Leitsatz (amtlich)
Eheleute, die am Beschäftigungsort in einer familiengerechten Wohnung einen eigenen Hausstand unterhalten, führen im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG keinen doppelten Haushalt, wenn in der beibehaltenen früheren Familienwohnung eine von den Eheleuten unterstützte Angehörige lebt, die die minderjährige Tochter der Eheleute versorgt und erzieht.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, Abs. 1 Nr. 5
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und seine Ehefrau leben seit Anfang 1970 in der Bundesrepublik. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1971 beantragte der Kläger, Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung im Gesamtbetrag von 5 827 DM als Werbungskosten zu berücksichtigen. Dieses Begehren begründete der Kläger damit, daß er in Jugoslawien weiterhin einen eigenen Hausstand unterhalte. In diesem wohne seine von ihm unterstützte Mutter, die über kein eigenes Einkommen verfüge. Bei seiner Mutter habe bis Juni 1971 seine minderjährige Tochter gelebt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) hat die vom Kläger geltend gemachten Mehraufwendungen infolge doppelter Haushaltsführung nicht als Werbungskosten anerkannt. Wegen des auf Dauer angelegten Aufenthalts des Klägers und seiner Ehefrau in der Bundesrepublik Deutschland könne nicht angenommen werden, daß er in Jugoslawien einen eigenen Hausstand unterhalte.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG hat ausgeführt: Mittelpunkt der Lebensführung des Klägers sei im Streitjahr 1971 A. in der Bundesrepublik gewesen, wo er und seine Ehefrau einen gemeinsamen Hausstand unterhalten hätten und wo die Eheleute auch ihrer Arbeit nachgegangen seien. Nur dort habe sich vom Kläger maßgeblich bestimmtes und mitgetragenes hauswirtschaftliches Leben vollziehen können. Hieran ändere nichts, daß der Kläger vor seinem Wegzug nach Deutschland in Jugoslawien zusammen mit seiner Mutter in einer gemeinsamen Wohnung einen Haushalt geführt habe. Nach seinem Zuzug in die Bundesrepublik Anfang 1970 habe der Kläger nicht mehr in nachhaltiger und bestimmender Weise an dem von seiner Mutter fortgeführten Haushalt mitwirken und teilhaben können. Der Umstand, daß sich sein Kind noch bis Juni 1971 bei der Mutter des Klägers in Jugoslawien aufgehalten habe, ändere daran nichts. Die Annahme eines fortbestehenden eigenen Hausstandes des Klägers in Jugoslawien könne auch nicht darauf gestützt werden, daß der Kläger im Streitjahr Zahlungen an seine unterstützungsbedürftige Mutter geleistet habe, um ihr die Beibehaltung der Wohnung und die Fortführung des Haushalts zu ermöglichen.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG. Die Feststellung des FG, er beteilige sich nicht mehr an dem hauswirtschaftlichen Leben des Hausstandes in Jugoslawien, treffe nicht zu. Er betrachte seinen Aufenthalt in der Bundesrepublik nur als vorübergehend und nütze jede Gelegenheit, um nach Hause zu fahren. Er habe seinen Haushalt in Jugoslawien nicht aufgelöst, da er jederzeit damit rechnen müsse, die Bundesrepublik wieder zu verlassen. Das Unterhalten von zwei Hausständen sei im Streitfall allein durch berufliche Gründe bedingt. Die vom BFH im Urteil vom 16. November 1971 VI R 353/69 (BFHE 103, 501, BStBl II 1972, 132) für die doppelte Haushaltsführung bei Unverheirateten entwickelten Grundsätze seien auf den vorliegenden Sachverhalt entsprechend anzuwenden. Er habe vor Aufnahme seiner Beschäftigung in der Bundesrepublik mit von ihm abhängigen Angehörigen einen eigenen Hausstand unterhalten, diesen auch nach Aufnahme seiner Tätigkeit in der Bundesrepublik beibehalten und die Kosten für den Unterhalt seines Kindes und seiner Mutter getragen. Er nutze jede Möglichkeit zu einer Fahrt in seine Heimat und fahre jährlich mehrere Male nach Jugoslawien.
Der Kläger beantragt, Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung in Höhe von 5 827 DM als Werbungskosten anzuerkennen; hilfsweise beantragt er, unter Hinweis auf das Urteil des Senats vom 10. August 1962 VI 138/61 U (BFHE 75, 554, BStBl III 1962, 470) die Kosten für die Fahrten zur Pflege der Wohnung in Jugoslawien sowie die Mietkosten für die dort beibehaltene Wohnung als Werbungskosten anzuerkennen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer aus Anlaß einer doppelten Haushaltsführung entstehen, sind gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG 1971 (§ 20 Abs. 2 Nr. 3 LStDV) Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach der gesetzlichen Definition vor, wenn ein Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt (§ 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG, § 20 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 LStDV; vgl. auch Abschn. 26 Abs. 5 LStR 1972). Diese Begriffsbestimmung geht davon aus, daß der Arbeitnehmer am Beschäftigungsort wohnt, einen eigenen Hausstand jedoch nicht am Beschäftigungsort, sondern an einem anderen Ort unterhält. Es müssen also der Ort des eigenen Hausstandes und der Beschäftigungsort auseinanderfallen. Diese Auslegung erscheint von der Sache her gerechtfertigt. Denn nur dann, wenn ein Arbeitnehmer getrennt von seiner Familie und seinem Hausstand an seinem Beschäftigungsort wohnt, tritt eine Aufsplitterung der üblicherweise einheitlichen Haushaltsführung auf zwei verschiedene Haushalte ein, die die Anerkennung der sich hieraus ergebenden Mehraufwendungen als Werbungskosten rechtfertigt. Eine doppelte Haushaltsführung liegt danach nicht vor, wenn ein Arbeitnehmer an seinem Beschäftigungsort in einer für die Unterbringung der Familie geeigneten Wohnung einen eigenen Hausstand unterhält und daneben noch die bisherige Familienwohnung an einem früheren Beschäftigungsort beibehält. An dieser Rechtsauffassung, die zuletzt im Urteil vom 21. Januar 1972 VI R 95/71 (BFHE 104, 193, BStBl II 1972, 262) vertreten wurde und die auch der Vorentscheidung zugrunde liegt, hält der Senat weiterhin fest.
Das FG hat in Anwendung dieser Grundsätze die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen zu Recht nicht unter dem Gesichtspunkt der doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten anerkannt. Im Streitfall liegt eine doppelte Haushaltsführung nicht vor, weil der Kläger bereits im Streitjahr am Beschäftigungsort zusammen mit seiner Ehefrau einen eigenen Hausstand unterhielt. Hier lebte der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau in häuslicher Gemeinschaft. Von hier aus gingen die Eheleute ihrer Arbeit nach. Hier lebte ab Juni des Streitjahres auch die Tochter der Eheleute. Hier befand sich mithin der neue Mittelpunkt der Lebensinteressen für die Familie des Klägers. Dem steht nicht entgegen, daß der Kläger - wie er behauptet - seinen Aufenthalt in der Bundesrepublik nur als vorübergehend betrachtet. Der Umstand, daß der Kläger in seinem Beschäftigungsort in der Bundesrepublik eine Wohnung genommen hat, daß er seine Frau sogleich mitgenommen und seine minderjährige Tochter hat nachkommen lassen, bestätigt die Auffassung des FG, daß der Kläger im Streitjahr den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in der Bundesrepublik hatte.
An dieser Beurteilung ändert auch der Umstand nichts, daß sich das Kind des Klägers noch bis Juni des Streitjahres bei der Großmutter in Jugoslawien aufhielt. Dadurch, daß Eltern ihr minderjähriges Kind bei dessen Großmutter unterbringen, tritt nicht eine Aufsplitterung des Haushalts der Eltern in zwei Haushalte mit der Wirkung ein, daß die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung gegeben wären. Es entspricht vielmehr der natürlichen Betrachtungsweise, davon auszugehen, daß das Kind in den Haushalt der Großmutter aufgenommen wurde.
Eine Aufspaltung der einheitlichen Haushaltsführung läßt sich im Streitfall auch nicht darauf stützen, daß der Kläger im Streitjahr Zahlungen an seine unterstützungsbedürftige Mutter geleistet hat, um dieser die Beibehaltung der Wohnung, die Fortführung des Haushalts und die Übernahme der Sorge für sein Kind zu ermöglichen. Der Annahme eines eigenen Hausstandes des Klägers in Jugoslawien steht entgegen, daß er nach seinem Zuzug in die Bundesrepublik nicht mehr persönlich in nachhaltiger und bestimmender Weise an dem von seiner Mutter fortgeführten Haushalt mitgewirkt hat. Die Unterstützungsleistungen des Klägers an seine Mutter hat das FA gemäß § 33 a EStG im Rahmen der gesetzlichen Höchstgrenze als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt.
Auch das Begehren des Klägers, die Fahrten zur Pflege der Wohnung in Jugoslawien sowie die Miete für die dortige Wohnung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG als Werbungskosten anzuerkennen, ist unbegründet. Bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 EStG sind Werbungskosten die Aufwendungen, die zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung des Arbeitslohns (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG, § 20 Abs. 2 LStDV) dienen. Dazu rechnen die Aufwendungen, die die Ausübung des Berufs mit sich bringt, nur insoweit, als die Aufwendungen nach der Verkehrsauffassung nicht durch die allgemeine Lebensführung bedingt sind (§ 12 Nr. 1 EStG). Die Kosten für die Unterhaltung einer zweiten Wohnung sind typische Kosten der Lebenshaltung, die nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden dürfen. Dies verkennt der Kläger, wenn er die Kosten für die Unterhaltung und Pflege seiner Wohnung in Jugoslawien als beruflich veranlaßt ansieht.
Fundstellen
Haufe-Index 71363 |
BStBl II 1975, 459 |
BFHE 1975, 23 |