Leitsatz (amtlich)
Leistungen, die ein Gewerbetreibender aus einer Betriebsunterbrechungsversicherung im Hinblick auf die Anschaffung oder Herstellung bestimmter Wirtschaftsgüter erhält, sind grundsätzlich kein die Anschaffungs- oder Herstellungskosten dieser Wirtschaftsgüter mindernder "Zuschuß" (Anschluß an das BFH-Urteil vom 18. Juli 1968 I 224/65, BFHE 93, 233, BStBl II 1968, 737).
Normenkette
EStG § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine KG, betreibt ein Preßwerk. Durch einen Brand wurde in ihrem Werk in X eine 1 250-to-Strangpresse so erheblich beschädigt, daß diese nicht mehr betriebsbereit war. Die Reparatur hätte nach Angaben der Herstellerin der Presse etwa 10 bis 12 Monate in Anspruch genommen.
Die Klägerin hatte neben einer Feuer-Sachschadenversicherung für die beschädigte Maschine auch eine Feuer-Betriebsunterbrechungs-Versicherung abgeschlossen. Aufgrund dieser Betriebsunterbrechungs-Versicherung hatte die Klägerin wegen des Stillstands des betroffenen Werkteils einen Anspruch auf Schadenausgleichsleistungen für die Dauer von 12 Monaten, und zwar nach Schätzung der Klägerin und des Versicherers in Höhe von monatlich 330 000 DM.
Bei der Herstellerin der beschädigten Presse befand sich zur Zeit des Schadeneintritts eine 2 000-to-Strangpresse in der Fertigung, die innerhalb von sechs Monaten lieferbar war. Der Erwerb dieser Presse bedingte jedoch gegenüber der Reparatur der beschädigten Presse einschließlich der Kosten für die Anpassung der Zusatzaggregate Mehrkosten in Höhe von insgesamt 658 204 DM. Im Rahmen der Verhandlungen zur Regulierung des Unterbrechungsschadens einigten sich die Klägerin und der Versicherer dahin, daß die Klägerin die beschädigte Maschine nicht reparieren läßt, sondern statt dessen die 2 000-to-Presse erwirbt, und daß der Versicherer die Mehrkosten als sogenannten Schadenminderungsbeitrag übernimmt. Die neue Presse war sieben Monate nach Eintritt des Schadenfalls betriebsbereit. Demgemäß zahlte der Versicherer (neben bestimmten Beträgen zum Ausgleich des an den Maschinen und Gebäuden entstandenen Sachschadens und des Unterbrechungsschadens für sieben Monate) an die Klägerin nach Vorlage der Rechnungen für die neue Presse zusätzlich 658 204 DM.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) behandelte bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1974 die zusätzliche Versicherungsleistung von 658 204 DM als steuerpflichtige Betriebseinnahme, die den laufenden Gewinn erhöht. Die Klägerin war demgegenüber der Auffassung, diese Versicherungsleistung habe den Charakter eines Zuschusses, der ihre Anschaffungskosten für die 2 000-to-Presse entsprechend mindere; der Gewinn für 1974 sei daher um 633 274 DM (Versicherungsleistung 658 204 DM ./. verminderte Absetzung für Abnutzung - AfA - 24 930 DM) niedriger festzustellen.
Das Finanzgericht (FG) gab der Sprungklage im wesentlichen (unter gewinnerhöhender Berücksichtigung einer entsprechenden Minderung der Gewerbesteuerrückstellung) statt. Das FG war der Auffassung, daß die Leistungen des Versicherers zur Anschaffung der 2 000-to-Presse nebst Zusatzaggregaten einen Zuschuß zur Anschaffung bzw. Herstellung dieser Wirtschaftsgüter darstelle, der nach den Umständen des Streitfalles als Minderung der Anschaffungs- und Herstellungskosten behandelt werden könne.
Mit der Revision beantragt das FA, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Das FA rügt Verletzung der Vorschriften des § 4 Abs. 3 Satz 2 und des § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie muß zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage führen.
Für das von der Klägerin in Anspruch genommene Recht, den ihr aus der Betriebsunterbrechungs-Versicherung zugeflossenen Betrag von 658 204 DM nicht als steuerpflichtigen Ertrag des Streitjahres 1974 zu behandeln und dafür die Anschaffungskosten der 2 000-to-Presse um einen Betrag in gleicher Höhe niedriger anzusetzen, gibt es keine gesetzliche Grundlage.
1. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat allerdings wiederholt ausgesprochen, daß öffentliche oder private Zuschüsse "wie durchlaufende Posten" behandelt werden dürfen, d. h. bilanzsteuerrechtlich nicht als steuerpflichtige Betriebseinnahmen erfaßt werden müssen, wenn gleichzeitig die Anschaffungs- oder Herstellungskosten bestimmter mit Hilfe der Zuschüsse angeschaffter oder hergestellter Wirtschaftsgüter entsprechend niedriger ausgewiesen werden (z. B. Urteile vom 17. Oktober 1961 I 283/60 S, BFHE 73, 823, BStBl III 1961, 566; vom 12. März 1969 I 97/65, BFHE 95, 178, BStBl II 1969, 381, mit weiteren Nachweisen; vgl. auch Urteil vom 28. Oktober 1980 VIII R 34/76, BFHE 132, 41, BStBl II 1981, 161). Demgemäß bestimmen auch die Einkommensteuer-Richtlinien in Abschn. 34 Abs. 1, daß ein Steuerpflichtiger, der Anlagegüter mit Zuschüssen aus öffentlichen oder privaten Mitteln anschafft oder herstellt, grundsätzlich ein Wahlrecht hat: Er kann die Zuschüsse als Betriebseinnahmen ansetzen; in diesem Fall werden die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der betreffenden Wirtschaftsgüter durch die Zuschüsse nicht berührt. Er kann die Zuschüsse aber auch erfolgsneutral behandeln; in diesem Falle dürfen die Anlagegüter, für die die Zuschüsse gewährt worden sind, nur mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten bewertet werden, die der Steuerpflichtige selbst, also ohne Berücksichtigung der Zuschüsse aufgewendet hat.
Der Senat kann im Streitfall offenlassen, ob es sich insoweit um einkommensteuerrechtliches Gewohnheitsrecht oder um ungeschriebene Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung handelt, die gemäß § 5 Abs. 1 EStG ungeachtet des Bewertungsvorbehalts nach § 5 Abs. 4 i. V. m. § 6 EStG auch für die Steuerbilanz maßgeblich sind.
Wie der I. Senat des BFH mit Urteil vom 18. Juli 1968 I 224/65 (BFHE 93, 233, BStBl II 1968, 737) entschieden hat, ist die Leistung des Versicherers aus einer Betriebsunterbrechungs-Versicherung auch dann kein Zuschuß, wenn sie der Abwendung eines Betriebsunterbrechungsschadens dient und zur Erreichung dieses Zwecks vom Versicherungsnehmer abredegemäß zur Anschaffung oder Herstellung eines bestimmten Wirtschaftsgutes verwendet wird. Dieser Rechtsansicht schließt sich der erkennende Senat aus den nachfolgend zu 2. dargestellten Gründen an.
2. Ein Zuschuß aus öffentlichen oder privaten Mitteln zur Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsguts i. S. der zu 1. dargestellten Grundsätze liegt nur vor, wenn die Leistung des Zuschußgebers beim Zuschußempfänger einer rechtlichen Zweckbindung unterliegt (vgl. BFHE 95, 178, 181, BStBl II 1969, 381 "bindende Zweckbestimmung"), und zwar in dem Sinne, daß die Leistung zurückgefordert werden kann, wenn der Empfänger nicht in bestimmter Weise mit ihr verfährt. Dies folgt notwendig daraus, daß Rechtfertigungsgrund der zu 1. erwähnten bilanzsteuerrechtlichen Beurteilung allein das Eigeninteresse desjenigen, der den Zuschuß leistet, an einem bestimmten Verhalten des Leistungsempfängers sein kann, und daß dieses Eigeninteresse naturgemäß nur gewahrt ist, wenn die Leistung der genannten rechtlichen Zweckbindung unterliegt. Des weiteren ist für die Annahme eines Zuschusses - jedenfalls eines privaten Zuschusses - erforderlich, daß der Leistende mit ihr nicht lediglich eine rechtliche Verpflichtung erfüllt; denn besteht eine solche rechtliche Verpflichtung, läßt sich die Leistung nicht dahin werten, daß sie der Befriedigung des Interesses des Leistenden an einem bestimmten Verhalten des Leistungsempfängers dient.
Danach sind die Leistungen des Versicherers aus einer Betriebsunterbrechungs-Versicherung kein Zuschuß i. S. der zu 1. dargestellten Grundsätze. Dies gilt entgegen der Annahme der Vorentscheidung auch unter den besonderen Umständen des Streitfalls.
a) Das FG hat ausgeführt, die Klägerin und der Versicherer hätten sich dahin geeinigt, daß die Klägerin die beschädigte 1 250-to-Presse nicht reparieren läßt, sondern statt dessen die 2 000-to-Presse erwirbt, und daß der Versicherer die Mehrkosten als sog. Schadensminderungsbetrag übernimmt. Des weiteren hat das FG ausgeführt, daß der Versicherer zusätzlich 658 204 DM zahlte und die Klägerin diesen Betrag nach der mit der Versicherung getroffenen Vereinbarung für die neue Presse verwandte. Diesen Ausführungen kann nicht entnommen werden, daß die Leistung des Versicherers einer rechtlichen Zweckbindung unterworfen war in dem Sinne, daß die Klägerin den Betrag von 658 204 DM hätte zurückzahlen müssen, wenn sie ihn nicht zur Begleichung der Rechnung des Lieferanten der Presse eingesetzt oder wenn sie die Maschinen alsbald wieder veräußert oder stillgelegt hätte. Der Versicherer hatte auch keinerlei Anlaß, der Klägerin eine solche rechtliche Zweckbindung aufzuerlegen. Denn sein Interesse war allein auf eine betragsmäßige Begrenzung seiner Leistungspflichten aufgrund des Versicherungsvertrags gerichtet, nicht hingegen darauf, daß die Klägerin mit den Zahlungen in bestimmter Weise verfährt. Dem Interesse des Versicherers an einer betragsmäßigen Begrenzung seiner Leistungspflicht aber war bereits damit entsprochen, daß sich die Klägerin und der Versicherer über eine bestimmte Form der Schadensregulierung einigten und mit der zusätzlichen Zahlung von 658 204 DM alle Ansprüche der Klägerin gegen den Versicherer aus dem Schadensfall abgegolten waren.
b) Der Versicherer war aufgrund des Versicherungsvertrags zwar nicht zur Zahlung der sog. Mehrkosten für die 2 000-to-Presse verpflichtet, wohl aber zum Ausgleich des Betriebsunterbrechungsschadens; dieser wäre nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorentscheidung höher gewesen als der zusätzlich geleistete Betrag von 658 204 DM. Demgemäß hat der Versicherer mit einer Leistung, die geringer war als die zu erwartende Leistung zum Ausgleich des Betriebsunterbrechungsschadens, mittelbar lediglich eine eigene rechtliche Verpflichtung erfüllt.
c) Unter diesen Umständen kann offenbleiben, ob die von der Klägerin erstrebte bilanzsteuerrechtliche Behandlung des Betrags von 658 204 DM auch daran scheitern müßte, daß allgemein Leistungen, die im Rahmen eines gegenseitigen Vertrags erbracht werden, nicht als Zuschuß i. S. der zu 1. dargestellten Grundsätze gewertet werden können. Das Argument der Vorentscheidung, die Annahme, Leistungen, die im Rahmen eines gegenseitigen Vertrags erbracht würden, ließen sich nicht als Zuschuß beurteilen, stände im Widerspruch zur Rechtsprechung des BFH bezüglich der Baukostenzuschüsse, ist durch das Urteil in BFHE 132, 41, BStBl II 1981, 161 gegenstandslos.
3. Die Bilanzierung der Klägerin läßt sich schließlich nicht mit der Erwägung rechtfertigen, die Anschaffung der 2 000-to-Presse habe wirtschaftlich zu keiner Erhöhung des Betriebsvermögens der Klägerin geführt, weil den betrieblichen Bedürfnissen der Klägerin eine 1 250-to-Presse genügt hätte. Diese Überlegungen der Vorentscheidung beinhalten unausgesprochen das Zugeständnis einer Teilwertabschreibung auf die 2 000-to-Presse. Es ist aber weder vorgetragen noch festgestellt, daß der Teilwert der 2 000-to-Presse niedriger war als ihr Preis. Die Vorentscheidung geht selbst davon aus, daß bei einer Einzelveräußerung für die 2 000-to-Presse ein höherer Preis zu erzielen gewesen wäre als für die 1 250-to-Presse.
Fundstellen
Haufe-Index 74332 |
BStBl II 1982, 591 |
BFHE 1983, 90 |