Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Verfahrensrecht, Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Hat der Erblasser durch letztwillige Verfügung angeordnet, daß bestimmte zum Nachlaß gehörige Wertpapiere oder, falls ein mit einem Erwerbsrecht bedachter Dritter diese erwirbt, deren Erlöse an einzelne Erben oder Vermächtnisnehmer fallen sollen, so besteht im Falle der Ausübung des Erwerbsrechts der Erbschaftserwerb der Erben oder Vermächtnisnehmer in dem Erlös der Wertpapiere.
Hat das Finanzamt bei der Veranlagung der Erbschaftsteuer einen Billigkeitserlaß gemäß § 131 AO gewährt, so ist das Finanzgericht, wenn es vom Steuerpflichtigen nur zur Nachprüfung der Erbschaftsteuerveranlagung angerufen wird, an den vom Finanzamt ausgesprochenen Billigkeitserlaß gebunden.
Normenkette
ErbStG § 2 Abs. 1 Ziff. 1; AO §§ 131, 232, 231
Tatbestand
In dem Testament ihrer am 9. August 1952 in den Vereinigten Staaten verstorbenen Tante X sind neben mehreren anderen Personen auch die beiden Beschwerdeführer (Bf.) letztwillig bedacht worden. Das Testament enthielt unter anderem eine Anweisung für den Testamentsvollstrecker, bestimmte Wertpapiere, sogenannte Mortgage Bonds, einem gewissen A zur Kauf anzubieten, dem eine Frist von fünf Jahren für die Zahlung des Kaufpreises eingeräumt wurde. Im Anschluß an diese Bestimmung enthält das Testament folgende Anordnung:
"Ich gebe und vermache besagte Bonds oder Schuldscheine, oder deren Erlös, falls A sie kauft, wie folgt: die Hälfte meiner Schwester, B, ein Sechstel meiner Nichte, Z, ein Sechstel meiner Nichte, C und ein Sechstel meinem Neffen, Y. Im Falle des Todes irgend eines der genannten B, Z, C und Y gebe und vermache ich dessen oder deren Anteil an den besagten Vermögenswerten dessen oder deren gesetzlichen Erben per stirpes, oder wenn einer der genannten Erben ohne lebende Nachkommen zu hinterlassen, ablebt, so gebe und vermache ich dessen oder deren Anteil gleichteilig den überlebenden Erben und den Nachkommen vorverstorbener Erben, wobei jene den Anteil der Eltern per stirpes übernehmen."
Nach der käuflichen übernahme der Wertpapiere durch den im Testament bezeichneten A hat der Bf. Y auf Grund der Bestimmungen des Testaments seiner Tante am 18. Mai 1954 eine Gutschrift bei der Süddeutschen Bank im Betrage von 83.203,04 DM, die Beschwerdeführerin (Bfin.) Z eine solche im Betrage von 74.813,04 DM erhalten.
Das Finanzamt, das die im Inland wohnhaften Bf. zur Erbschaftsteuer herangezogen hat, ging bei der Berechnung des steuerpflichtigen Erwerbs der Bf. von den ihnen erteilten Bankgutschriften aus, denen es die in Amerika bezahlte Nachlaßsteuer in Höhe von 8.202 DM bzw. in Höhe von 8.213 DM hinzugerechnet hat. Es ergab sich somit für den Bf. Y ein steuerpflichtiger Erwerb in Höhe von rund 91.400 DM, für die Bfin. Z unter Berücksichtigung abzugsfähiger Anwaltskosten im Betrage von 2.500 DM ein solcher in Höhe von rund 80.510 DM (richtig wohl 80.520 DM). Auf die danach ermittelte Erbschaftsteuer in Höhe von 21.936 DM bzw. 19.322,40 DM rechnete das Finanzamt aus Billigkeitsgründen 2/3 der amerikanischen Nachlaßsteuer an, so daß eine Erbschaftsteuer in Höhe von 16.468 DM bzw. von 13.847 DM verblieb, die vom Finanzamt zunächst vorläufig festgesetzt wurde.
Der Einspruch der Bf. führte nur insoweit zu einer änderung der vorläufigen Steuerfestsetzung, als diese für endgültig erklärt und die Höhe der abzugsfähigen Anwaltskosten auf 1.500 DM begrenzt wurde, so daß sich im Ergebnis sogar eine Erhöhung der Erbschaftsteuer für die Bfin. auf den Betrag von 14.087 DM ergab.
Die Bf. vertraten demgegenüber die Auffassung, daß bei der Ermittlung des erbschaftsteuerpflichtigen Erwerbs nicht von den nach Deutschland überwiesenen Erlösbeträgen aus dem Verkauf der hinterlassenen Wertpapiere ausgegangen werden dürfe, daß vielmehr der Wert dieser Bonds nach den Verhältnissen vom Todestag der Erblasserin als dem für die Erbschaftsteuer maßgeblichen Stichtag zugrunde zu legen sei. Dieser Wert sei weit geringer als der tatsächlich erzielte Erlös, weil der Erwerber der Wertpapiere dafür einen Liebhaberpreis gezahlt habe, der sich mit dem gemeinen Wert der Wertpapiere nicht decke. Allenfalls könne man in dieser Handlungsweise des Erwerbers eine unentgeltliche Zuwendung des A. zugunsten der Erben der Frau Y. erblicken, die aber nach einer Pressenotiz des Reichsfinanzministeriums vom 19. August 1937 (Reichssteuerblatt 1937 S. 975) steuerfrei bleiben würde. In diesem Sinne habe sich auch der Erwerber A selbst geäußert. Darüber hinaus haben die Bf. den Antrag gestellt, ihnen nicht nur 2/3, sondern 3/4 der amerikanischen Nachlaßsteuer auf ihre Steuerschuld anzurechnen.
Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Das Finanzgericht hat im Gegenteil die vom Finanzamt festgesetzte Steuer noch insofern erhöht, als es die Anrechnung der amerikanischen Erbschaftsteuer gänzlich versagt und dem Erwerb der Bfin. Z noch einen weiteren Betrag von 8.400 DM abzüglich 3.000 DM Nachlaßkosten hinzugerechnet hat. Von der überweisung dieses Saldos an die Bfin. Z hat der Testamentsvollstrecker mit Genehmigung der Landeszentralbank abgesehen; infolgedessen waren bei der Steuerberechnung des Finanzamts der letztgenannte Erwerb und die betreffenden Nachlaßkosten nicht mit berücksichtigt worden. Die Erbschaftsteuer wurde demgemäß auf 19.968 DM bzw. auf 18.890,40 DM erhöht.
Die Bf. haben Rechtsbeschwerde (Rb.) erhoben, mit der sie Rechtsverstöße, Verstöße gegen den Akteninhalt sowie Verfahrensmängel insofern rügen, als das Finanzgericht hinsichtlich der Bewertung der hinterlassenen Wertpapiere nicht auf ihre Beweisangebote eingegangen sei. Die Bf. beantragen insbesondere, die vom Finanzamt zugelassene Anrechnung der amerikanischen Nachlaßsteuer, die ihnen vom Finanzgericht versagt wurde, wiederherzustellen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Soweit die Bf. fordern, daß bei der Berechnung des von ihnen zu versteuernden Nachlaßwertes statt vom Erlös der fraglichen Wertpapiere von ihrem Stichtagswert ausgegangen werde, kann den Ausführungen der Bf. allerdings nicht gefolgt werden. Zwar gestatte die Tatsache, daß die zum beweglichen Nachlaß gehörigen Wertpapiere der Erblasserin der Verwaltung des von ihr bestellten Testamentsvollstreckers unterlegen haben, nicht ohne weiteres den Schluß, daß nicht die Wertpapiere selbst, sondern die bei ihrer Veräußerung erzielten Erlöse den Bf. als Hinterlassenschaft ihrer Tante angefallen seien. Denn selbst wenn man dabei berücksichtigt, daß nach dem Recht der Vereinigten Staaten von Amerika das formale Eigentum zumindest am beweglichen Nachlaß und damit auch an den hinterlassenen Wertpapieren auf den Testamentsvollstrecker übergeht, so hat doch schon der Reichsfinanzhof in seiner Entscheidung III e 49/37 vom 12. Mai 1938 (Reichssteuerblatt 1938 S. 717) ausgesprochen, daß trotz dieser formal-rechtlich stärkeren Rechtsstellung des amerikanischen Testamentsvollstreckers seine Aufgaben und Funktionen sich nicht wesentlich von denen des deutschen Testamentsvollstreckers unterscheiden. Folgt man dieser Rechtsprechung, so müßte man ungeachtet der Einsetzung eines Testamentsvollstreckers die hinterlassenen Wertpapiere den Bf. jedenfalls dann zurechnen, wenn wirklich die letztwillige Verfügung der Erblasserin dahin zu verstehen wäre, daß den Bf. die fraglichen Wertpapiere selbst nach dem Tode ihrer Tante zufallen sollten.
Das Finanzgericht hat jedoch abweichend von der Auffassung der Bf. die fragliche Testamentsbestimmung dahin ausgelegt, daß den Bf. lediglich der Verkaufserlös aus den hinterlassenen Wertpapieren vermacht worden sei. Daß diese Auslegung des Testamentsinhalts fehlerhaft sei und die auch im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu beachtenden Grundsätze für die Auslegung letztwilliger Verfügung verletze, läßt sich nicht feststellen. Denn nach dem Wortlaut des Testaments der Erblasserin, der den Bf. entweder die Bonds oder Schuldscheine oder, falls A. sie kauft, deren Erlös überläßt, erscheint die Auslegung, die das Finanzgericht der fraglichen Testamentsbestimmung gegeben hat, zumindest möglich. Denn es liegt durchaus im Rahmen der Testierfreiheit des Erblassers, daß er, anstatt dem Erben einen bestimmten Nachlaßgegenstand mit der Auflage zu vermachen, denselben an einen Dritten zu veräußern, die Bestimmung auch so treffen kann, daß der Erbe den fraglichen Gegenstand nur erhalten soll, wenn nicht ein Dritter das ihm eingeräumte Erwerbsrecht ausübt, und daß bei Ausübung dieses Erwerbsrechts der Erbe nur den Erlös erhalten soll. Während im ersteren Falle der fragliche Nachlaßgegenstand selbst auf den Erben übergeht, trifft dies im letzteren Falle - vom Standpunkt der Erbschaftsteuer aus betrachtet - nur dann zu, wenn der erwerbsberechtigte Dritte den Nachlaßgegenstand nicht erwirbt. Wird dagegen das Erwerbsrecht ausgeübt, so bildet der dabei erzielte Erlös den Gegenstand des Erbschaftserwerbs des Erben. In Fällen solcher Art liegen in Wirklichkeit zwei verschiedenartige Erbschaftserwerbe vor: Einmal der letztwillige Erwerb eines Kaufrechts auf Grund der diesbezüglichen Vermächtnisanordnung des Erblassers, zum anderen der letztwillige Erwerb der Geldsumme, die der Vermächtnisnehmer für den in Ausübung seines Erwerbsrechts gekauften Gegenstand entrichtet hat, durch den Erben. Auch für den Streitfall ist das Finanzgericht, ohne daß es nach dem Inhalt des von der Erblasserin errichteten Testaments zu beanstanden wäre, von einem derartigen Sachverhalt ausgegangen und hat angenommen, daß die Bf. den Verkaufserlös der Bonds testamentarisch erworben haben. Unter diesen Umständen braucht aber auf die Frage des Wertes der der Erblasserin gehörenden Mortgage Bonds nicht mehr eingegangen zu werden. Es liegt deshalb auch keine Verletzung der Ermittlungspflicht vor, wenn das Finanzgericht die Beweisangebote der Bf. hinsichtlich der Bewertung der hinterlassenen Wertpapiere unbeachtet gelassen hat. Ebensowenig sind insoweit Verstöße gegen den Akteninhalt festzustellen.
Dagegen unterliegt die Vorentscheidung aus einem anderen Grunde der Aufhebung: Das Finanzamt hat 2/3 der amerikanischen Nachlaßsteuer auf die von den Bf. zu entrichtende Erbschaftsteuer angerechnet. Das Finanzgericht seinerseits hat es abgelehnt, eine Anrechnung der amerikanischen Nachlaßsteuer auszusprechen, weil eine Rechtsverordnung gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 des Erbschaftsteuergesetzes über die Anrechnung ausländischer, insbesondere amerikanischer, auf die deutsche Erbschaftsteuer nicht ergangen sei. Letzteres trifft zu. Es fehlt daher an einer Rechtsgrundlage, auf Grund deren das Finanzgericht selbst eine solche Anrechnung hätte aussprechen können. Eine ganz andere Frage aber ist es, ob das Finanzgericht eine vom Finanzamt im Billigkeitswege ausgesprochene Anrechnung der Erbschaftsteuer unbeachtet lassen oder im ordentlichen Rechtsmittelverfahren sachlich überprüfen kann. Daß es sich im Streitfalle um eine derartige im Billigkeitswege getroffene Maßnahme handelt, steht nach dem Inhalt des Steuer- und des Einspruchsbescheides außer Frage. Derartige Billigkeitsmaßnahmen, die das Finanzamt im Rahmen seiner Zuständigkeit grundsätzlich auch schon vor oder bei der Veranlagung der Steuer ergreifen kann, sind aber in einem Berufungsverfahren, das nur die Veranlagung der Erbschaftsteuer selbst zum Gegenstande hat, der Nachprüfung des Finanzgerichts entzogen. Denn die Zuständigkeit des Finanzgerichts zur sachlichen Prüfung beschränkt sich in derartigen Fällen auf die Veranlagung und Festsetzung der Steuer; sie erstreckt sich aber nicht auf Maßnahmen des Finanzamts, die zwar gelegentlich der Veranlagung getroffen sind, sie jedoch - wie etwaige Stundungs- oder Erlaßverfügungen - nicht unmittelbar berühren. Das Finanzgericht hätte deshalb dem vom Finanzamt ausgesprochenen Erlaß eines Teiles der amerikanischen Nachlaßsteuer Rechnung tragen müssen, gleichgültig ob sich das Finanzamt dabei streng im Rahmen der ihm erteilten Anweisungen gehalten hat oder nicht. Keinesfalls war aber das Finanzgericht befugt, die vom Finanzamt verfügte Anrechnung der amerikanischen Erbschaftsteuer aufzuheben oder sie, was der Aufhebung praktisch gleichsteht, für ungesetzlich zu erklären und bei der Festsetzung der Steuer außer acht zu lassen. Da die Vorentscheidung dies verkannt hat, unterliegt sie der Aufhebung. Die Sache ist entscheidungsreif, wobei sich folgende Steuerberechnung ergibt:
-- Y -- Anfall ------------------------abgerundet 91.400,00 DM Steuer 24 % hieraus --------------------- 21.936,00 DM.
Auf diese Steuer sind entsprechend der Verfügung des Finanzamts 5.468 DM (2/3 der amerikanischen Erbschaftsteuer) im Billigkeitswege anzurechnen.
2. -- Z -- Anfall ---------------------------------- 83.026,00 DM dazu 8.400,00 ./. 3.000,00 ---------- = 5.400,00 DM ./. Kosten in Deutschland ---------------- 1.500,00 DM steuerpflichtiger Anteil abgerundet ---- 86.920,00 DM Steuer 24 % hieraus --------------------- 20.860,90 DM.Auf diese Steuer sind entsprechend der Verfügung des Finanzamts 5.475,40 DM (2/3 der amerikanischen Erbschaftsteuer) im Billigkeitswege anzurechnen.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß den §§ 307, 309 der Reichsabgabenordnung.
Fundstellen
Haufe-Index 408738 |
BStBl III 1957, 211 |
BFHE 1957, 563 |
BFHE 64, 563 |
StRK, ErbStG:2 R 3 |
NJW 1957, 1336 |