Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Der Senat tritt grundsätzlich der Rechtsauffassung des IV. Senats im Urteil IV 442/54 U vom 9. Dezember 1955 (Bundessteuerblatt 1956 III S. 67) bei, daß über die Höhe der Entnahmen der Mitunternehmer einer Personengesellschaft im Gewinnfeststellungsverfahren zu entscheiden ist.
Ob und inwieweit Beträge, die auf Grund der allgemeinen Vorschriften zu den Entnahmen eines Mitunternehmers gehören, nach einer Sonderregelung (z. B. § 32a Abs. 1 Ziff. 3 EStG 1949) nicht als Entnahmen zu behandeln sind, muß im Veranlagungsverfahren des Mitunternehmers entschieden werden.
Normenkette
EStG § 32a Abs. 1 Ziff. 3; AO § 215 Abs. 2 Nr. 2
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) ist persönlich haftende Gesellschafterin der KG; ihre drei Töchter sind Kommanditistinnen. Gemäß der eingereichten vorläufigen Bilanz vom 31. Dezember 1949 wurde in der vorläufigen einheitlichen Gewinnfeststellung für 1949 vom 21. März 1951 vom Betriebsfinanzamt für die Bfin. eine Entnahme von 19.499 DM festgestellt. Das Wohnsitzfinanzamt lehnte daraufhin bei der vorläufigen Einkommensteuerveranlagung 1949 die von der Bfin. beantragte Anwendung des § 32a des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1949 ab, weil die Entnahmen die Grenze von 15.000 DM überstiegen hätten. Mit Schreiben vom 1. Dezember 1954 legte die Bfin. eine berichtigte Bilanz vor. Sie hatte schon vorher im Schreiben vom 23. November 1954 bemerkt, ihr Ehemann habe am 27. Dezember 1949 Anweisung gegeben, das Kapital der Töchter, soweit es die Haftsumme von je 20.000 DM überstieg (bei den drei Töchtern insgesamt 14.290 DM), dem Konto der Bfin. gutzuschreiben. Diese Anweisung sei versehentlich nicht ausgeführt worden. Die Darlehen, die die Töchter ihrer Mutter gewährt hätten, müßten als Einlage der Bfin. behandelt werden, so daß die Entnahmen unter 15.000 DM lägen. Das Finanzamt lehnte eine änderung der vorläufigen Gewinnfeststellung für 1949 ab und erklärte diese am 23. Dezember 1954 für endgültig. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück und führte aus, über die Höhe der Entnahmen sei im vorliegenden Verfahren der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung der KG, nicht bei der Einzelveranlagung der Bfin. zu entscheiden. Da im Streitfall die Kapitalanteile der Gesellschafter erst nach Abschluß des Veranlagungszeitraums 1949 geändert worden seien, könne die änderung nicht bereits für 1949 wirksam sein. Im übrigen bedeute die Gutschrift von den Kapitalkonten der Töchter auf das Kapitalkonto der Bfin. die Veräußerung eines Geschäftsanteils. Eine solche Anteilsveräußerung sei aber für den Veräußerer keine Entnahme und für den Erwerber keine Einlage, da durch den Vorgang dem Betrieb keine neuen Mittel zugeführt würden (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 233/51 U vom 24. Oktober 1951, Slg. Bd. 56 S. 10, Bundessteuerblatt - BStBl - 1952 III S. 5).
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) vertritt die Bfin. weiterhin die Auffassung, daß über die Höhe der Entnahmen erst in ihrem Veranlagungsverfahren zu entscheiden sei. Der streitige Umbuchungsvorgang müsse auf das Jahr 1949 zurückbezogen werden. Das Finanzgericht habe im übrigen entgegen ihrem Sachvortrag angenommen, es sei eine Anteilsveräußerung der Töchter an sie erfolgt. Es sei aber stets vorgetragen worden, die Töchter hätten ihr die Beträge als Darlehen zur Verfügung gestellt. Wäre man so vorgegangen, daß die Töchter die streitigen Beträge aus dem Betrieb bar entnommen und privat der Mutter als Darlehen übergeben hätten, die dann ihrerseits das Geld in den Betrieb eingelegt hätte, so bestünde wohl kein Zweifel, daß eine Einlage gegeben sei. Die tatsächlich gewählte Form habe aber wirtschaftlich den gleichen Erfolg gehabt und müsse deshalb ebenso behandelt werden.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Das Finanzgericht hat zutreffend angenommen, daß über die Höhe der Entnahmen grundsätzlich im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung für die Personengesellschaft zu entscheiden ist. Dieser Rechtsauffassung, die der IV. Senat des Bundesfinanzhofs im Urteil IV 442/54 U vom 9. Dezember 1955 (BStBl 1956 III S. 67) entwickelt hat, tritt der erkennende Senat bei.
Sachlich sind für das Streitjahr 1949 die Entnahmen der Höhe nach im Ergebnis rechtlich zutreffend festgestellt worden. Es kann dahingestellt bleiben, ob die rechtliche Würdigung des Finanzgerichts tatsächlich in vollem Umfang dem Sachvortrag der Bfin. gerecht wird. Denn im Ergebnis ist die Vorentscheidung jedenfalls einwandfrei. Wäre eine Darlehnsgewährung, wie die Bfin sie behauptet, tatsächlich im Jahre 1949 durchgeführt worden, so könnte vielleicht zweifelhaft sein, ob sie steuerlich als Einlage der Bfin. im Jahre 1949 anerkannt werden müßte. Im vorliegenden Fall ist aber davon auszugehen, daß die Vereinbarung zwischen den Beteiligten, sofern sie überhaupt ernsthaft gewollt war, erst im Jahre 1954 getroffen worden ist. Denn erst Ende 1954 wurde der Vorgang dem Finanzamt angezeigt und eine entsprechende "berichtigte" Bilanz eingereicht. Selbst das Schreiben vom 23. November 1954 läßt noch nicht klar erkennen, was zwischen den Beteiligten vereinbart gewesen sein soll. Vorgänge, die erst nach Ablauf eines Wirtschaftsjahres eintreten, können aber nicht, und zwar auch nicht für die Anwendung des § 32a EStG, auf das abgelaufene Wirtschaftsjahr zurückbezogen werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 38/53 U vom 5. November 1953, Slg. Bd. 58 S. 231, BStBl 1954 III S. 4). Mit dem Einwand, die Darlehnsvereinbarung sei schon im Jahre 1949 getroffen und nur versehentlich nicht in den Büchern ausgewiesen worden, kann die Bfin. nicht gehört werden. Bei der engen Interessenverknüpfung zwischen nahen Familienangehörigen können vertragliche Abmachungen zwischen ihnen steuerlich nur berücksichtigt werden, wenn sie eindeutig und klar sind. Wenn das Finanzgericht eine solche Feststellung unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht traf, so bestehen dagegen rechtlich keine Bedenken.
Das Finanzgericht hat deshalb ohne Rechtsirrtum die Entnahmen der Bfin. aus dem Betrieb für das Streitjahr 1949 auf 19.499 DM festgestellt. Damit ist allerdings nicht entschieden, daß § 32a EStG 1949 keine Anwendung finden kann. Nach § 32a Abs. 1 Ziff. 3 EStG 1949 werden bestimmte Beträge, die begrifflich an sich Entnahmen sind, für die Gewährung der Steuervergünstigung des § 32a EStG 1949 nicht als Entnahmen behandelt. Welche Beträge auf Grund dieser Sonderregelung nicht als Entnahmen gelten, ist nicht im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung zu prüfen, sondern bei der Steuerveranlagung der einzelnen Gesellschafter. Die Frage, ob und inwieweit die Voraussetzungen des § 32a Abs. 1 Ziff. 3 EStG 1949 gegeben sind, kann jeweils nur für den einzelnen Gesellschafter festgestellt werden. Die Feststellung hat auch nur Bedeutung, wenn ein Gesellschafter die Anwendung der Sonderregelung bei seinem Wohnsitzfinanzamt beantragt. Die erforderlichen Feststellungen werden sich ferner im allgemeinen nicht aus den Büchern der Gesellschaft, sondern nur aus den Unterlagen des einzelnen Gesellschafters treffen lassen. Es besteht deshalb nicht nur kein Bedürfnis, sondern es wäre sogar unzweckmäßig, das Verfahren der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung mit einer solchen Feststellung zu belasten. Das erwähnte Urteil des Bundesfinanzhofs IV 442/54 U steht dem nicht entgegen. Es spricht nur aus, daß ein Gewinnfeststellungsverfahren die Entnahmen als solche verbindlich festzustellen seien. Das Wohnsitzfinanzamt ist demnach nicht gehindert, bei der Einkommensteuerveranlagung der Bfin. für 1949 zu prüfen, ob nicht in den festgestellten Entnahmen von 19.499 DM Beträge enthalten sind, die für die Gewährung der Steuervergünstigung nach § 32a Abs. 1 Ziff. 3 EStG nicht als Entnahmen gelten.
Fundstellen
Haufe-Index 408480 |
BStBl III 1956, 188 |
BFHE 1956, 504 |
BFHE 62, 504 |