Leitsatz (amtlich)
Ob ein Reisebüro, das Fahrten im Ausflug- und Mietwagenverkehr in der Weise veranstaltet, daß es die Beförderungen durch andere Beförderungsunternehmer ausführen läßt, Betriebsunternehmer oder Vermittler für die Beförderungsleistung ist, hängt von der bürgerlich-rechtlichen Vertragsgestaltung mit den anderen Unternehmern und mit den Fahrgästen ab.
Jedes Entgelt, das vom Fahrgast entrichtet werden muß und in einem nicht nur äußeren Zusammenhang mit der Fahrleistung steht, gehört zum Beförderungspreis.
BefStG vom 29. Juni 1926 (RGBl 1926 I S. 357) unter Berücksichtigung des BefStändG vom 2. Juli
Normenkette
BefStG § 5 Abs. 1
Tatbestand
Der Bf. ist Inhaber eines Reisebüros, das mit dem Omnibus oder der Eisenbahn sogenannte Gesellschafts- und Pauschalreisen zu Ferienzielen im In- und Ausland und auch Rundfahrten, Betriebs- und Schulausflüge, Vereinsfahrten und ähnliche Fahrten veranstaltet. In der streitigen Zeit vom 1. Juli 1950 bis 31. Oktober 1953 wurden die vom Bf. veranstalteten Omnibusfahrten, die allein Gegenstand des Rechtsstreits sind, im wesentlichen mit Hilfe von Fremdunternehmern ausgeführt; erst ab 1. April 1953 setzte der Bf. auch einen eigenen Omnibus für solche Fahrten ein. Er besaß verkehrsrechtliche Genehmigungen für den Ausflug- und Mietwagenverkehr, und zwar ab 28. Februar 1951 mit bestimmten, fremden Fahrzeughaltern gehörigen Omnibussen, ab 5. Mai 1953 zusätzlich auch noch mit dem eigenen Omnibus und ab 25. Juni 1953 mit dem eigenen und mit allen zum Ausflug- und Mietwagenverkehr zugelassenen Omnibussen von näher bestimmten Omnibusunternehmen. In den dem Finanzamt eingereichten Nachweisungen zur Festsetzung der Beförderungsteuer gab der Bf. als Beförderungsentgelt nicht den Betrag an, den er von den Fahrgästen erhielt, sondern einen gekürzten Betrag. Die Kürzung betrug bei den Gesellschafts- und Pauschalreisen 20 v. H. und bei den Betriebs-, Vereins- und Schulausflügen 10 v. H. Der Bf. vertritt unter Berufung auf die Entscheidung des Reichsfinanzhofs V 31/40 vom 4. Februar 1943 (RStBl 1943 S. 221) die Ansicht, daß in dem Entgelt der Fahrgäste nicht nur der Fahrpreis enthalten sei, sondern auch der nur umsatzsteuerlich zu erfassende Preis für die Nebenleistungen des Reisebüros. Als solche Nebenleistungen sieht der Bf. an: vor der Saison die Erkundung einer landschaftlich schönen, auch für Omnibusse befahrbaren Strecke, die Festlegung von Haltepunkten, die Planung von Ortsbesichtigungen, die Bereitstellung von Fremdenführern, die Absprache mit Hoteliers und Gastwirten, ferner vor Beginn jeder Fahrt die Benachrichtigung sämtlicher Stellen, die von der Reisegesellschaft in Anspruch genommen werden, z. B. der Fremdenführer und Gastwirte, und während der Fahrt die Gestellung eines Reiseleiters. Die pauschale Berechnung der Nebenleistungen sei nach Meinung des Bf. die allein wirtschaftlich vertretbare; sie entspreche auch guten kaufmännischen Sitten. Der Bf. kommt damit beispielsweise zu folgenden Berechnungen:
a) Pauschalreise: Entgelt des Teilnehmers ------------------- 16,00 DM in der Beförderungsteuer- Nachweisung aufgeführt ----- 80 v. H. = 12,80 DM als Nebenleistung behandelt - 20 v. H. = 3,20 DM.Von dem Betrag von 12,80 DM erhält der die Fahrt durchführende Fremdomnibusunternehmer werktags 9,50 DM. Aus dem Unterschiedsbetrag von 3,30 DM zahlt der Bf. die Beförderungsteuer; den Rest sieht er als seinen Verdienst aus der Fahrleistung an.
b) Betriebs-, Vereins- oder Schulausflugsfahrt: Entgelt der Teilnehmer --------------------- 100,00 DM in der Beförderungsteuer- Nachweisung aufgeführt ----- 90 v. H. = 90,00 DM als Nebenleistung behandelt 10 v. H. = 10,00 DM.Der Fremdomnibusunternehmer erhält 80 DM. Aus dem Unterschiedsbetrag von 10 DM zahlt der Bf. die Beförderungsteuer; den Rest sieht er wiederum als Verdienst aus der Fahrleistung an.
Das Finanzamt beanstandete anläßlich einer Betriebsprüfung die Kürzungen und ermittelte außerdem einen höheren als den angemeldeten Umsatz; es forderte auf Grund seiner Feststellungen Beförderungsteuer in Höhe von 23.524,65 DM nach. Hiervon entfielen auf die erwähnten Kürzungen für Nebenleistungen 9.647,94 DM. Auf den Einspruch des Bf. ermäßigte das Finanzamt seine Forderung, soweit sie auf die Kürzungen für Nebenleistungen entfiel, auf 8.239,14 DM, im übrigen wies es den Einspruch mit der Begründung zurück, das Gesamtentgelt der Fahrgäste sei der Beförderungsteuer zugrunde zu legen, da auch diese Nebenleistungen Teil der Beförderungsleistung seien, was insbesondere für Tagesausflüge gelte. Als echte, d. h. nicht Teil der Beförderungsleistung bildende Nebenleistungen erkannte das Finanzamt lediglich das Entgelt für Verpflegung, übernachtung, Trinkgelder, Eintrittsgelder, Aufenthaltssteuern sowie Gebühren für Reisepässe und Devisenbesorgung an. Mit der hiergegen eingelegten Berufung hat der Bf. wiederum die Anerkennung auch der übrigen Nebenleistungen als nicht zur Beförderungsleistung gehörend begehrt.
Das Finanzgericht hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der Rb. beantragt der Bf. die Aufhebung der Vorentscheidungen und die anderweitige Festsetzung der Steuer.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht.
I. - Der Bf. rügt als Verfahrensmangel, daß über seinen Antrag vom 4. Januar 1958 auf Anordnung einer mündlichen Verhandlung nicht entschieden worden sei. Diese Rüge ist begründet. Der erkennende Senat hat im Urteil II 293/58 U vom 28. Juni 1961 (BStBl 1961 III S. 411) unter Hinweis auf zwei Urteile des IV. Senats und in Erweiterung der in diesen Urteilen festgestellten Grundsätze ausgesprochen, daß das übersehen eines Antrags auf mündliche Verhandlung stets einen wesentlichen Verfahrensmangel darstellt. An dieser Auffassung wird festgehalten. Die angefochtene Entscheidung, bei der offenbar ein derartiges übersehen vorliegt, ist daher aufzuheben. Im Hinblick auf die Aufhebung der Entscheidung aus diesem Grunde erübrigt sich eine Stellungnahme zu dem von dem Bf. behaupteten weiteren Verfahrensmangel der Verletzung des rechtlichen Gehörs, den er darin sieht, daß ihm das Finanzgericht keine Gelegenheit zur Stellungnahme auf die Erwiderung des Finanzamts zu seiner Berufung gegeben habe.
II. - Das Finanzgericht geht stillschweigend davon aus, daß der Bf. auch Unternehmer im Sinne des BefStG sei, soweit die Beförderungen von den Fremdunternehmern ausgeführt worden sind. Demgegenüber machte der Bf. unter Hinweis auf seine Reisebedingungen geltend, er sei nur als Vermittler aufgetreten. Das Finanzgericht hätte daher seine gegenteilige Meinung begründen müssen. Ob der Bf. Vermittler oder selbst Unternehmer hinsichtlich der Beförderungsleistungen war, hängt im wesentlichen von der Vertragsgestaltung mit den Fremdunternehmern ab, die aus den Akten nicht zu entnehmen ist, so daß der Senat in dieser Beziehung dem Finanzgericht nicht ohne weiteres folgen kann. Sollte das Finanzgericht bei der noch vorzunehmenden Prüfung feststellen, daß der Bf. mit den Fremdunternehmern einen Unterbeförderungs-, Miet- oder ähnlichen Vertrag abgeschlossen hat, so wäre der Bf. selbst der Beförderungsunternehmer (vgl. auch Urteil des Reichsfinanzhofs V A 900/26 vom 12. Juli 1927, Slg. Bd. 21 S. 306; Urteil des Bundesfinanzhofs II 202/57 U vom 19. Juli 1961, BStBl 1961 III S. 450, 453; Klein, Beförderungsteuer und Umsatzsteuer bei Gestellung bemannter Fahrzeuge und bei Unterbeförderungsverträgen, Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe A, 1956 S. 349, Abschn. A und C II 3), denn er entfaltet dann dem Fahrgast gegenüber die der Raumüberwindung dienende Tätigkeit, die Omnibusunternehmer wären dann nur seine Erfüllungsgehilfen. Bedienten sich dagegen die Omnibusunternehmer der Dienste des Bf., um Fahrgäste zu erhalten, so wären sie die Beförderungsunternehmer, der Bf. wäre nur Vermittler (vgl. dazu auch Urteil des Bundesfinanzhofs V 285/57 U vom 2. Juli 1959, BStBl 1959 III S. 358, Slg. Bd. 69 S. 255). Es kommt somit allein darauf an, ob bürgerlich-rechtlich unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen den Fahrgästen und dem Omnibusunternehmer begründet worden sind, denn entgegen der im Runderlaß des Bundesministers der Finanzen vom 22. März 1960 IV A/4 - S 6738 - 2/60; IV A/2 - S 4142 - 560 Umsatzsteuer-Kartei S 4142 Karte 54 Abschn. I Nr. 2 = Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe B, 1960 S. 148, Umsatzsteuer-Rundschau 1960 S. 86) für das BefStG 1955 zu Recht vertretenen Ansicht, daß die umsatzsteuerlichen Grundsätze für die Entscheidung der Frage maßgebend sind, ob ein Beförderungsvertrag zwischen den Fahrgästen und dem Reisebüro oder dem Omnibusunternehmer zustande gekommen ist, stellte es das BefStG 1926 auf die Rechtslage nach bürgerlichem Recht ab. Dabei wird das Finanzgericht zu berücksichtigen haben, daß es nach den bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen nicht erforderlich ist, daß die Fahrgäste den jeweiligen Vertrag zwischen dem Bf. und dem Omnibusunternehmer oder auch nur den Namen des Unternehmers kennen. Entscheidend ist, daß sie wissen, der Bf. trete nur als Vertreter für einen Dritten, nicht im eigenen Namen auf (vgl. Urteil des Reichsgerichts VI 350/32 vom 2. März 1933, Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 140 S. 336, 338, und Urteil des Bundesgerichtshofs VIII ZR 216/56 vom 16. April 1957, Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, § 164 BGB Nr. 10). Der Bf. hat die Fahrgäste durch einen Hinweis in seinem Reiseprospekt darauf aufmerksam gemacht, daß er bei allen Veranstaltungen nur als Vermittler unter anderen der Transportgesellschaften und Omnibusunternehmer auftritt. Widerspricht die übrige Vertragsgestaltung mit den Fahrgästen und die Vertragsgestaltung mit den Omnibusunternehmern diesem Hinweis nicht, so wäre davon auszugehen, daß der Bf. nicht selbst Beförderungsunternehmer, sondern Vermittler ist. Es wäre dann auch gleichgültig, ob die Fahrgäste erfahren, welchen Beförderungspreis der Omnibusunternehmer erhält, es würde genügen, daß sie den Gesamtpreis kennen (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V 31/40 vom 4. Februar 1943, und Urteile des Bundesfinanzhofs V 285/57 U vom 2. Juli 1959 sowie II 79/56 U vom 3. Oktober 1956, BStBl 1956 III S. 348, Slg. Bd. 63 S. 391). Ohne Bedeutung für die Beurteilung wäre dann auch die Tatsache, daß der Bf. seit Jahren die Beförderungsteuer an das Finanzamt abgeführt hat.
Sollte das Finanzgericht aber in tatsächlicher Hinsicht feststellen, daß der Bf. selbst Beförderungsunternehmer ist, wird es wieder davon auszugehen haben, daß als Preis für die Beförderung der Fahrgäste der Betrag anzunehmen ist, den der Fahrgast aufwenden muß, um die Beförderungsleistung vom Bf. zu erhalten. Bedingt durch die Beförderungsleistung sind alle Leistungen, die in einem nicht nur äußeren Zusammenhang mit ihr stehen (vgl. das bereits erwähnte Urteil des Senats II 79/56 U vom 3. Oktober 1956); dies wird außer für die eigentlichen Transportkosten, Löhne und sonstigen Kosten für das Fahrpersonal auch für die Kosten der Werbung, der Erkundung der Strecke, der Verständigung der Straßenpolizeibehörden bei umfangreichen Transporten usw. zu gelten haben. Wegen des nur äußeren Zusammenhangs mit der Beförderung ist nicht zum Beförderungspreis zu rechnen das Entgelt für sonstige, nicht notwendig mit der Beförderung verbundene Leistungen, z. B. die Gewährung von Getränken, Verpflegung, Unterkunft, Reisebegleitung und die Durchführung von Besichtigungen. Unerheblich ist auch hier, ob diese Nebenleistungen im Gesamtpreis enthalten sind oder gesondert aufgeführt werden. Zu beachten ist bei der Gewährung solcher Nebenleistungen allerdings, daß es nicht angeht, sämtliche darauf entfallenden Unkosten von dem für die Beförderungsleistung kalkulierten Preis abzusetzen. Im allgemeinen wird der Bf. von den Fahrgästen für derartige, nach den oben dargelegten Grundsätzen nicht zu der Beförderungsleistung gehörende Nebenleistungen ein höheres Entgelt verlangen, als er selbst an die Gastwirte, Reisebegleiter oder örtlichen Fremdenführer zu zahlen hat. Der Unterschiedsbetrag wird im Normalfall ausreichen, die Unkosten für die Bereitstellung dieser Nebenleistungen abzudecken und einen angemessenen Gewinn zu erzielen. Sollte der Bf. den Beweis erbringen können, daß in dem von ihm dem Fahrgast in Rechnung gestellten Beförderungspreis auch Unkosten für derartige Nebenleistungen miteinkalkuliert worden sind, wird das Entgelt, das der Fahrgast für die reinen Fahrkosten laut Vertrag zu zahlen hat, entsprechend zu kürzen sein, um den Preis zu ermitteln, der für die Beförderung gemäß § 5 Abs. 1 BefStG vom 29. Juni 1926 unter Berücksichtigung des Gesetzes zur änderung des Beförderungsteuergesetzes vom 2. Juli 1936 zu entrichten ist. Sollte die Ermittlung des Beförderungspreises allerdings mit Schwierigkeiten verbunden sein, dürfte es sich empfehlen, die Steuer gemäß § 7 Nr. 7 der Verordnung zur änderung von Vorschriften über die Durchführung des Beförderungsteuergesetzes vom 18. April 1951 (BStBl 1951 I S. 107) zu berechnen.
Fundstellen
Haufe-Index 410302 |
BStBl III 1962, 118 |
BFHE 1962, 306 |
BFHE 74, 306 |