Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Ein einmaliger Wegebeitrag, den ein gewerbliches Unternehmen an eine Gemeinde bezahlt, damit diese die von den schwerbeladenen LKW des Unternehmens stark befahrenen Straßen über das normale Maß hinaus ausbaut und befestigt, ist als Wirtschaftsgut, das nach § 7 EStG absetzungsfähig ist, zu aktivieren.
Normenkette
EStG §§ 5, 6/1/1, § 7
Tatbestand
Streitig ist bei den einheitlichen Gewinnfeststellungen 1954 bis 1958, ob ein Wegebeitrag ein aktivierungspflichtiges Wirtschaftsgut darstellt.
Die beschwerdeführende OHG (Bfin.) betreibt einige 100 m von der Gemeinde X. entfernt auf fremdem Grund und Boden ein Kiesbaggerwerk. Der jeweils zehn Jahre laufende Pachtvertrag lief bereits über zwanzig Jahre. Die mit Kies beladenen LKW der Bfin. durchfuhren täglich mit etwa 150 bis 200 Fuhren in der Ortschaft X. die A.-Straße und die B.-Straße. Die beiden zusammen ungefähr 1/2 km langen und fünf bis sechs Meter breiten Straßen hielten auf die Dauer der starken Belastung durch die LKW der Bfin. nicht stand. Sie erlitten erhebliche Schäden, durch die sowohl die Anlieger der Straßen beeinträchtigt wurden als auch an den Kraftfahrzeugen der Bfin. Schäden auftraten. über die Beseitigung des schlechten Straßenzustandes wurde zwischen der Bfin. und der Gemeinde X. schon seit langem verhandelt. Die Bfin. beteiligte sich an der Straßenunterhaltung ab 1947 durch unentgeltliche Kieslieferungen. Da die Zustände sich nicht besserten, hat die Bfin. mit Schreiben im Jahr 1954 um Abhilfe. In den Jahren 1955 bis Anfang 1956 baute die Gemeinde beide Straßen aus. Sie erhielten schwere Unterbaubefestigungen. Die mit den Leerfahrzeugen befahrene E.-Straße erhielt eine Asphaltdecke, die mit den beladenen Fahrzeugen befahrene A.-Straße eine Decke mit Pflastersteinen. Zuvor bestanden die beiden Straßen lediglich aus kiesschotterbedecktem Lehmboden. Der Kostenaufwand für die Herrichtung der beiden Straßen betrug rd. 200 000 DM.
Im Schreiben vom 9. November 1955 teilte die Bfin. der Gemeinde mit, sie habe festgestellt, daß die Gemeinde zwar nach dem Kommunalabgabengesetz für Rheinland-Pfalz vom 8. November 1954 - KAG - (GVBl der Landesregierung Rheinland-Pfalz 1954 S. 139) zur Erhebung besonderer Wegebeiträge nach § 8 KAG ermächtigt, die hierzu erforderliche Gemeindesatzung (ß 2 KAG) aber noch nicht erlassen sei. Sie erklärte sich bereit, jährlich 2 000 DM für die Benutzung der beiden Straßen zu bezahlen. Im Schreiben vom 28. Dezember 1955 lehnte die Gemeinde diesen Vorschlag der Bfin. unter Hinweis darauf ab, daß wegen des Kraftfahrzeugverkehrs der Bfin. beim Ausbau der beiden Straßen ein Mehrkostenaufwand von 50 000 DM entstanden sei. Die Gemeindesatzung zur Erhebung besonderer Wegebeiträge werde in Kürze erlassen werden. Nach Erlaß dieser Satzung kamen die Beteiligten schließlich Ende 1956 dahin überein, daß sich die Bfin. an den durch den Ausbau der A.- und B.-Straße entstandenen Kosten mit 50 000 DM beteiligte.
Wegen der auf sie zukommenden Belastung stellte die Bfin. in ihrer Bilanz vom 31. Dezember 1954 einen Betrag von 15 000 DM und in der Bilanz vom 31. Dezember 1955 einen weiteren Betrag von 35 000 DM, insgesamt in der Bilanz vom 31. Dezember 1955 50 000 DM, für den Wegebeitrag zurück. Die Zahlungen leistete die Bfin. ab 1956 aus dem Rückstellungskonto.
Bei einer Betriebsprüfung in den Jahren 1959 und 1960 wurde diese Behandlung des Wegebeitrags nicht anerkannt, weil die Wegebeiträge Aufwand für ein aktivierungspflichtiges Wirtschaftsgut seien. Das Finanzamt strich die Rückstellungen der Jahre 1954 und 1955 und aktivierte den Wegebeitrag in der Bilanz vom 31. Dezember 1956 mit 50 000 DM unter gleichzeitiger Passivierung der Wegebeitragsschuld. Den Aktivposten verteilte es durch gleichmäßige Abschreibungen vom Jahr 1956 ab auf zehn Jahre.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht, dessen Urteil in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 1962 S. 535 abgedruckt ist, führte im wesentlichen folgendes aus: Die nach § 10 KAG erhobenen besonderen Wegebeiträge seien im allgemeinen laufende Betriebsausgaben. Die Leistungen der Bfin. seien aber keine laufenden Beiträge, sondern eine Beteiligung an den durch den Ausbau der A.- und B.-Straße entstandenen Kosten. Der schwere Straßenunterbau sowie die Steinpflasterung der A.-Straße seien nur auf die Beförderungsverhältnisse der Bfin. abgestellt und bedeuteten im Ergebnis eine Umgestaltung des vorhandenen Straßenkörpers. Es handle sich um den herstellenden Ausbau zweier, dem Verkehr nicht mehr genügender Straßen für die besonderen Interessen der Bfin. Damit sei ein selbständiges Wirtschaftsgut geschaffen worden. Ob die Bfin. für diesen Vorteil eine Gegenleistung zivilrechtlich oder öffentlich-rechtlich geschuldet habe, sei gleichgültig (Hinweis auf das Urteil des Reichsfinanzhofs VI 198/40 vom 16. Oktober 1940, RStBl 1941 S. 17). Wertmäßig entsprächen sich Leistung und Gegenleistung. Der einmalige Wegebeitrag der Bfin. sei aktivierungspflichtig, was die Bildung der Rückstellungen in den Jahren 1954 und 1955 ausschließe. Gegen die Bemessung der Nutzungsdauer auf 10 Jahre bestünden keine Bedenken.
Entscheidungsgründe
Die Rb. der Bfin. ist nicht begründet.
Die Aktivierungspflicht der Aufwendungen wäre für den Fall, daß der Bfin. die Straße gehörte, nach den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs I 188/59 U vom 1. März 1960 (BStBl 1960 III S. 198, Slg. Bd. 70 S. 530) über die Behandlung der Aufwendungen zur Pflasterung eines bisher nur mit einer Schotteraufschüttung bedeckten Fabrikhofes nicht zweifelhaft. Denn die Bauarbeiten führten nicht nur zur Ausbesserung, sondern zum Ausbau der beiden Straßen. Daß diese bereits als beschotterte Lehmwege ohne festen Unterbau vorhanden waren, ändert an der Beurteilung nichts.
Nun ist die Bfin. aber nicht Eigentümerin der Straßen. Es steht ihr auch trotz des einmal geleisteten Betrags von 50 000 DM weder ein alleiniges Benutzungsrecht zu noch wird ihr allgemeines Benutzungsrecht durch den Wegebeitrag erhöht. Die Straße steht im Gemeindegebrauch ihrer Benutzer. Die Bfin. kann auch niemanden daran hindern, die Straßen in der gleichen Weise zu benutzen, wie sie selbst das tut, also z. B. durch häufiges und starkes Befahren mit schweren Lastkraftwagen. Die Gemeinde hatte auch ein erhebliches eigenes Interesse daran, die Straßen so auszubauen, daß sie nicht in kurzer Zeit erneut durch die Fahrzeuge der Bfin. stark beschädigt wurden.
Diese Tatsachen beseitigen jedoch nicht die Verpflichtung der Bfin., den Wegebeitrag zu aktivieren. Die Bfin. schuf mit der Leistung dieses Beitrags ein aktivierungspflichtiges Wirtschaftsgut in ihrem Betrieb. Dieses Wirtschaftsgut besteht in der mit dem einmaligen, im Rahmen des Betriebs der Bfin. nicht unerheblichen Betrag erkauften Leistung der Gemeinde, die beiden Straßen gerade für Zwecke und im betrieblichen Interesse der Bfin. über das normale Maß hinaus auszubauen, wodurch der Gemeinde ein Sonderaufwand von 50 000 DM an Straßenbaukosten erwuchs, der der Bfin. einen betrieblichen und längere Zeit hindurch anhaltenden Nutzen bringt.
Der Einwand der Bfin., sie habe den Ausbau der Straßen in dieser Weise nicht gewollt, ist nicht stichhaltig. Entscheidend ist, daß sie tatsächlich einen Anteil an den Kosten des in ihrem Interesse liegenden Straßenausbaus übernahm, ohne dazu in dieser Form durch gesetzliche Vorschriften verpflichtet zu sein. Die Bfin. zog offensichtlich diese Art der Beteiligung am Straßenbau der Gemeinde laufenden, wohl nicht unerheblichen Beiträgen zur Ausbesserung weniger befestigter Straßen vor. Sie ist Kaufmann; sie wird sich entsprechende Vorteile davon versprochen haben. Eine Fehlmaßnahme liegt nicht vor.
Der Begriff des Wirtschaftsguts ist weit zu fassen. Er umfaßt nicht nur Gegenstände im Sinn des bürgerlichen Rechts, wie Sachen und Rechte, sondern auch tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten läßt und die nach der Verkehrsauffassung einer besonderen Bewertung zugänglich sind (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs IV 58/59 U vom 22. Februar 1962, BStBl 1962 III S. 367, Slg. Bd. 75 S. 275; I 167/62 U vom 9. Oktober 1962, BStBl 1963 III S. 7, Slg. Bd. 76 S. 16). Wenn ein Kaufmann zur Erlangung solcher betrieblicher Vorteile einen einmaligen Betrag aufwendet, der im Rahmen der sonstigen Aufwendungen des Betriebs nicht unbedeutend ist und sich klar und einwandfrei von den übrigen Aufwendungen abgrenzen läßt, so schafft er einen besonderen Wert, der sowohl handels- als auch steuerbilanzmäßig als Wirtschaftsgut (Vermögensgegenstand) zu erfassen ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 46/57 U vom 13. August 1957, BStBl 1957 III S. 350, Slg. Bd. 65 S. 307). Für die Entscheidung darüber, ob mit solchen Aufwendungen ein Wirtschaftsgut erworben wird, ist es von besonderer Bedeutung, ob die Aufwendungen dem Kaufmann einen über mehrere Wirtschaftsjahre sich erstreckenden greifbaren Nutzen bringen und ob ein Käufer des Betriebs den durch die Aufwendungen geschaffenen Vorteil bei Bemessung des Kaufpreises berücksichtigen würde. Der Senat trägt keine Bedenken, das Vorliegen dieser Voraussetzungen zu bejahen.
An dieser Beurteilung würde sich nichts ändern, wenn man im Gegensatz zum Inhalt der schriftlich vorliegenden Vereinbarung zwischen der Bfin. und der Gemeinde mit der Bfin. die alleinige Grundlage für die Erhebung des einmaligen Betrags von 50 000 DM in § 10 KAG sehen würde. Es kommt für die steuerliche Beurteilung nicht darauf an, ob sich die Aufwendungen vom Standpunkt der Gemeinde aus als Unterhaltungskosten im Sinn des § 10 KAG darstellen, sondern darauf, als was sich die Leistung der Bfin. für ihren Betrieb darstellt. Auch wenn man der Bfin. darin folgen würde, daß die Gemeinde mit dem Wegebeitrag Unterhaltungskosten wegen außergewöhnlicher Abnutzung durch die LKW der Bfin. im Sinn des § 10 KAG gewissermaßen vorweggenommen hätte, schuf ihr Beitrag ein aktivierungspflichtiges Wirtschaftsgut. Ihre Auffassung, der einmalige Wegebeitrag sei dann nicht aktivierungspflichtig, wenn die Aufwendungen für die Instandsetzungs- und Ausbauarbeiten an den beiden Straßen bei der Gemeinde als Eigentümerin steuerlich als Erhaltungsaufwand zu beurteilen seien, ist jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht richtig (Hinweis auf Urteil des Bundesfinanzhofs I 253/60 U vom 25. September 1962, BStBl 1963 III S. 85, Slg. Bd. 76 S. 235). Denn Aufwendungen, die ein Dritter für ihm nicht gehörende Wirtschaftsgüter macht, die, würden sie vom Eigentümer gemacht, als Instandsetzungskosten zu beurteilen wären, können beim Dritten trotzdem Anschaffungsaufwand für ein Wirtschaftsgut darstellen. Es ist auch von Bedeutung, daß nach Ziffer 6 der Vereinbarung die Bfin. nicht davon befreit ist, wegen Instandsetzungskosten an den beiden Straßen, die nachweislich auf die mit ihrem Betrieb zusammenhängende Benutzung zurückzuführen sind, die nach der Satzung über die Erhebung besonderer Wegebeiträge vom 20. Januar 1956 erforderlichen Beiträge zu leisten. Diese Regelung unterstreicht den einmaligen und besonderen Charakter des Betrags von 50 000 DM, durch den eine entsprechende Sonderleistung der Gemeinde abgegolten wurde.
Auch im übrigen ist der Vorentscheidung beizutreten. Die Aktivierung und Passivierung der 50 000 DM im Jahre 1956, in dem die Vereinbarungen über den Wegebeitrag der Bfin. getroffen und die Straßen fertiggestellt wurden, ist richtig. Gegen die Bemessung der Abnutzungsdauer auf zehn Jahre lassen sich keine Bedenken geltend machen. Die Schätzung liegt im Bereich des Möglichen.
Fundstellen
Haufe-Index 411631 |
BStBl III 1965, 414 |
BFHE 1965, 461 |
BFHE 82, 461 |
BB 1965, 779 |
DB 1966, 646 |
DStR 1965, 465 |