Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Verlust des ersten Wirtschaftsjahres eines neueröffneten Gewerbebetriebs mit vom Kalenderjahr abweichendem Wirtschaftsjahr darf nach § 10 a GewStG 1961 nur einmal abgezogen werden (siehe Gewerbesteuer-Richtlinien 1961 Abschnitt 68 Abs. 7).
Normenkette
GewStG § 10 Abs. 2, § 10a
Tatbestand
Zu entscheiden ist bei der Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags für den Erhebungszeitraum 1963, ob ein Gewerbebetrieb mit abweichendem Wirtschaftsjahr den Gewerbeverlust des ersten Wirtschaftsjahres einmal oder zweimal in den Folgejahren als Gewerbeverlust geltend machen kann.
Die Revisionsklägerin betreibt einen Brennstoffhandel seit dem 1. April 1961, dem Tag ihrer Gründung. Ihr Wirtschaftsjahr läuft vom 1. April bis zum 31. März des folgenden Jahres. Ihr erstes Wirtschaftsjahr schloß mit einem Verlust, das zweite mit einem Gewinn ab.
Das Finanzamt (FA) setzte die Gewerbesteuermeßbeträge nach dem Gewerbeertrag für die ersten beiden Erhebungszeiträume (Kalenderjahre, siehe § 10 Abs. 1 und 2 GewStG) 1961 und 1962 wegen des Verlustes im ersten Wirtschaftsjahr 1961/62 jeweils auf 0 DM fest. Den im zweiten Wirtschaftsjahr erzielten Gewinn erklärte die Revisionsklägerin als Gewerbeertrag für den dritten Erhebungszeitraum. Sie kürzte ihn nach § 10 a GewStG um die Fehlbeträge (Gewerbeverluste) des ersten und zweiten Erhebungszeitraums. Das FA erkannte jedoch bei der Veranlagung nur den Verlust des Wirtschaftsjahres 1961/62 (= Fehlbetrag des zweiten Erhebungszeitraums) als kürzungsfähig an. Es stützte seine Entscheidung auf Abschnitt 68 Abs. 7 GewStR 1961. Danach kann der im ersten Wirtschaftsjahr eines in die Steuerpflicht eingetretenen Unternehmens entstandene Verlust nur einmal gemäß § 10 a GewStG als Gewerbeverlust geltend gemacht werden.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) begründete seine in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 1966 S. 186, Nr. 199, veröffentlichte Entscheidung wie folgt. Der Zweck des § 10 a GewStG lasse nur die Anrechnung des tatsächlich entstandenen Verlustes zu. Durch § 10 a GewStG solle erreicht werden, daß ein Gewinn, der zum Ausgleich früherer Verluste dienen müsse, nicht der Gewerbesteuer unterworfen werde. Diesen Zweck erfülle es, wenn man diesen Verlust in der tatsächlich entstandenen Höhe zum Abzug zulasse. Auch sei der Revisionsklägerin durch die zweimalige Verwendung des Gewerbeertrages des ersten Wirtschaftsjahres als maßgebende Besteuerungsgrundlage für die ersten beiden Erhebungszeiträume nach § 10 Abs. 2 Satz 1 GewStG kein steuerlicher Nachteil entstanden, der durch Zulassung eines zweimaligen Verlustabzuges im dritten Erhebungszeitraum ausgeglichen werden müßte. Im Gegenteil sei wegen des im ersten Wirtschaftsjahr eingetretenen Verlustes in zwei Erhebungszeiträumen die Festsetzung eines Meßbetrages nach dem Gewerbeertrag unterblieben.
Mit der Rb. rügt die Revisionsklägerin unrichtige Anwendung des § 10 a GewStG. Sie meint, das FG verkenne, daß jede der beiden vorausgegangenen Gewerbesteuerveranlagungen die Ermittlung von Gewerbeerträgen vorausgesetzt habe. Etwas anderes wäre nur möglich gewesen, wenn die Ermittlung des Gewerbeertrages für den Erhebungszeitraum 1961 ähnlich wie § 215 AO eine Bindungswirkung für den Erhebungszeitraum 1962 ausgelöst hätte. Eine dem § 215 ähnliche Bestimmung gebe es aber zwischen einzelnen Erhebungszeiträumen nicht. Es seien daher zwei (negative) Gewerbeerträge zu ermitteln gewesen, die in den Folgejahren nach § 10 a GewStG als Fehlbeträge von den (positiven) Gewerbeerträgen hätten gekürzt werden müssen. Das sich folgerichtig aus dem Wortlaut des Gesetzes ableitende Ergebnis müsse auch dann hingenommen werden, wenn es unbefriedigend oder unbillig sei. Im vorliegenden Falle komme es aber zu keinem unbilligen Ergebnis. Auch der Gewinn des ersten Wirtschaftsjahres gelte nach § 10 Abs. 2 Satz 1 GewStG für zwei Erhebungszeiträume als Gewerbeertrag. Man dürfe diese Regelung nicht allein bei positiven Gewerbeerträgen anwenden, bei negativen Gewerbeerträgen aber anders entscheiden.
Entscheidungsgründe
Die am 28. Dezember 1965 eingelegte Rb. war nach Inkrafttreten der FGO (1. Januar 1966) als Revision zu behandeln. Sie ist unbegründet.
Das FG berücksichtigte zutreffend den Verlust des ersten Wirtschaftsjahres bei Festsetzung des Meßbetrages für den Gewerbeertrag des dritten Erhebungszeitraumes nur einmal. Die mit dieser Entscheidung übereinstimmende Regelung des Abschnitts 68 Abs. 7 GewStR 1961 fand die einhellige Billigung des Schrifttums (siehe Charlier, Abweichendes Wirtschaftsjahr bei der Gewerbesteuer, Neue Wirtschafts-Briefe - NWB -, Fach 5, S. 404; Lenski-Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, § 10 a Anmerkung 6; Müthling, Gewerbesteuergesetz, § 10 a Anmerkung 2; Blümich-Boyens-Steinbring-Klein, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 7. Auflage, 1961, § 10 a Anmerkung 6 Abs. 3).
Die vom FG getroffene Entscheidung rechtfertigt der Zweck des § 10 a GewStG, selbst wenn sein Wortlaut zu Zweifeln Anlaß geben sollte. Der Verlustabzug soll der Tatsache Rechnung tragen, daß die steuerliche Leistungsfähigkeit durch Verluste der Vorjahre beeinträchtigt ist. Diesen Zweck erfüllt der Abzug des tatsächlich entstandenen Verlustes. Ein weitergehender Verlustabzug ließe sich nicht vertreten.
Unzutreffend sind die Ausführungen in der Revisionsbegründung, man dürfe nicht die Auswirkungen der Regelung des § 10 Abs. 2 Satz 1 GewStG bei positiven Gewerbeerträgen hinnehmen, bei negativen aber anders entscheiden. Sie übersieht, daß § 10 Abs. 2 Satz 2 GewStG lediglich einen Ersatztatbestand schafft. Da der Betrieb bereits während zweier Erhebungszeiträume tatsächlich besteht und umgeht, ein maßgebender Gewerbeertrag im Sinne des § 10 Abs. 2 Satz 1 GewStG für den Erhebungszeitraum der Gründung aber nicht vorhanden ist, mußte ein Maßstab für die Bemessung des Meßbetrags und die Gewerbesteuer selbst während der Dauer des Bestehens des Betriebs im Erhebungszeitraum der Gründung besonders bestimmt werden. Die gewerbesteuerliche Belastung selbst ergibt sich noch aus der Heranziehung des § 11 Abs. 5 GewStG. Die übertragung des Gewinns auf einen späteren Veranlagungszeitraum und damit eine Doppelbesteuerung verbindet sich mit dieser Sonderregelung des Gesetzes nicht. Dann ist es auch nicht vertretbar, den Verlust mehr als einmal zum Abzug zuzulassen. Ferner rügt die Revisionsklägerin zu Unrecht, das FG habe übersehen, daß die Gewerbesteuerveranlagungen für den ersten wie für den zweiten Erhebungszeitraum Ermittlungen der Gewerbeerträge voraussetzten. Der Gewerbeertrag für die ersten beiden Erhebungszeiträume wird nur einmal ermittelt, ohne daß es einer Bindung ähnlich wie die des § 215 AO bedarf. Diese Ertragsermittlung ist maßgebend für den ersten Erhebungszeitraum nach § 10 Abs. 2 Satz 2 GewStG, für den zweiten nach § 10 Abs. 2 Satz 1 GewStG. Sie beruht für beide in Betracht kommende Erhebungszeiträume auf demselben Ertragsermittlungszeitraum. Sie kann demnach auch nur denselben Ertrag betreffen. Gleiches gilt für den negativen Ertrag, den Verlust. Dieser kann daher auch nur als solcher, nicht als Maßstab für die Gewerbesteuer der ersten beiden Erhebungszeiträume nach § 10 a GewStG berücksichtigt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 412283 |
BStBl III 1966, 684 |
BFHE 1967, 36 |
BFHE 87, 36 |
StRK, GewStG:10 R 4 |