Leitsatz (amtlich)
Ist einem Beförderungsunternehmer die Genehmigung zum Güterfernverkehr von der zuständigen Verkehrsbehörde rechtswirksam erteilt worden, dann ist bis zum Ablauf der Dauer der Genehmigung oder bis zur Zurücknahme der Genehmigung genehmigter Güterfernverkehr im Sinne des GüKG und damit im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a BefStG 1955 auch dann gegeben, wenn zeitweise eine der Voraussetzungen für die Genehmigung nicht erfüllt ist.
Normenkette
BefStG 1955 § 11; GüKG § 8
Tatbestand
Der Bg. hatte die Genehmigung zur Güterbeförderung für andere im Fernverkehr am 7. September 1951 erhalten. Die damalige Genehmigung bezog sich auf den Lkw X. Ab Januar 1952 betrieb der Bg. das Unternehmen gemeinsam mit seiner Ehefrau. Im Februar 1952 wurde der vorbezeichnete Lkw gepfändet. Daraufhin kaufte die Ehefrau auf Abzahlung den Lkw Y. Dieser wurde auf den Bg. als Halter zugelassen. Die Güterfernverkehrsgenehmigung des Ehemanns wurde am 8. Februar 1952 auf dieses Fahrzeug umgeschrieben. In der Zeit vom 1. Januar 1953 bis 9. Januar 1955 betrieb die Ehefrau des Bg. das Unternehmen allein, wobei der Bg. als Fahrer angestellt war. Die Güterfernverkehrsgenehmigung lautete nach wie vor auf den Bg., nach wie vor war auch der Lkw Y. für ihn zugelassen. Am 10. Januar 1955 meldete der Bg. beim zuständigen Gewerbeamt einen Güterfernverkehrsund Güternahverkehrsbetrieb an. Am 18. November 1955 kaufte er laut schriftlichem Vertrag den Lkw X. mit Anhänger auf Abzahlung von der Ehefrau. In dem Vertrag heißt es am Schluß: "Dieser Vertrag legt die Vereinbarungen schriftlich fest, die bereits am 1. Januar 1955 mündlich getroffen wurden. Auf alle Fälle soll der Vertrag ab 1. Januar 1955 rückwirkend gültig sein."
Das Finanzamt hielt die vom Bg. in der Zeit vom 10. Januar 1955 bis einschließlich 17. November 1955 durchgeführten Güterfernverkehrsbeförderungen für Beförderungen, die ohne Genehmigung durchgeführt waren. Es sah die Anwendbarkeit des erhöhten Steuersatzes von 3 Pfennig je Tonnenkilometer (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b des Beförderungsteuergesetzes -- BefStG -- 1955) für die in der Zeit vom 1. Juni 1955 bis zum 17. November 1955 durchgeführten Beförderungen als gegeben an und forderte durch Bescheid vom 18. Februar 1956 den Unterschiedsbetrag der Steuer in Höhe von ... DM nach.
Den Einspruch des Bg. gegen die Steuernachforderung wies das Finanzamt als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht gab unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung und des Steuerbescheids der Berufung statt. Der Bg. sei in der Zeit vom 1. Juni 1955 bis zum 17. November 1955 im Besitz einer gültigen Güterfernverkehrsgenehmigung gewesen. § 11 Abs. 1 Nr. 2 BefStG 1955 gebe der Finanzbehörde nicht die Befugnis, der Genehmigung steuerlich die Anerkennung zu versagen, wenn die Genehmigungsbehörde (§ 14 des Güterkraftverkehrsgesetzes -- GüKG --) nach Auffassung der Finanzbehörde einen Grund gehabt hätte, die Genehmigung zurückzunehmen. Solange die Genehmigung nicht zurückgenommen sei, müsse die Finanzbehörde sie anerkennen.
Entscheidungsgründe
Der Rb. des Vorstehers des Finanzamts muß der Erfolg versagt bleiben.
Der Steuersatz von 7 v. H. des Beförderungspreises greift nach der Vorschrift des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a BefStG 1955 dann Platz, wenn die Beförderungen im genehmigten Güterfernverkehr im Sinne des GüKG ausgeführt werden. Güterfernverkehr im Sinne des GüKG ist nach § 3 dieses Gesetzes jede Beförderung von Gütern mit einem Kraftfahrzeug für andere über die Grenzen der Nahzone hinaus oder außerhalb dieser Grenzen. Ein solcher Güterfernverkehr liegt hier vor. Erforderlich für die Anwendbarkeit des vorbezeichneten Steuersatzes ist aber, daß dieser Güterfernverkehr von der zuständigen Genehmigungsbehörde wirksam genehmigt worden ist. Zuzustimmen ist dem Finanzgericht, daß beim Vorliegen einer rechtswirksamen Genehmigung die Finanzbehörde für die Frage der Anwendung des Steuersatzes an die von der Genehmigungsbehörde erteilte Genehmigung gebunden ist. So wenig die Finanzbehörde einen nicht genehmigten Güterfernverkehr als genehmigt ansehen kann, weil sie etwa der Auffassung ist, daß die Voraussetzungen für eine Genehmigung vorlägen, so wenig kann sie einen genehmigten Güterfernverkehr als nicht genehmigt ansehen, wenn sie der Auffassung ist, daß die Voraussetzungen für eine Genehmigung nicht oder nicht mehr gegeben seien. Die Genehmigung wirkt rechtsbegründend. Sie wird durch Aushändigung einer Genehmigungsurkunde erteilt (§ 15 Abs 1 GüKG) und gewährt dem Unternehmer in öffentlich-rechtlicher Beziehung ein zeitlich begrenztes Recht (Mindestdauer acht Jahre, § 12 Satz 2 GüKG) zum Betrieb des Güterfernverkehrs. Die erteilte Genehmigung bleibt bis zu ihrer förmlichen Zurücknahme durch die Genehmigungsbehörde bestehen. Sie wird also nicht ohne weiteres dadurch hinfällig, daß die Voraussetzungen für die Genehmigung wegfallen oder von vornherein nicht gegeben sind, sondern sie muß durch einen besonderen Verwaltungsakt zurückgenommen werden. Dies ergibt sich aus § 78 GüKG. Danach muß die Genehmigungsbehörde in den im Abs. 1 aufgeführten bestimmten Fällen die Genehmigung zurücknehmen (beispielsweise, wenn der Unternehmer oder sein Bevollmächtigter über Tatsachen, die für die Erteilung der Genehmigung erheblich waren, wissentlich oder grob fahrlässig unrichtige Angaben gemacht hat) oder sie kann in den im Abs. 2 aufgeführten bestimmten Fällen die Genehmigung zurücknehmen (beispielsweise, wenn Personen, die für die Leitung des Unternehmens verant wortlich sind, gegen die Bedingungen oder Auflagen der Genehmigung wiederholt in grober Weise verstoßen). Dabei kann die Genehmigungsbehörde nicht ohne weiteres die Genehmigung entziehen, sondern sie hat vor der Entziehung die Bundesanstalt für den Güterfernverkehr zu hören (§ 78 Abs. 4 GüKG), auch ist dem betroffenen Unternehmer unter anderem gegen die Entziehung der Genehmigung das Recht der Beschwerde an die nächsthöhere Landesverkehrsbehörde gegeben (§ 79 GüKG). Die Genehmigung kann ihrer Natur nach nicht rückwirkend entzogen werden, das GüKG sieht auch keine rückwirkende Entziehung vor. Nach der gesetzlichen Regelung ist es Sache der Genehmigungsbehörde, dauernd zu prüfen, ob bei den Inhabern von Genehmigungen die Voraussetzungen gegeben sind, unter denen die Genehmigung nach § 78 GüKG zurückgenommen werden muß oder kann.
Im Streitfall ist dem Bg. die Genehmigung zum Güterfernverkehr am 7. September 1951 von der zuständigen Genehmigungsbehörde erteilt worden. Die in der Geltungszeit des Güterfernverkehrs-Änderungsgesetzes erteilte Genehmigung gilt nach § 106 Abs. 1 GüKG fort. Ein genehmigter Güterfernverkehr liegt allerdings nur insoweit vor, als er mit einem Kraftfahrzeug durchgeführt wird, auf das sich die dem Unternehmer erteilte Genehmigung bezieht (§ 11 Satz 1 GüKG). Dies trifft im Streitfall zu. Die Genehmigung lautete auf den Lkw Y., mit dem die in Betracht kommenden Beförderungen durchgeführt wurden. Sie durfte zwar nur erteilt werden, wenn das Kraftfahrzeug dem Bg. gehörte oder von ihm auf Abzahlung gekauft war (§ 11 Satz 2 GüKG). Nach den obigen Ausführungen muß jedoch unerheblich bleiben, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung zum Güterfernverkehr mit dem vorbezeichneten Kraftfahrzeug vorlagen. Es kann daher auch dahingestellt bleiben, ob die zeitweise unstreitig fehlenden Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung in der Zeit vom 1. Juni 1955 bis 17. Dezember 1955 gegeben waren und damit die Mängel geheilt waren. Im übrigen scheint nach dem neuerlichen Vorbringen des Bg. die Ehefrau des Bg. bereits im Zeitpunkt des behaupteten mündlichen Abschlusses des Kaufvertrags (Januar 1955) Eigentümerin des Kraftfahrzeugs gewesen zu sein, so daß der behauptete Abschluß eines mündlichen Kaufvertrags bereits im Januar 1955 durchaus im Bereich der Möglichkeit gelegen hat.
Fundstellen
BStBl III 1960, 228 |
BFHE 1960, 610 |