die aufgewendeten Kosten als Herstellungsaufwand zu behandeln.
Für die Beurteilung ist es nicht entscheidend, daß sich wegen der seinerzeit geltenden Bestimmungen (siehe Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 9. Oktober 1941 S 2130 - 377 III, RStBl 1941 S. 777, 779, und Art. VIII c des Kontrollratgesetzes Nr. 12) vor der Währungsumstellung im Jahre des Schadens und später bilanzmäßig keine Gewinnminderung ergeben hat.
Zutreffend ist auch die Feststellung der Vorinstanz, daß durch den Aufsatz des Drempels mehr erstellt worden ist, als zuvor vorhanden war. Wenn auch das Vorbringen, daß das jetzige Satteldach dem vor der Zerstörung bestehenden entspricht, richtig ist, so kann doch nicht darüber hinweggesehen werden, daß nunmehr durch den Aufbau des Drempels mehr Raum über der Stalldecke vorhanden ist, als zuvor war. Das Vorbringen der Bfin., die Substanz sei nicht vermehrt worden, widerspricht darum dem Inhalt der Akten. Wenn damit auch die Wesensart des Gebäudes als Pferdestall nicht verändert worden ist, so kann doch bei der Substanzvermehrung nicht mehr von Erhaltungsaufwand gesprochen werden.
Auch die Ablehnung des Hilfsantrages, eine Abschreibung nach § 7e EStG zuzulassen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Fundstellen
Haufe-Index 410744 |
BStBl III 1963, 185 |
BFHE 1963, 505 |
BFHE 76, 505 |
BB 1963, 459 |
DB 1963, 435 |
DStR 1962/63, 318 |