Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Steuerliche Behandlung von Zinsen auf Nachzahlungsbeträge im Rückerstattungsverfahren.

Zur Bindung der Finanzbehörden an Entscheidungen der Wiedergutmachungsbehörden.

EStG 1950 §§ 5, 6; brit. REG Art. 77, 27, 12 - VOBl für die brit. Zone 1949 S. 152 -; amerik. REG Art.

 

Normenkette

EStG §§ 5-6; AmerikREG 77; AmerikREG 27; AmerikREG 12; AmerikREG 91; AmerikREG 32; AmerikREG 15

 

Tatbestand

Die Rechtsbeschwerde betrifft die steuerliche Auswirkung einer im Jahre 1951 im Rückerstattungsverfahren über ein Hausgrundstück in X. zu leistende Zahlung von 3 000 DM auf die einheitliche Gewinnfeststellung 1950.

Das Grundstück war durch die beiden Mitunternehmer der OHG Gebr. G. (im folgenden Firma) zu gleichen Teilen erworben und in die offene Handelsgesellschaft als notwendiges Betriebsvermögen eingebracht worden. Auf dem Grundstück wird das Gewerbe der OHG "Wohnungseinrichtungen" betrieben.

Nach Ergehen des Rückerstattungsgesetzes der britischen Zone brit. REG - (MilRegG Nr. 59), in Kraft getreten am 12. Mai 1949, hat die Verkäuferin des Grundstücks Rückerstattungsansprüche erhoben. In dem Verfahren hat das Wiedergutmachungsamt beim Landgericht unter dem 8. Juni 1951 entschieden: Die Antragstellerin verzichtet auf Rückgabe des Grundstücks. Die Antragsgegner verpflichten sich, an die Antragstellerin einen Betrag von 21 000 DM zu zahlen, und zwar 18 000 DM als Ausgleichszahlung auf den Kaufpreis und 3 000 DM als Ertragsausgleichszahlung."

In der Bilanz zum 31. Dezember 1950 hat die Steuerpflichtige (Stpfl.), abgesehen von anderen nicht mehr streitigen Posten, eine Rückstellung von 3 000 DM für zu entrichtende Zinsen eingesetzt. Das Finanzamt hat diese Rückstellung nicht anerkannt.

Die Stpfl. machte im Einspruch geltend, der seinerzeit vereinbarte Kaufpreis sei nicht beanstandet worden. Die Rückerstattung sei nur darauf gestützt, daß der Verkäuferin der vereinbarte Kaufpreis nicht zugeflossen und die Zahlung zuzüglich Zinsen nachzuholen sei. Die Rechtslage sei die gleiche wie bei Restkaufgeldforderungen. Diese seien üblicherweise zu verzinsen. Die Zinsen stellten Werbungskosten dar. Die von dem Finanzamt erwähnte "sinngemäße Anwendung des Art. 12" könne nur insoweit in Frage kommen, als die Forderung als bereits im Jahre 1938 entstanden zu gelten habe. Darauf beruhe auch der Anspruch auf Verzinsung von diesem Zeitpunkt ab.

Der Einspruch blieb erfolglos. In der Begründung wurde auf Art. 12 und 27 Gesetz Nr. 59 (brit. Zone) sowie auf die Erlasse des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 17. Dezember 1949 und 17. Februar 1950 (Steuerblatt für das Land Nordrhein-Westfalen 1950 S. 8 bzw. S. 70) verwiesen. Nach der Entscheidung des Wiedergutmachungsamts lägen Nutzungsentschädigungen vor. Nutzungsentschädigungen dürften aber nach Art. 12 in Verbindung mit Art. 27 brit. REG (MilRegG Nr. 59) den Gewinn nicht mindern. Dasselbe gelte auch für nachzuzahlende Zinsen.

Das Finanzgericht hat der Berufung der Firma stattgegeben. Es hat anerkannt, daß die auf Grund des Rückerstattungsverfahrens zu leistende Ertragsausgleichszahlung von 3 000 DM eine am Bilanzstichtag erkennbare Schuld darstelle und als Betriebsausgabe im Sinne des § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzusehen sei. Auf die Rückerstattung nach dem REG seien die allgemeinen einkommensteuerlichen Grundsätze anzuwenden, soweit nicht in diesem Gesetz von dem EStG abweichende Bestimmungen getroffen seien. Zwar werde von Blümich-Falk, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 6. Aufl. S. 115, im Anschluß an Flume in "Der Betrieb" 1949 S. 532 die Auffassung vertreten, daß in dem REG eine derartige Sonderregelung vorliege, weil nicht Bruttonutzungen, sondern lediglich Nutzungen nach Abzug der auf sie entrichteten Steuern und einer Geschäftsführungsvergütung für den Rückerstattungsverpflichteten herausgegeben würden. Daraus sei nach dieser Auffassung zu schließen, der Rückerstattungsverpflichtete sei nur als Treuhänder des Rückerstattungsberechtigten zu betrachten. Das für die Herausgabe von Nutzungen Gesagte gelte auch für die Entrichtung von Zinsen auf den nachzuentrichtenden Kaufpreis. Auch der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen vertrete in dem Erlaß vom 17. Februar 1950 unter Hinweis auf Art. 27 in Verbindung mit Art. 12 MilRegG Nr. 59 (brit. Zone) den Standpunkt, daß bei der Herausgabe der Reinnutzungen steuerlich das Einkommen und der Gewinn nicht berührt würden.

Das Finanzgericht hat demgegenüber die Ansicht vertreten, der Wortlaut des REG biete keine Anhaltspunkte für diese von den Grundsätzen des EStG abweichende Rechtsauffassung. Die Regelung in Art. 77 MilRegG Nr. 59 (brit. Zone) bedeute nur, daß steuerlich keine Rückwirkung eintrete; über die steuerliche Behandlung der späteren Leistungen des Rückerstattungsverpflichteten sei dadurch keine gesetzliche Regelung getroffen. Auch Art. 12 und 27 REG ließen nicht ersehen, daß die erstatteten Nutzungen oder Zinsen nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben anerkannt werden dürften. Das Finanzgericht schließe sich den Ausführungen von Camerer "Der Betriebs-Berater" 1950 S. 32 an. Die Steuerpflichtigen seien im vorliegenden Falle gemäß § 11 Ziff. 4 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) steuerlich als Eigenbesitzer zu behandeln. Daher müsse der von dem Rückerstattungsverpflichteten geleistete Reinertrag der Nutzungen als Betriebsausgabe anerkannt werden, da diese Zahlung aus dem Betriebsvermögen entnommen werde und nicht als Fremdvermögen zu betrachten sei (Hinweis auf Peters in Finanz-Rundschau 1949 S. 163 ff.; Camerer, Der Betriebs-Berater 1949 S. 553/55; Schandalik, Der Betriebs-Berater 1949 S. 591).

Gegen das Urteil hat der Vorsteher des Finanzamts Rechtsbeschwerde eingelegt. Der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen ist dem Verfahren beigetreten. Der Vorsteher des Finanzamts macht unter Berufung auf das Gutachten des Obersten Finanzgerichtshofs I D 2/50 vom 22. August 1950 (Slg. Bd. 54 S. 528, Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen - Bay. FMBl. - 1950 S. 549, Kartei, REG MilRegG Nr. 59 Art. 91 US-Zone Rechtsspruch 2), den Kommentar von Blümich-Falk, 6. Aufl. S. 115, Gantenberg in Deutsche Steuer-Zeitung 1950 S. 33 ff. sowie auf den Erlaß des Finanzministers Nordrhein-Westfalen vom 17. Februar 1950 geltend, es handele sich bei dem in der Entscheidung des Wiedergutmachungsamts als Ertragsausgleichszahlung" bezeichneten Betrag um die Befriedigung des Anspruchs auf Herausgabe von Reinnutzungen gemäß Art. 27 REG. Die allgemeinen einkommensteuerlichen Bestimmungen könnten nicht angewendet werden, weil nach Art. 27 a. a. O. nicht die Bruttonutzungen, sondern die Nutzungen abzüglich der vom Rückerstattungsverpflichteten entrichteten Steuern und einer angemessenen Geschäftsvergütung herauszugeben seien. Der Rückerstattungsverpflichtete gebe Fremdeinkommen heraus, das von ihm zu Lasten des Rückerstattungsberechtigten versteuert worden sei. Das rechtliche Ergebnis werde auch nicht geändert, wenn nicht ein eigentliches Treuhandverhältnis, sondern wegen der vom Gesetz angeordneten Rückwirkung lediglich ein der Treuhänderschaft verwandtes Verhältnis angenommen werde.

Die Firma wiederholt ihr seitheriges Vorbringen, insbesondere, daß es sich bei dem Betrag um Zinsen auf den nachzuzahlenden Kaufpreis handele. Maßgebend müsse sein der am 26. April 1951, also vor der Entscheidung des Wiedergutmachungsamts abgeschlossene und deren Grundlage bildende Vergleich, auf den auch bereits vor der genannten Entscheidung des Wiedergutmachungsamts Anfang 1951 eine größere Teilzahlung geleistet worden sei. Das Finanzamt beharrte auf seinem seitherigen Vorbringen, insbesondere in der Frage der Betrachtung der "Ertragsausgleichszahlung" als Nutzungen. Es hat noch eine äußerung des vorsitzenden Richters der Wiedergutmachungskammer beigebracht. In dieser wird bestätigt, daß unter dem Ausdruck Ertragsausgleichszahlung nicht Zinsen der Kaufsumme, sondern die Nutzungsentschädigung für die der Rückerstattungsberechtigten entgangenen Mieten zu verstehen seien. Die Aufteilung der nachzuzahlenden Beträge in Ausgleichszahlungen, Nutzungsentschädigungen und Kosten sei in der damaligen Zeit mehrfach erfolgt, weil die Antragsteller wiederholt erklärten, sie hätten bei der steuerlichen Absetzung der nachzuzahlenden Beträge Schwierigkeiten, da die Finanzämter nicht die Ausgleichszahlung, wohl aber die Nutzungsentschädigungen und Kosten als abzugsfähig anerkennen würden.

Der Finanzminister Nordrhein-Westfalen hat sich dem Antrag und der Begründung des Finanzamts angeschlossen und an der Auffassung seiner beiden Erlasse festgehalten. Ergänzend führte er aus, dem Finanzgericht sei insoweit zuzustimmen, daß nach den allgemeinen Grundsätzen des Einkommensteuerrechts Nutzungen, die als Einkommen versteuert worden sind, im Falle ihrer späteren Herausgabe in der Regel als Betriebsausgaben oder Werbungskosten zu behandeln seien. Es bleibe jedoch zu prüfen, ob Art. 77 REG als steuerliche Sondervorschrift und der besondere Sachverhalt, der bei der Herausgabe von Nutzungen im Rahmen des Rückerstattungsrechts gegeben sei, ein Abweichen von dem vorerwähnten einkommensteuerlichen Grundsatz rechtfertige. Der steuerliche Inhalt des Art. 77 REG dürfe nicht losgelöst von den übrigen Vorschriften des Gesetzes betrachtet werden. Eine zutreffende Auslegung sei nur unter Berücksichtigung der besonderen zivilrechtlichen Folgen möglich, die das REG an die Rückerstattungsanordnung anknüpfe. Dabei seien von besonderem Gewicht der Art. 12 REG und Art. 27 a. a. O. Der Rückerstattungsverpflichtete verpflichte sich zur Herausgabe des ihm während der Entziehung zugeflossenen Reinertrages der Nutzungen, wobei der Rückerstattungsverpflichtete berechtigt sei, die von ihm auf die Nutzungen gezahlte Einkommensteuer zu Lasten des Ertrags zu verrechnen. Aus dieser besonderen Regelung des REG habe der Oberste Finanzgerichtshof in dem Gutachten I D 2/50 vom 22. August 1950 nach eingehender Erörterung gefolgert, daß das aus den entzogenen Nutzungen herrührende Einkommen, das in der Person des Rückerstattungsverpflichteten zur Versteuerung gelangt, der Sache nach Einkommen des Rückerstattungsberechtigten darstelle und daß demgemäß auch die Steuerleistungen, zu denen der Rückerstattungsverpflichtete auf Grund dieses Einkommens herangezogen werde, der Sache nach als Steuerleistungen des Rückerstattungsberechtigten zu betrachten seien. Hieraus folgt nach Ansicht des Finanzministers zwingend, daß die Herausgabe der Fremdnutzungen, die der Rückerstattungsverpflichtete nur für Rechnung des Rückerstattungsberechtigten versteuert habe, für den Rückerstattungsverpflichteten keine einkommensmindernde Wirkung haben könne. Andernfalls würde zwar für die Vergangenheit die Versteuerung der Nutzungen in der Person des Rückerstattungsverpflichteten belassen, aber durch den nunmehr erfolgten Abzug des Reinertrags der Nutzungen von dem eigenen Einkommen des Rückerstattungsverpflichteten die Versteuerung zum mindesten teilweise wieder aufgehoben. Im praktischen Ergebnis würden die während der Entziehung angefallenen Nutzungen jedenfalls zum großen Teil unversteuert bleiben. Dieses Ergebnis könne vom Gesetzgeber nicht gewollt sein. Der Nichtabzug der Nutzungen beeinträchtige auch nicht in unbilliger Weise die Belange des Rückerstattungsverpflichteten. Die Herausgabe des Reinertrags ohne gleichzeitigen Abzug der Nutzungen bedeute nur die Rückversetzung des Rückerstattungsverpflichteten in den Zustand, in dem er sich ohne die Entziehung befunden haben würde. Der Rückerstattungsverpflichtete erleide weder wirtschaftlich noch steuerlich einen Gewinn oder Verlust. Würden die Nutzungen steuerlich zum Abzug zugelassen, so erlange der Rückerstattungsverpflichtete zwar nicht wirtschaftlich, aber steuerlich einen Vorteil, in dessen Genuß er ohne die Entziehung und die dadurch ausgelöste Rückerstattung der Nutzungen nicht gelangt wäre. Dieser steuerliche Vorteil entbehre der inneren Berechtigung. Auch § 27 Abs. 2 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) gebiete keine abweichende Beurteilung. Das Wahlrecht dieser Vorschrift greife nur dann Platz, wenn nicht bereits andere Vorschriften eine erfolgsneutrale Behandlung anordneten. Dabei wird auf das Urteil des Bundesfinanzhofs I 134/52 S vom 6. Oktober 1953 (Slg. Bd. 58 S. 125, Bundessteuerblatt - BStBl. - III S. 339) hingewiesen. Bei der Beurteilung der Frage, ob der Betrag von 3 000 DM als Betriebsausgabe sofort abzugsfähig sei, habe es, so meint der Finanzminister, keine entscheidende Bedeutung, ob es sich um Zinsen oder die Herausgabe von Nutzungen gehandelt habe. Beide seien steuerrechtlich gleich zu behandeln. In der mündlichen Verhandlung wurde hierzu betont, daß die vom Finanzminister vorgetragene Rechtsauffassung von sämtlichen Finanzministern der Länder geteilt werde. Nach diesen Grundsätzen seien die gleichgelagerten Fälle behandelt und mit unbedeutenden Ausnahmen rechtskräftig geworden.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rechtsbeschwerde ergibt folgendes:

Dem Finanzgericht wird darin beigepflichtet, daß der umstrittene Vorgang betrieblicher Natur ist und daß nach den allgemeinen Grundsätzen des Einkommensteuerrechts die Herausgabe von Nutzungen oder Zinsen, die beim Rückerstattungsverpflichteten versteuert oder zu versteuern sind, im Falle der späteren Herausgabe bei einem Gewerbebetrieb regelmäßig eine Betriebsausgabe bildet. Die an sich nicht zulässige Berücksichtigung des auf das Jahr 1951 treffenden Teilbetrags soll wegen der verhältnismäßigen Geringfügigkeit nicht beanstandet werden.

Das Finanzgericht geht auch zutreffend davon aus, daß das REG als Sondergesetz (Gesetz höheren Ranges) der allgemeinen Regelung des Einkommensteuerrechts einschließlich der Vorschriften des StAnpG vorgeht.

Dagegen ist der Senat, im Gegensatz zum Finanzgericht der Meinung, daß die erfolgsneutrale Behandlung von herauszugebenden Nutzungen oder herauszuzahlenden Zinsen, die unter Abzug der darauf entfallenden Steuer vom Rückerstattungsverpflichteten herauszugeben oder zu zahlen sind, bei zutreffender Auslegung aus der Regelung des REG hervorgeht.

Der Senat hat im Urteil I 100/52 S vom 20. Oktober 1953 (Slg. Bd. 58 S. 241, BStBl. 1954 III S. 7) aus der Regelung des REG, daß während der Dauer der Entziehung der Rückerstattungsverpflichtete die laufenden Steuern zu entrichten hat, diese aber bei der Herausgabe der Nutzungen gemäß § 32 amerik. REG (= Art. 27 brit. REG) dem Rückerstattungsberechtigten anrechnen darf, geschlossen, daß im Endergebnis stets die Steuer zu Lasten des Rückerstattungsberechtigten geht. Den Rechtsgrundsätzen dieses Urteils hat sich der IV. Senat im Urteil IV 322/53 U vom 23. September 1954 (Slg. Bd. 59 S. 366, BStBl. III S. 351) angeschlossen. Bereits das Gutachten des Obersten Finanzgerichtshofs I D 2/50 vom 22. August 1950 (Kartei, MilRegG Nr. 59 Art. 91 US-Zone Rechtsspruch 2) hat den Vorschriften der REGe. zivilrechtlicher Natur, insbesondere der Anrechnung über die bezahlten Steuern auf die herauszugebenden Nutzungen für die steuerliche Beurteilung eine besondere Bedeutung beigemessen. An dieser Auffassung wird auch für die Auslegung des REG der brit. Zone festgehalten. Dasselbe muß wegen der ähnlichen Gesetzeslage für die zu zahlenden Zinsen gelten. Vgl. hierzu auch Urteil des Bundesfinanzhofs I 196/53 U vom 22. Februar 1955, Slg. Bd. 60 S. 335, BStBl. III S. 128; auf dessen Begründung wird verwiesen.

Nach Art. 13 brit. REG hat der Berechtigte, wenn er auf alle sonstigen Ansprüche aus dem REG verzichtet, gegen den Rückerstattungsverpflichteten einen Nachzahlungsanspruch, zu dem angemessene Zinsen treten. Unter den Zinsen sind Nettozinsen zu verstehen, was sich aus der in Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 vorgeschriebenen entsprechenden Anwendung des Art. 27 über Nutzungen ergibt. Obgleich in dem hier maßgeblichen Art. 27 brit. REG im Gegensatz zum Art. 32 amerik. REG unter den bei Ermittlung des Reinertrags zu berücksichtigenden Aufwendungen des Rückerstattungsverpflichteten die Einkommensteuer nicht ausdrücklich aufgeführt ist, hat die Rechtsprechung zutreffend aus dem Begriff des "Reinertrags" gefolgert, daß die Einkommensteuer des Pflichtigen, auch bei Anwendung der Art. 13, 27 brit. REG, bei Errechnung der Nutzungen - folgeweise auch bei Errechnung der Zinsen - zugunsten des Rückerstattungsverpflichteten abzusetzen ist (vgl. Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg vom 30. Oktober 1950, Neue Juristische Wochenschrift - Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht 1951 S. 16 Nr. 29).

Nun verbietet Art. 77 Abs. 2 brit. REG = Art. 91 Abs. 2 amerik. REG eine Erstattung der Steuer. Dieses Verbot gilt nach Ansicht des Senats nicht nur für die unmittelbare Erstattung, sondern auch für die mittelbare, wie sie vorliegend gegeben ist. Würde mit dem Finanzgericht der Abzug der Zinsen bzw. der Nutzungen zugelassen, so würden im Ergebnis, worauf der beteiligte Finanzminister nachdrücklich hingewiesen hat, die Nutzungen oder Zinsen überhaupt steuerfrei bleiben. Im Falle von Nettonutzungen würde sogar der Rückerstattungsverpflichtete neben der Anrechnung der Steuer gegenüber dem Rückerstattungsberechtigten noch einen zusätzlichen steuerlichen Vorteil in Höhe der auf die Nettoleistungen entfallenden Steuern erlangen.

Dem Gesetzgeber des REG lag es fern, die während der Entziehungszeit gezogenen Nutzungen oder anfallenden bzw. ersparten Zinsen überhaupt steuerfrei zu lassen. Vielmehr wollte er durch seine Regelung herbeiführen, daß die Versteuerung zu Lasten des Rückerstattungsberechtigten vom Rückerstattungsverpflichteten vorgenommen wird. Daraus schließt der Senat, daß nach dem REG die während der Entziehungsperiode vom Rückerstattungsverpflichteten zu zahlenden Steuern bei dem Rückerstattungsverpflichteten lediglich einen durchlaufenden Posten bilden, also erfolgsneutral zu behandeln sind.

Diese Regelung ist, wie zugegeben wird, dem deutschen Steuerrecht, das bei Kaufleuten den Gewinn durch Vermögensvergleich ermittelt, nicht eigentümlich. Die Regelung des REG aber ist für die Gerichte nach Auffassung des Senats bindend. Dem Gesetzgeber des brit. REG hat offensichtlich bei seiner Regelung die Gestaltung der Besteuerung im englischen Steuerrecht vorgeschwebt. Nach dem englischen Einkommensteuerrecht werden Einkünfte aus Jahreszinsen, Renten, Mieten, Pachten und sonstigen laufenden Nutzungen, auch wenn sie bei bilanzierenden Kaufleuten oder bei Kapitalgesellschaften anfallen, in der Weise versteuert, daß der Steuerbetrag (zur standard rate) vom Verpflichteten an die Steuerbehörde gezahlt und bei der Zahlung der Leistungen gegenüber dem Berechtigten angerechnet wird. Der Verpflichtete selbst darf in seiner Einkommensrechnung die obengenannten Beträge, von denen die Steuer durch den Verpflichteten abgezogen ist, nicht abziehen (vgl. hierzu Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 4. Aufl. Bd. III Art. ESt B XV S. 469; Bühler, Die englische Einkommensteuer Berlin 1925 S. 19 ff.; Trumpler, Das Bilanz- und Steuerrecht der Aktiengesellschaften nach englischem Recht, S. 119, 147; Weise, Das britische Einkommensteuerrecht in wirtschaftlicher Sicht, Kiel 1944 S. 85 ff. S. 89/90, sowie Neumark, Besteuerung der gewerblichen Einkünfte in England, Internationale Steuerbelastung 1952 Bd. II S. 95, wo zum Zinsproblem ausgeführt wird, die englische Gesetzgebung gehe von der Annahme aus, daß die Zinsen sozusagen Einkommen darstellen, das der Schuldner für den Gläubiger verdient habe).

Aus all dem schließt der Senat, daß nach dem REG herauszugebende Nutzungen - ebenso Zinsen - das Gewinnergebnis nicht mindern dürfen, also erfolgsneutral zu behandeln sind. Diese Auffassung ist in den Verwaltungserlassen der Finanzbehörden der Länder - hier in den oben angeführten Erlassen des Finanzministers Nordrhein-Westfalen vom 17. Dezember 1949 und vom 17. Februar 1950 - übereinstimmend zum Ausdruck gelangt. Dieser Rechtsansicht ist der erkennende Senat mit Urteil I 196/53 U vom 22. Februar 1955 (Slg. Bd. 60 S. 335, BStBl. III S. 128) beigetreten.

Die Vorentscheidung, die diesen Grundsätzen zuwiderläuft, muß daher aufgehoben werden.

Was den vorliegenden Fall im besonderen anlangt, so ist der Senat der Auffassung, daß die Behandlung der Ertragsausgleichszahlung" als Nutzungen mit den Vorschriften des REG nicht vereinbar ist. Im Urteil des Bundesgerichtshofs II ZR 51/52 vom 11. Februar 1953 (Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 9 S. 34, 45) und IV ZR 30/53 vom 8. Oktober 1953 (Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 10 S. 340, 343) ist entschieden, daß die Geltendmachung von Rückerstattungsansprüchen nur insoweit zu berücksichtigen ist, als dies durch die REGe. zugelassen ist. Die gleiche Voraussetzung hat der Oberste Finanzgerichtshof für die Anerkennung der steuerlichen Vergünstigungen des REG in dem Urteil II 21/49 S vom 26. November 1949 ausgesprochen, das die Cora, das Rückerstattungsberufungsgericht der amerikanischen Zone, durch Entscheidung Nr. 307 vom 17. Februar 1953 bestätigt hat (Slg. Bd. 57 S. 324, BStBl. 1953 S. 128). übereinstimmend die Urteile des Bundesfinanzhofs II 237/52 U vom 1. Juli 1953, Slg. Bd. 57 S. 594, BStBl. III S. 227; II 135/50 S vom 30. Januar 1951, Slg. Bd. 55 S. 104, BStBl. III S. 41.

Nun hat der Rückerstattungsberechtigte nach Art. 13 brit. REG den (wahlweisen) Anspruch auf Nachzahlung nur dann, wenn er auf Alle sonstigen Ansprüche aus dem REG verzichtet; zu dem Nachzahlungsanspruch treten angemessene Zinsen. Aus dieser Vorschrift hat der Board of Review in der Entscheidung 51/149 vom 5. November 1951, Neue Juristische Wochenschrift / Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht 1952 S. 22 Nr. 38 entnommen, daß der Rückerstattungsberechtigte bei Inanspruchnahme des Art. 13 automatisch alle Ansprüche aus Nutzungen verliert. Wenn in diesem Zusammenhang die OHG geltend macht, die Angemessenheit des Kaufpreises sei von der Rückerstattungsberechtigten nicht beanstandet, so hat dieser Umstand auf die steuerliche Beurteilung keinen Einfluß. Unter dem den Berechtigten gezahlten Entgelt ist auch im Sinne des Art. 13 brit. REG nur das in die freie Verfügung des Berechtigten Gelangte zu verstehen (vgl. Board of Review Entscheidung 51/149 vom 5. November 1951 a. a. O.). Wenn sich das Finanzgericht und das Finanzamt für die Charakterisierung des umstrittenen Postens als Nutzung auf den Wortlaut der Entscheidung der Wiedergutmachungsbehörde berufen, so geht dies fehl. Die Gestaltungsbefugnis der Wiedergutmachungsbehörden nach Art. 59 mit Art. 12 des brit. REG findet ihre unüberbrückbare Grenze in der Vorschrift des Art. 13 REG, die dem Rückerstattungsberechtigten bei Inanspruchnahme des Art. 13 sämtliche sonstigen Ansprüche, auch die Nutzungen abspricht. über diese Frage hat sich das Finanzgericht deshalb nicht weiter auseinandergesetzt, weil es glaubte, daß die Nutzungen und Zinsen steuerlich gleich zu behandeln und als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abzuziehen seien. Was die Bindung der Steuergerichte an die Entscheidungen der Wiedergutmachungsbehörden in den Fällen des Art. 13 anlangt, so ist diese zweifellos hinsichtlich der Rückerstattungspflicht als solcher zu bejahen, auch hinsichtlich des Gesamtbetrags der Nachzahlung. Die Bindung erstreckt sich nach Ansicht des Senats jedoch nicht auf eine nur gemäß dem Wunsche der Beteiligten - wegen der behaupteten steuerlichen Auswirkung - getroffene, zudem dem REG zuwiderlaufende, Aufteilung des Nachzahlungsanspruchs, wie sie im vorliegenden Falle gegeben ist. Jedenfalls ist die nach dem Gesetz versagte Abzugsfähigkeit der Nutzungen nicht deshalb zuzulassen, weil man unter der "Ertragsausgleichszahlung" Mietzinsen verstehen will. Mietzinsen sind zweifellos Nutzungen im Sinne des REG. Mietzinsen können jedoch nicht vorliegen. Denn infolge der Inanspruchnahme des Nachzahlungsanspruchs nach Art. 13 ist das Eigentum am Grundstück der OHG unverändert verblieben. Die 3 000 DM könnten daher nur als Zinsen für die Kapitalnutzung angesehen werden. Sachlich handelt es sich nach Lage der Verhältnisse um zusätzliche Anschaffungskosten. Die Aufteilung ist willkürlich. Auch der Betrag von 3 000 DM ist zu aktivieren (vgl. hierzu Urteil des Bundesfinanzhofs I 110/54 U vom 15. Februar 1955, Slg. Bd. 60 S. 289, BStBl. III S. 111). Soweit der Betrag noch nicht gezahlt ist, kann eine entsprechende Rückstellung eingesetzt werden. Die Folge davon ist die Berücksichtigung dieses Erhöhungsbetrages bei den nachzuholenden Absetzungen für Abnutzung. Eine Teilwertabschreibung kommt nach der Rechtsprechung erst in einem nach der Zahlung liegenden Veranlagungszeitraum in Betracht und ist daher bei der vorliegenden Entscheidung nicht zu würdigen.

Demnach sind die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung aufzuheben. Die Sache ist an das Finanzamt zur Durchführung der Veranlagung im Einspruchsverfahren unter Berücksichtigung der vorstehenden Darlegungen zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408259

BStBl III 1955, 316

BFHE 1956, 305

BFHE 61, 305

BB 1955, 951

DB 1955, 1008

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