Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Steuerberatungskosten sind bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch schon vor dem 1. Januar 1965 als Werbungskosten abzugsfähig, soweit sie zur Erzielung dieser Einkünfte aufgewendet wurden.
Soweit die von Arbeitnehmern bezahlten Steuerberatungskosten für das Ausfüllen der Einkommensteuererklärung oder anderer der Einkommensbesteuerung dienenden Vordrucke gezahlt werden, sind sie als Kosten der Lebenshaltung nicht abzugsfähig.
Normenkette
EStG § 9/1, § 12 Nr. 1
Tatbestand
Der Steuerpflichtige, der bis zum 31. Mai 1959 selbständiger Handelsvertreter einer GmbH war, wurde von ihr am 1. Juni 1959 in das Angestelltenverhältnis übernommen. Er erhielt Handlungsvollmacht und leitete die Abteilung "Verkauf" der GmbH. Neben einem festen Gehalt bezog er eine Umsatzprovision. Die gesamten Kosten seiner Reisen und seines Fahrzeugs hatte er selbst zu tragen. Das Finanzamt erkannte das Angestelltenverhältnis des Steuerpflichtigen nach eingehender Prüfung an. Einen Freibetrag wegen erhöhter Werbungskosten trug es auf der Lohnsteuerkarte nur vorbehaltlich einer endgültigen Feststellung der tatsächlichen Werbungskosten im Veranlagungsverfahren ein und machte dem Steuerpflichtigen die Auflage, dafür Sorge zu tragen, daß wegen seiner erheblichen Werbungskosten die Möglichkeit einer Nachprüfung gegeben sei und insbesondere die Unterlagen, Aufzeichnungen und Belege aufgehoben würden. Da der Steuerpflichtige bei seiner beruflichen Belastung keine Zeit für die Aufzeichnungen hatte, beauftragte er einen Steuerbevollmächtigten, der entsprechende Aufzeichnungen auch schon geführt hatte, als der Steuerpflichtige noch selbständiger Gewerbetreibender war. Der Bevollmächtigte machte die Aufzeichnung für das Streitjahr auf 16 Seiten eines amerikanischen Journals mit je 30 Zeilen Eintragungen. Der Steuerpflichtige zahlte ihm hierfür 930 DM an Honorar, die das Finanzamt entgegen dem Antrag des Steuerpflichtigen bei der Veranlagung und in der Einspruchsentscheidung nicht als Werbungskosten berücksichtigte.
Die Berufung des Steuerpflichtigen hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht führte aus, Werbungskosten seien die Aufwendungen, die mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang ständen oder die durch sie veranlaßt worden seien. Im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung könne die Abgrenzung bei den Werbungskosten nicht anders vorgenommen werden als bei den Betriebsausgaben. Die Steuerberatungskosten seien deshalb grundsätzlich zu den Werbungskosten zu rechnen. § 12 Ziff. 3 EStG schließe den Abzug nicht aus, wie der Bundesfinanzhof zu Unrecht annehme. Diese Vorschrift finde nur Anwendung auf die Einkommensteuer selbst und die unmittelbar mit ihr zusammenhängenden Nebenkosten wie Säumniszuschläge und die Kosten für das Ausfüllen des Steuererklärungsvordrucks. Im Streitfall werde der Anteil der Beratungskosten, der auf das Ausfüllen der Steuererklärung entfalle, auf ein Drittel des Gesamtbetrages, also auf 31O DM, geschätzt. Dieser Betrag sei nicht abzugsfähig. Die restlichen 620 DM seien dagegen Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.
Der Vorsteher des Finanzamts rügt mit seiner Rb. Verletzung des § 9 EStG durch unrichtige Auslegung des Werbungskostenbegriffs. Er führt aus, die Steuerberatungskosten hätten nicht, wie es § 9 EStG fordere, der Erzielung von Einnahmen gedient. Der Steuerpflichtige habe nämlich nicht bewiesen, daß er weniger Geschäfte abgeschlossen hätte und daher seine Provision geringer gewesen wäre, wenn er die Buchführungsarbeiten selbst ausgeführt hätte. Die Aufwendungen für seine Buchführung und die Steuerberatung seien vielmehr Kosten der allgemeinen Lebenshaltung. Sie seien Nebenkosten der nach § 12 Ziff. 3 EStG nicht absatzfähigen Aufwendungen. Die Ausführungen des Finanzgerichts, daß wegen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung die streitigen Aufwendungen ebenso behandelt werden müßten wie bei den Gewerbetreibenden und freien Berufen, überzeugten nicht, da die Tätigkeit eines Arbeitnehmers anders geartet sei. Bei freien Berufen und Gewerbetreibenden sei hinsichtlich der Buchführung eine Trennung des betrieblichen Bereichs von dem privaten nicht möglich. Die Aufzeichnung der vereinnahmten Entgelte und der Betriebsausgaben habe außerdem nicht nur für die Einkommensteuer, sondern auch für die Umsatzsteuer und bei Gewerbetreibenden auch für die Gewerbesteuer Bedeutung. Im Gegensatz dazu bestehe bei Arbeitnehmern eine klare Abgrenzung zwischen dem privaten und dem beruflichen Bereich, auch wenn wie hier ein Steuerpflichtiger ohne eigentliche änderung seiner Tätigkeit aus der selbständigen Tätigkeit als Handelsvertreter in die unselbständige Tätigkeit eines Arbeitnehmers überwechsle.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Durch das Steueränderungsgesetz 1965 (StändG) - BGBl 1965 I S. 377 - wurde § 10 Abs. 1 EStG dadurch erweitert, daß nach Ziff. 8 Steuerberatungskosten unter Umständen als Sonderausgaben abzugsfähig sind. Diese Bestimmung gilt jedoch erst ab dem Veranlagungszeitraum 1965 und hat daher für den Streitfall, der das Jahr 1960 betrifft, keine Bedeutung.
Der Senat hat in dem Grundsatzurteil VI 207/62 S vom 30. April 1965 (BStBl 1965 III S. 410) entschieden, daß Steuerberatungskosten Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sind, wenn sie bei der Ermittlung dieser Einkünfte angefallen sind. Bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ist grundsätzlich ebenso zu verfahren. Die Tätigkeit des Steuerpflichtigen als Arbeitnehmer hatte ähnlichkeit mit der Tätigkeit eines selbständigen Handelsvertreters, also eines Gewerbetreibenden. Die Tätigkeit des von dem Steuerpflichtigen zugezogenen Beraters war nicht unbedeutend; denn bei Einnahmen von 125.418 DM zeichnete er Werbungskosten von 21.400 DM auf Grund zahlreicher Belege auf, die vom Finanzamt auch im wesentlichen anerkannt wurden. Die Entscheidung des Finanzgerichts, das das Honorar des Steuerbevollmächtigten zu zwei Drittel als Werbungskosten bei den Einkünften des Steuerpflichtigen aus nichtselbständiger Arbeit behandelt hat, entspricht den Grundsätzen der Grundsatzentscheidung VI 207/62 S (a. a. O.). Das Finanzgericht konnte den Sachverhalt ohne Rechtsverstoß dahin würdigen, daß dieser Teil des Honorars in engem Zusammenhang mit den Arbeitseinkünften stand, daß es also insoweit bei der Erzielung dieser Einkünfte angefallen ist.
Das Finanzgericht konnte auch ohne Rechtsirrtum einen Teil des Honorars des Steuerbevollmächtigten als Entgelt für das Ausfüllen der Einkommensteuererklärung ansehen und für diesen Teilbetrag die Abzugsfähigkeit verneinen, wie sich ebenfalls aus dem Urteil VI 207/62 S (a. a. O.) ergibt. Die Schätzung auf ein Drittel des gezahlten Honorars ist eine mögliche Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse, an die der Senat nach § 288 Ziff. 1 AO gebunden ist.
Fundstellen
Haufe-Index 411639 |
BStBl III 1965, 412 |
BFHE 1965, 455 |
BFHE 82, 455 |