Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbrauchsteuern
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Nachsteuerbarkeit von branntweinhaltigen Erzeugnissen, die in West-Berlin zu einem ermäßigten Steuersatz versteuert und von dort nach dem Bundesgebiet geliefert werden.
Zweites (Berliner) Gesetz zur änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol vom 7. August
Normenkette
BrMonG § 1
Tatbestand
Die in West-Berlin ansässige Beschwerdeführerin (Bfin.) befaßt sich unter anderem mit dem Verkaufe von elektrischen Staubsaugern, die sie durch Vertreter in geringem Umfang in West-Berlin, zum überwiegenden Teil im Bundesgebiet absetzt. Eine besondere Vorrichtung der von ihr vertriebenen Staubsauger ermöglicht auch die Zerstäubung von Flüssigkeiten, namentlich von Parfüm, zur Verbesserung der Luft. Zu Werbezwecken beliefert die Bfin. jeden Käufer eines Staubsaugers kostenlos mit einem Fläschchen branntweinhaltigen Parfüms. Dieses bezieht sie in größeren Gebinden von einer West-Berliner Herstellerfirma und füllt es in 20-ccm-Fläschchen um.
Im Streitfalle hatte die Lieferfirma das Parfüm aus Branntwein hergestellt, den sie von der West-Berliner Monopolverwaltung für Branntwein zu dem nur für den Absatz in Berlin genehmigten verbilligten Steuersatz bezogen hatte bzw. für den sie im Wege der Vergütung diesen ermäßigten Steuersatz zugebilligt erhalten hatte. Da die Bfin. entgegen einer Anordnung der Berliner Monopolverwaltung das in der Zeit vom 1. Januar 1955 bis 30. April 1956 in das Bundesgebiet mit den Staubsaugern gelieferte branntweinhaltige Parfüm (einschließlich des von ihren Vertretern für Vorführzwecke im Bundesgebiet verbrauchten Parfüms) nicht zur Nachentrichtung des Steuerbetrags angemeldet hatte, der sich aus dem Unterschied zwischen dem Berliner ermäßigten und dem im Bundesgebiet geltenden höheren Steuersatz ergab, forderte das Hauptzollamt Berlin ...... mit den Steuerbescheiden vom 23. Juni und 29. September 1956 von der Bfin. für x Liter Weingeist (W) diesen Unterschiedsbetrag in Höhe von ...... DM an. Die Anfechtung blieb erfolglos.
In ihrer Rechtsbeschwerde (Rb.) wendet die Bfin. wie schon im Anfechtungsverfahren ein, daß die kostenlose Beigabe von den kleinen Fläschchen Parfüm nicht als eine Lieferung im Sinne des Zweiten Berliner Gesetzes zur änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol vom 7. August 1950 angesehen werden könne. Wenn in den Bekanntmachungen der Monopolverwaltung von "Verbringen" die Rede ist, so sei das eine unzulässige Erweiterung des Gesetzes. Die Ansicht der Vorinstanz, daß auch verschenkte branntweinhaltige Erzeugnisse der Nachsteuer unterlägen, werde dem Wortlaut des Gesetzes nicht gerecht.
Entscheidungsgründe
Die Rb. kann keinen Erfolg haben.
Durch Art. I Ziff. 1 des Zweiten Berliner Gesetzes zur änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol vom 7. August 1950 (Verordnungsblatt für Groß-Berlin I S. 394) wurde der Magistrat ermächtigt,
die Steuer nach dem im Bundesgebiet geltenden Sätzen zu erheben, wenn branntweinhaltige Erzeugnisse in dieses Gebiet geliefert werden,
für den Absatz in Groß-Berlin zum Schutze der Branntwein verarbeitenden Industrie in Groß-Berlin von der Erhebung der Steuer ganz oder teilweise abzusehen.
Diese Vorschrift des Landes Berlin blieb auch in Kraft, als durch § 12 Abs. 2 in Verbindung mit Ziff. 1 der Anlage 1 des Dritten überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 (Gesetz- und Verordnungsblatt S. 393, 394) das Gesetz des Wirtschaftsrats zur änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol vom 21. Oktober 1948 (Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebietes S. 103) mit Wirkung vom 1. Januar 1952 auch im Land Berlin in Kraft trat (vgl. § 12 Abs. 3 des Gesetzes in Verbindung mit Ziff. 8 der Anlage 2). Sie galt auch weiter in den im Streitfall in Betracht kommenden Jahren 1955 und 1956 (vgl. Gesetz zur änderung des Dritten überleitungsgesetzes vom 20. Dezember 1952, Gesetz- und Verordnungsblatt S. 1095, und Zweites Gesetz zur änderung des Dritten überleitungsgesetzes vom 25. Dezember 1954, Gesetz- und Verordnungsblatt 1955 S. 7, jeweils Art. I Ziff. 2). Von der Ermächtigung des änderungsgesetzes vom 7. August 1950 machte der Magistrat zunächst in der Bekanntmachung über änderung des Branntweinverkaufspreises vom 9. Januar 1951 (Verordnungsblatt für Berlin II S. 135) Gebrauch, durch die er für den Absatz in Berlin den Steuersatz für Branntwein zur Herstellung von Trinkbranntweinerzeugnissen, Aromen, Essenzen und für sonstige nicht genannte Zwecke auf 500 DM je hl W und den Steuersatz für Branntwein zur Herstellung von Riech- und Schönheitsmitteln auf 400 DM je hl W senkte und für die Lieferungen in das Bundesgebiet die Erhebung der Branntweinsteuer nach den dort geltenden Steuersätzen vorschrieb. Mit Anordnung des Senators für Finanzen vom 18. Dezember 1951, die in der Bekanntmachung der Monopolverwaltung für Branntwein beim Landesfinanzamt Berlin über änderung der Branntweinverkaufspreise vom 18. Dezember 1951 (Steuer- und Zollblatt S. 385) ausgeführt wurde, wurden für den Absatz in Berlin die Steuersätze für Branntwein für die oben genannten Zwecke einheitlich auf 250 DM je hl W herabgesetzt und ebenfalls für die Verbringung der branntweinhaltigen Erzeugnisse in das Bundesgebiet die Erhebung der Branntweinsteuer nach den dort geltenden Sätzen im Wege der Nachversteuerung vorgeschrieben. Diese Anordnung fand auch ihren Niederschlag in der für den Streitfall einschlägigen Bekanntmachung der Monopolverwaltung für Branntwein beim Landesfinanzamt Berlin über die Branntweinsteuer usw. vom 4. März 1953 (Steuer- und Zollblatt S. 225). Bei Lieferung von Branntwein oder branntweinhaltigen Erzeugnissen nach dem Bundesgebiet, für die in Berlin auf Grund des Gesetzes vom 7. August 1950 nur ermäßigte Steuersätze entrichtet wurden, ist daher die Nachforderung des Unterschieds zwischen der nur für den Absatz in Berlin gültigen und der im Bundesgebiet zutreffenden Steuer rechtlich nicht zu beanstanden. Insoweit hat die Bfin. auch keine Einwendungen erhoben. Sie ist jedoch der Ansicht, daß die kostenlose Beigabe von kleinen Fläschchen Parfüm nicht als eine Lieferung im Sinne des Gesetzes vom 7. August 1950 angesprochen werden könne. Dem vermag der Senat in übereinstimmung mit der Vorinstanz nicht beizutreten. Sinn und Zweck des Gesetzes war zwar der Schutz der Branntwein verarbeitenden Industrie in Groß-Berlin. Durch die im Gesetz dem Magistrat gegebene Möglichkeit, die Steuersätze für Branntwein - abweichend von den im Bundesgebiet geltenden Steuersätzen - zu senken oder aufzuheben, sollte das Branntweingewerbe Berlins in seinem harten Existenzkampf unterstützt werden, in dem es in Konkurrenz mit der unter günstigeren Bedingungen arbeitenden westdeutschen Industrie und mit dem aus dem Sowjetsektor von Berlin in großem Umfange geschmuggelten abgabefreien Sprit stand. Dieser Schutz des West-Berliner Branntweingewerbes sollte aber nach dem Gesetz vom 7. August 1950 nicht zu Lasten der westdeutschen Branntwein verarbeitenden Industrie gehen. Das Gesetz sah daher ausdrücklich die Möglichkeit der Steuererhebung nach den im Bundesgebiet geltenden höheren Steuersätzen vor, wenn branntweinhaltige, in Berlin mit den niedrigeren Steuersätzen belastete Erzeugnisse in das Bundesgebiet geliefert werden. Bei Berücksichtigung dieses zweiten Schutzgedankens des Gesetzes trägt der Senat keine Bedenken, entgegen der Ansicht der Bfin. die Mitversendung der Fläschchen Parfüm in das Bundesgebiet zusammen mit den von der Bfin. dorthin verkauften Staubsaugern als eine Lieferung im Sinne der gesetzlichen Vorschrift anzusprechen, auch wenn das Parfüm kostenlos als Werbezugabe mit den Staubsaugern mitgeliefert wurde.
Da die Höhe der Abgabenforderung unbestritten ist, auch die Abgabenrechnung keinen Fehler zum Nachteil der Bfin. enthält, war die Rb., wie geschehen, als unbegründet mit der Kostenfolge aus § 307 der Reichsabgabenordnung zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 408855 |
BStBl III 1957, 371 |
BFHE 1958, 365 |
BFHE 65, 365 |