Leitsatz (amtlich)
Weicht der Erwerber eines Grundstücks bei dessen Bebauung von seiner ursprünglichen Absicht - hier Bebauung mit einem Zwei- oder Dreifamilienhaus - in der Weise ab, daß anstelle eines einzigen Gebäudes mehrere selbständige Gebäude errichtet werden sollen, so hängt der Fortbestand der Befreiung von der im Zeitpunkt des Ablaufs der Nachversteuerungsfrist vorhandenen Gesamtbebauung ab. Enthalten die errichteten Gebäude nicht alle zu mehr als 66 2/3 v. H. grundsteuerbegünstigte Wohnungen oder Wohnräume, so ist der Grundstückserwerb nur insoweit von der Besteuerung ausgenommen, als er sich auf diejenige Grundstücksteilfläche bezieht, auf der ein Gebäude mit mehr als 66 2/3 v. H. grundsteuerbegünstigtem Wohnraum errichtet worden ist.
Normenkette
GrESWG ND § 1 Nr. 1 Buchst. a, § 5 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 29. Oktober 1974 kaufte der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ein 1 723 qm großes Grundstück. Auf dem Grundstück befand sich eine alte Garage, die nach dem Krieg zu einer Behelfswohnung umgebaut worden war. Der Kläger beantragte für diesen Erwerb Befreiung von der Grunderwerbsteuer nach § 1 Nr. 1 des seinerzeitigen niedersächsischen Gesetzes über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaues von der Grunderwerbsteuer (GrESWG), weil die auf dem Grundstück vorhandene Baulichkeit abgerissen und das Grundstück gemäß den Bestimmungen für den sozialen Wohnungsbau mit einem Zwei- oder Dreifamilienhaus bebaut werden sollte. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) beließ den Erwerb zunächst unbesteuert.
Nach dem Abriß der Behelfswohnung errichtete der Kläger auf dem Grundstück ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 138,06 qm, das am 20. Oktober 1975 bezugsfertig wurde und den Bestimmungen des sozialen Wohnungsbaues entsprach. Anschließend errichtete der Kläger - getrennt von dem Einfamilienhaus - ein weiteres Gebäude, das am 1. Januar 1978 bezugsfertig wurde. Im Obergeschoß dieses Gebäudes befindet sich eine Wohnung mit einer Wohnfläche von 142,12 qm, im Erdgeschoß ein 187,02 qm großes Büro und darunterliegend ein Aktenkeller von 91,01 qm.
Vor Fertigstellung des zweiten Gebäudes teilte der Kläger das Grundstück in Wohnungseigentum und Teileigentum auf. Danach entfielen auf den Grund und Boden für das Sondereigentum Nr. 1, bestehend aus dem Büro im Erdgeschoß und dem Aktenkeller, ein Anteil von 345/1000, auf das Sondereigentum Nr. 2, bestehend aus der Eigentumswohnung im Obergeschoß, ein Anteil von 340/1000 und auf das Sondereigentum Nr. 3, bestehend aus dem Einfamilienhaus, ein Anteil von 315/1000. Am 19. Juli 1977 verkaufte der Kläger die mit dem Sondereigentum Nr. 1 und Nr. 3 verbundenen Grundstücksanteile.
Das FA zog den Kläger im Wege der Nacherhebung zur Grunderwerbsteuer heran, weil die geschaffenen Wohnflächen auf dem Grundstück nicht mehr als 66 2/3 v. H. der geschaffenen Nutzfläche betrugen. In der Einspruchsentscheidung setzte es die Steuer herab, wies den Einspruch aber im übrigen als unbegründet zurück. Das FA war nunmehr der Auffassung, daß die Grunderwerbsteuer nur für den Teil der Gegenleistung nacherhoben werden könne, der auf die mit dem Sondereigentum Nr. 1 und Nr. 2 verbundenen Grundstücksanteile entfalle. Das Sondereigentum Nr. 3 (Einfamilienhaus mit 315/1000 Grundstücksanteil) sei, da es ausschließlich steuerbegünstigten Wohnraum enthalte, von der Nachversteuerung auszunehmen.
Mit der Klage hat der Kläger die Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids beantragt. Er hat die Ansicht vertreten, mit der Errichtung des Einfamilienhauses seien grundsätzlich die Voraussetzungen für die Grunderwerbsteuerbefreiung erfüllt gewesen. Die Befreiung erstrecke sich auf die gesamte Grundstücksfläche, weil sie der ortsüblichen Größe i. S. des § 3 GrESWG entspreche.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Hinsichtlich der Grunderwerbsteuerbefreiung könne nicht immer auf die gesamte Grundstücksfläche (Einheit des Grundstücks) abgestellt werden. Diene nur ein Teil der erworbenen Fläche dem steuerbegünstigten Zweck, so könne grundsätzlich nur dieser Teil von der Steuer befreit werden. Aufgrund der tatsächlichen Bebauung des Grundstücks mit einem steuerbegünstigten und einem nichtsteuerbegünstigten Gebäude erweise sich der Erwerb des Grundstücks daher als "Erwerb" zweier Teilflächen. Steuerfrei könne der Erwerb nur derjenigen Fläche sein, auf der das steuerbegünstigte Gebäude errichtet worden sei.
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter und bringt vor: Nach richtiger Gesetzesauslegung sei der Steuerfall im Zeitpunkt der Fertigstellung des Einfamilienhauses abgeschlossen gewesen. Das weitere Schicksal des Grundstücks sei daher ohne Bedeutung.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Der Grundstückserwerb des Klägers unterlag gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des seinerzeitigen niedersächsischen Grunderwerbsteuergesetzes der Grunderwerbsteuer, war aber nach § 1 Nr. 1 Buchst. a GrESWG (materiell) vorläufig von der Besteuerung ausgenommen. Zutreffend hat das FG entschieden, daß die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine anteilige Nacherhebung der Grunderwerbsteuer (§ 5 Abs. 1 GrESWG) erfüllt sind, weil der Kläger eine Teilfläche des erworbenen Grundstücks nicht zu dem begünstigten Zweck nach § 1 Nr. 1 Buchst. a GrESWG verwendet hat.
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 GrESWG unterliegen u. a. die in § 1 Nr. 1 Buchst. a GrESWG bezeichneten Erwerbsvorgänge mit Ablauf von fünf Jahren der Grunderwerbsteuer, wenn das Grundstück nicht innerhalb dieses Zeitraums zu dem begünstigten Zweck verwendet worden ist. Diesen gesetzlich begünstigten Zweck, der dem Befreiungstatbestand des § 1 Nr. 1 Buchst. a GrESWG zu entnehmen ist, hat der Kläger nicht in vollem Umfang erfüllt. § 1 Nr. 1 Buchst. a GrESWG nimmt u. a. von der Besteuerung aus den Erwerb eines Grundstücks, das zur Errichtung eines Gebäudes mit zu mehr als 66 2/3 v. H. grundsteuerbegünstigtem Wohnraum (Wohnungen) erworben wird. Nach dem festgestellten Sachverhalt hat der Kläger auf dem erworbenen Grundstück innerhalb der Fünfjahresfrist sowohl ein grundsteuerbegünstigtes Gebäude als auch ein davon getrenntes, diese 66 2/3 v. H.-Grenze nicht überschreitendes Gebäude errichtet. Werden - wie im Streitfall - auf dem erworbenen Grundstück mehrere selbständige Gebäude errichtet, die nicht alle zu mehr als 66 2/3 v. H. grundsteuerbegünstigte Wohnungen oder Wohnräume enthalten, so ist der Erwerb nur insoweit von der Besteuerung ausgenommen, als er sich auf die Grundstücksteile erstreckt, die zu, den Gebäuden mit einem Anteil von mehr als 66 2/3 v. H. grundsteuerbegünstigter Wohnungen oder Wohnräume gehören.
Der Kläger vertritt die Ansicht, er habe das gesamte Grundstück dem steuerbegünstigten Zweck zugeführt, indem er zunächst das grundsteuerbegünstigte Einfamilienhaus (Sondereigentum Nr. 3) fristgemäß errichtet habe und die Grundstücksfläche auch der ortsüblichen Größe entspreche (§ 3 GrESWG). Die Errichtung eines weiteren Gebäudes mit weniger als 66 2/3 v. H. Wohnfläche dürfe sich daher für ihn nicht mehr nachteilig auswirken.
Dieser Auffassung kann der Senat nicht folgen.
Die im Befreiungstatbestand des § 1 Nr. 1 Buchst. a GrESWG vorausgesetzte Absicht des Erwerbers, auf dem erworbenen Grundstück ein Gebäude mit zu mehr als 66 2/3 v. H. grundsteuerbegünstigtem Wohnraum (Wohnungen) zu schaffen, muß im Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs bestehen. Nach den nicht angefochtenen und somit für den Senat bindenden Feststellungen des FG hat der Kläger das Grundstück in der Absicht erworben, es mit einem Zwei- oder Dreifamilienhaus zu bebauen. An dieser konkreten Bauabsicht - Errichtung eines Zwei- oder Dreifamilienhauses - muß sich der Kläger bezüglich der Beurteilung der Frage, ob der steuerbegünstigte Zweck auch in vollem Umfange erreicht worden ist, festhalten lassen. Gemessen an seinen Vorstellungen über das von ihm beabsichtigte Bauvorhaben hat der Kläger mit der bezugsfertigen Errichtung des Einfamilienhauses (Sondereigentum Nr. 3) erst einen Teilabschnitt seines Gesamtbaukonzeptes verwirklicht. Die bloße Fertigstellung eines Teils der Gesamtplanung und damit (zunächst) die Erreichung eines "geringeren Zwecks" kann aber noch nicht die Annahme rechtfertigen, daß damit schon das gesamte Grundstück dem begünstigten Zweck zugeführt worden ist. Ändert sich die Vorstellung des Erwerbers über das von ihm beabsichtigte Bauvorhaben im Laufe der (abschnittweisen) Bebauung in der Weise, daß - entgegen der ursprünglichen Planung - anstelle eines Gebäudes mehrere Gebäude errichtet werden sollen, so hängt der Fortbestand der Befreiung von der im Zeitpunkt des Ablaufs der Nachversteuerungsfrist vorhandenen Gesamtbebauung ab. Das von dem Kläger (innerhalb der Nachversteuerungsfrist) errichtete weitere Gebäude enthält jedoch nicht zu mehr als 66 2/3 v. H. grundsteuerbegünstigten Wohnraum (Wohnungen). Insoweit ist das Grundstück daher nicht steuerbegünstigt verwendet worden und die nachträgliche Erhebung der Grunderwerbsteuer rechtmäßig. Dies steht in Einklang mit dem Willen des Gesetzgebers, die Schaffung neuen grundsteuerbegünstigten Wohnraumes nicht um jeden Preis zu fördern. Nicht fördern wollte er erkennbar den Erwerb einer Grundstücksteilfläche, auf der der Erwerber ein Gebäude errichtet, das zu weniger als 66 2/3 v. H. grundsteuerbegünstigte Wohnungen enthält.
Fundstellen
Haufe-Index 75046 |
BStBl II 1984, 626 |
BFHE 1985, 190 |