Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Der eine Fahrschule betreibende Kraftfahrlehrer wird regelmäßig nicht schon durch Beschäftigung eines voll ausgebildeten Kraftfahrlehrers im Angestelltenverhältnis zum Gewerbetreibenden.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 1; EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 15/1
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Inhaber einer Kraftfahrschule. Bis 1953 hat er den Unterricht allein erteilt. Im Herbst dieses Jahres hat er seinen Schwiegersohn, der nach Ablegung der Fahrlehrerprüfung Ende September 1953 den Fahrlehrerschein für die Klassen I und III erhalten hatte, im Angestelltenverhältnis als Fahrlehrer eingestellt. Seitdem erteilen der Bf. und sein Schwiegersohn den Unterricht im Fahren, während die Tochter des Bf. als Lehrerin im Unterrichtsraum tätig ist.
Auf Grund dieses Sachverhaltes hat das Finanzamt den Bf., den es bisher als freiberuflich tätig behandelt hatte, mit Wirkung vom 1. November 1953 zur Gewerbesteuer herangezogen. Der Bf. habe durch Beschäftigung eines weiteren Fahrlehrers seine Arbeitskraft vervielfältigt und sei dadurch zum Gewerbetreibenden geworden.
Mit der Sprungberufung hat der Bf. hiergegen im wesentlichen folgendes geltend gemacht: Für die Einstellung seines Schwiegersohnes sei der Wunsch maßgebend gewesen, daß er und dessen Ehefrau, sein (des Bf.) einziges Kind, in die Lage versetzt würden, später einmal die Fahrschule zu übernehmen. Es müsse unter diesen Umständen die Möglichkeit bestehen, daß der in Aussicht genommene Nachfolger sich mit dem Fahrschulbetrieb vertraut mache, ohne daß daraus für ihn (Bf.) als jetzigen Inhaber steuerliche Nachteile erwüchsen. Im übrigen stehe er auf der Schwelle des Alters und brauche auch einen Vertreter in Krankheitsfällen.
Das Finanzgericht hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen und im wesentlichen folgendes ausgeführt: Die Tätigkeit eines Kraftfahrlehrers gehöre an sich zur unterrichtenden Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und unterliege daher nicht der Gewerbesteuer. Ausschlaggebend für den Begriff der freien Berufstätigkeit im Sinne des EStG sei aber, daß diese hauptsächlich auf der persönlichen Arbeitskraft des Berufsträgers beruhe. Reiche diese für die Bewältigung der anfallenden Arbeiten nicht aus und beschäftige der Berufsträger Angestellte, die durch ihre, derjenigen des Berufsträgers gleichartige Tätigkeit dessen Arbeitskraft wenigstens teilweise ersetzten oder vervielfachten, so sei die Grenze der freien Berufstätigkeit überschritten; der freie Beruf werde dann zum Gewerbe. Der dahingehenden ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs schließe sich das Gericht an. Ob durch die Beschäftigung von fremden Arbeitskräften die Grenze der freiberuflichen Tätigkeit überschritten sei, sei eine Frage der freien Beweiswürdigung und nach den Verhältnissen des einzelnen Falles zu entscheiden. Selbst die Beschäftigung von vorgebildeten Arbeitskräften könne unter Umständen unschädlich sein, wenn die Verwendung der Hilfskräfte einen begrenzten Umfang nicht überschreite. So sei im Streitfall die Beschäftigung der Tochter als Lehrerin im Unterrichtsraum unschädlich. Sie sei nicht im praktischen Fahrbetrieb tätig und offensichtlich keine vollwertige Lehrkraft.
Die Beschäftigung des Schwiegersohnes könne dagegen nicht mehr als unschädlich bezeichnet werden. Dieser sei nach Ablegung seiner Fahrlehrerprüfung vollwertiger Fahrlehrer geworden, der sich nach dem damals geltenden Rechtszustand auch jederzeit habe selbständig machen können. Er sei im Betrieb der Fahrschule des Bf. diesem völlig gleichgeordnet. Jeder von beiden habe seine Fahrschüler, die er ausbilde und dem amtlichen Prüfer vorführe. Der Schwerpunkt der Berufsausübung müsse aber trotz der Beschäftigung von Hilfskräften nach wie vor beim Berufsträger liegen. Der Anteil der voll ausgebildeten Hilfskraft an der Gesamttätigkeit dürfe dem des Berufsträgers nicht gleichstehen. Die persönliche Arbeitskraft des Berufsträgers müsse überwiegen und auch für den auf die voll ausgebildete Hilfskraft entfallenden Anteil an der Gesamtarbeit entscheidend bleiben. Bei Fahrlehrern könne man im übrigen nicht, wie bei steuerberatenden Berufen und beratenden Ingenieuren, die Beschäftigung einer qualifizierten Hilfskraft als für die Ausübung einer freiberuflichen Tätigkeit unschädlich ansehen. Diese Berufe müßten mehrere Hilfskräfte für untergeordnete Arbeiten beschäftigen. Aus diesem Grunde sei bei ihnen die Beschäftigung eines vorgebildeten Mitarbeiters schon für notwendig werdende Vertretungen geboten. Das sei aber bei Fahrlehrern nicht der Fall.
Es würde im übrigen zu falschen Ergebnissen führen, die mit der Verkehrsauffassung nicht im Einklang stünden, wollte man dem Schwiegersohn eines freiberuflich Tätigen unter Verhältnissen, wie sie im Streitfall bestünden, eine Sonderstellung einräumen. Die verwandtschaftlichen Beziehungen zu dem Bf. mögen bei der Einstellung des Fahrlehrers eine wesentliche Rolle gespielt haben. Der Bf. möge auch bei seinem fortgeschrittenen Alter den Wunsch gehabt haben, in seinem Schwiegersohn sich einen Nachfolger für die Leitung der Fahrschule heranzubilden. Alle diese Erwägungen änderten aber nichts an der Tatsache, daß im Streitfall die Arbeitskraft des Berufsträgers durch die nun schon seit Jahren im Angestelltenverhältnis beschäftigte Hilfskraft ersetzt und verdoppelt werde.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist begründet.
Das Finanzgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß es sich bei der Tätigkeit des Bf. um eine unterrichtende im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG handelt und daß er deshalb an sich zu den Angehörigen eines freien Berufes zu rechnen ist (vgl. das Urteil des Senats IV 601/55 U vom 27. September 1956, BStBl 1956 III S. 334, Slg. Bd. 63 S. 357). Die Vorinstanz hat daher mit Recht ihre Entscheidung darauf abgestellt, ob der Bf. nach der von der Rechtsprechung entwickelten sogenannten Vervielfältigungstheorie durch die Beschäftigung von Hilfskräften zum Gewerbetreibenden geworden ist. Der Senat hat in dem grundlegenden Urteil IV 668/55 U vom 7. November 1957 (BStBl 1958 III S. 34, Slg. Bd. 66 S. 85) auch gegenüber den im Schrifttum erhobenen Einwendungen an den durch die bisherige Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen der Vervielfältigungstheorie festgehalten.
Hiernach ist es nicht zu beanstanden, wenn das Finanzgericht die Beschäftigung der Tochter des Bf. als einer offensichtlich nicht vollwertigen Lehrkraft für steuerlich unschädlich erachtet hat. Dagegen kann der Vorentscheidung darin nicht gefolgt werden, daß sie in der Tätigkeit des Schwiegersohnes eine steuerschädliche Vervielfältigung der Arbeitskraft des Bf. erblickt hat. Eine gewerbliche Tätigkeit des Berufsträgers wird nach der Vervielfältigungstheorie grundsätzlich nicht angenommen, wenn nur eine vorgebildete Hilfskraft beschäftigt wird, weil sie dem Berufsträger schon aus Gründen der Vertretung zuzugestehen ist (vgl. das vorerwähnte Urteil des Senats). Das Finanzgericht meint allerdings, daß von diesem Grundsatz bei Kraftfahrlehrern eine Ausnahme zu machen sei, d. h. daß bei diesen schon die Beschäftigung eines angestellten Fahrlehrers die Gewerbesteuerpflicht auslöse (vgl. auch das Urteil des Reichsfinanzhofs VI 361/38 vom 26. Oktober 1938, RStBl 1939 S. 286). Wenn es im Rechtssatz des angeführten Urteils IV 601/55 U vom 27. September 1956 heißt, daß der allein tätige Kraftfahrlehrer nicht Gewerbetreibender sei, so ist doch zu der vorbezeichneten Frage in der Urteilsbegründung keine Stellung genommen worden, weil in dem dortigen Fall, in dem keine anderen Lehrer beschäftigt worden sind, dazu keine Veranlassung bestanden hat. Der Senat trägt jedoch im Gegensatz zu der Auffassung der Vorentscheidung und des Reichsfinanzhofs keine Bedenken, auch bei Kraftfahrlehrern, die Inhaber von Fahrschulen sind, wie bei anderen freien Berufen die Beschäftigung einer qualifizierten Hilfskraft, d. h. hier eines zweiten Fahrlehrers, noch als steuerunschädlich zu behandeln. Gerade für den Betrieb einer Fahrschule ist es wesentlich, Unterbrechungen der Ausbildung der Fahrschüler durch Erkrankung oder sonstige Verhinderung des unterrichtenden Schulinhabers zu vermeiden. Es muß diesem daher die Möglichkeit einer Vertretung durch einen zweiten Fahrlehrer zugestanden werden, ohne daß dadurch seine Gewerbesteuerpflicht ausgelöst wird. Es erscheint dem Senat nicht angängig, wie das Finanzgericht meint, die Beschäftigung eines qualifizierten Mitarbeiters nur dann als steuerunschädlich anzusehen, wenn dabei die persönliche Arbeitskraft des Berufsträgers überwiegt; denn eine dahingehende Feststellung wäre mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden und würde unter Umständen zu in den einzelnen Steuerabschnitten wechselnden Ergebnissen führen.
Da schon nach den vorstehenden Erwägungen der Bf. durch die Beschäftigung des Schwiegersohnes nicht die Grenzen der freien Berufstätigkeit überschritten hat, braucht nicht geprüft zu werden, ob etwa hierbei auch dem Umstand Bedeutung zukommt, daß der Schwiegersohn nach dem Vorbringen des Bf. dazu ausersehen ist, später einmal die Fahrschule zu übernehmen.
Hiernach war die Vorentscheidung wegen Rechtsirrtums aufzuheben. Der Bf. war unter gleichzeitiger Aufhebung des angefochtenen Steuermeßbescheides von der Gewerbesteuer 1953 freizustellen.
Fundstellen
Haufe-Index 409375 |
BStBl III 1959, 275 |
BFHE 1960, 36 |
BFHE 69, 36 |