Leitsatz (amtlich)
1. Der Einsatz eines Seeschiffes bewirkt eine Bearbeitung im Sinne des § 12 UStDB, wobei es gleichgültig ist, ob das Schiff im Inland oder im Ausland eingesetzt wird.
2. § 77 Abs. 2 Ziff. 3 UStDB setzt voraus, daß durch die Bearbeitung eine Umsatzsteuerbelastung eintritt.
3. Da bei Seeschiffen durch ihren Einsatz eine Umsatzsteuerbelastung nicht eintritt, kann für ihre Ausfuhr eine Ausfuhrvergütung nicht gewährt werden, es sei denn, daß durch Reparaturen im Inland eine Bearbeitung im Sinne des § 12 UStDB stattgefunden hat.
Normenkette
UStG § 16 Abs. 2; UStDB §§ 12, 77 Abs. 2 Ziff. 3
Tatbestand
Streitig ist, ob der Bfin. Ausfuhrvergütung für die Ausfuhr der folgenden drei Seeschiffe zusteht:
a) des Seeschiffes Z, erbaut im Jahre 1951 im Ausland, durch die Bfin. im Jahre 1957 von einer ausländischen Reederei erworben und im Ausland übernommen. Das Schiff wurde in N in das Seeschiffsregister eingetragen. Es wurde im Jahre 1957 in der Freihafenwerft X überholt und modernisiert. Die Bfin. rüstete das Schiff aus und setzte es mit einer deutschen Mannschaft und unter deutscher Flagge zu Fahrten im Ausland ein, wobei das Schiff immer wieder deutsche Häfen anlief. Am 23. November 1960 verkaufte die Bfin. das Schiff an eine ausländische Firma und übergab es der Käuferin in einem ausländischen Hafen. Bis zum Verkauf hatte das Schiff 230 000 sm in ausländischen Gewässern und 2000 sm in inländischen Gewässern zurückgelegt. Die im Inland durchgeführten Reparaturund Ausrüstungskosten beliefen sich auf 7 744,42 DM bzw. 5 812,08 DM;
b) des Frachtmotorschiffes B, erbaut im Jahre 1944 von einer ausländischen Werft, durch die Bfin. im Jahre 1955 von einer ausländischen Reederei erworben und im Ausland übernommen. Das Schiff wurde in N in das Schiffsregister eingetragen und unter deutscher Flagge zu Fahrten in das Ausland eingesetzt, wobei es immer wieder deutsche Häfen anlief. 1961 verkaufte die Bfin. das Schiff an einen ausländischen Käufer und übergab es diesem im Freihafen. Bis zum Kauf hatte das Schiff 320 958 sm in ausländischen und 10 556 sm in inländischen Gewässern zurückgelegt. Sämtliche bis zum Verkauf angefallenen Reparaturen hatte die Bfin. im Ausland ausführen lassen;
c) des Frachtmotorschiffes F, erbaut im Jahre 1944 von einer ausländischen Werft, durch die Bfin. im Jahre 1955 von einer ausländischen Reederei erworben und von dieser im Ausland übernommen. Das Schiff wurde in N in das Schiffsregister eingetragen und unter deutscher Flagge zu Fahrten in das Ausland eingesetzt. 1961 verkaufte die Bfin. das Schiff an einen ausländischen Abnehmer und übergab es diesem im Freihafen. Bis zum Verkauf hatte das Schiff 337 479 sm in ausländischen und 10 941 sm in inländischen Gewässern zurückgelegt. Sämtliche bis zum Verkauf angefallenen Reparaturen hatte die Bfin im Ausland ausführen lassen.
Das Finanzamt lehnte die Anträge auf Ausfuhrvergütung mit der Begründung ab, daß die Schiffe durch das Inland nur durchgeführt worden seien, ohne daß sie im Inland eine Bearbeitung erfahren hätten (§ 77 Abs. 2 Ziff. 3 UStDB). Im Fall a) habe bereits die Freihafenwerft Ausfuhrvergütung bekommen, so daß einer nochmaligen Gewährung § 76 Abs. 1 UStDB entgegenstehe.
Der im Fall a) eingelegte Einspruch hatte ebensowenig Erfolg wie die Berufung bzw. die Sprungberufung in den Fällen b) und c). Das Finanzgericht teilte in sämtlichen Fällen die Auffassung des Finanzamts, daß die Schiffe lediglich durch das Inland durchgeführt worden seien. Zwar sei der Einsatz eines Schiffes eine Behandlung, die zu einer Änderung der Marktgängigkeit führen könne; nach richtig verstandener wirtschaftlicher Betrachtungsweise könne aber der Anteil an Fahrten in ausländischen und inländischen Gewässern nicht als einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang insgesamt wie ein Inlandseinsatz behandelt werden.
In der Rb. wird unrichtige Anwendung des geltenden Rechts, Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten und mangelhafte Sachaufklärung gerügt. Die Bfin. bezieht sich auf die Rechtsprechung des Senats, wonach ein Schiff aus dem Bereich der deutschen Wirtschaft nicht beim jeweiligen Überschreiten der Zollgrenze im Rahmen seines normalen Einsatzes ausscheide, sondern erst mit seiner Veräußerung. Daraus ergebe sich, daß auch der Gebrauch eines Schiffes auf hoher See eine Bearbeitung im Inland darstelle. Das Finanzgericht gehe von einer rechtlich nicht vertretbaren Auffassung aus, wenn es auf den geringen Fahrtanteil in inländischen Gewässern abstelle. Die durch den Gebrauch des Schiffes stattfindende Bearbeitung sei ein wirtschaftlich nicht zerlegbarer Vorgang. Bei seiner Auffassung habe das Finanzgericht auch das Zeitelement nicht genügend berücksichtigt, obwohl der Sachverständige sich dahin ausgelassen habe, daß es einem Käufer auf das Baujahr des Schiffes und auf den Gesamteinsatz eines Schiffes ankomme. Der Ausfuhrvergütung für das Schiff Z stehe auch § 76 Abs. 1 UStDB nicht entgegen, weil ein anderer als die Bfin. nicht vergütungsberechtigt sei und im übrigen eine Werklieferung nicht vorliege.
Entscheidungsgründe
Die Rbn., die der Senat entsprechend dem Antrag der Bfin. zu einheitlicher Entscheidung miteinander verbunden hat, haben keinen Erfolg.
1. Dem Finanzgericht kann allerdings nicht darin gefolgt werden, daß die beantragten Vergütungen nach § 77 Abs. 2 Ziff. 3 UStDB versagt werden müßten. Nach dieser Vorschrift ist Voraussetzung für eine Ausfuhrvergütung, daß der Gegenstand nicht nur durch das Inland durchgeführt worden ist, ohne im Inland be- oder verarbeitet worden zu sein. Dem Finanzgericht ist zwar darin zuzustimmen, daß auch der Gebrauch eines Gegenstandes eine Behandlung im Sinne des § 12 UStDB darstellt, durch die eine Änderung der Marktgängigkeit entstehen kann. Dies gilt auch für Seeschiffe, wie sich aus den Ausführungen des vom Finanzgericht gehörten Sachverständigen ergibt. Dieser hat ausgesagt, daß sich der Käufer eines Schiffes in erster Linie dafür interessiere, in welchem Jahr das Schiff gebaut worden sei. Die Marktgängigkeit von Seeschiffen wird demnach entscheidend durch deren Alter bestimmt. Das Finanzgericht hat allerdings die Änderung der Marktgängigkeit auf einen anderen Umstand abgestellt, nämlich auf die im Inland zurückgelegten Strecken. Der Sachverständige hat sich jedoch dahin geäußert, daß der Wert des Schiffes -- zweifellos ein Indiz für die Marktgängigkeit -- sich nicht danach richte, wie weit das Schiff im Inland und wie weit das Schiff im Ausland gefahren und dadurch entwertet worden sei. Demnach bewirkt das zunehmende Alter und der regelmäßig damit zusammenhängende Gebrauch eines Seeschiffes die Änderung seiner Marktgängigkeit, wobei die beteiligten Wirtschaftskreise nicht darauf abstellen, ob dieser Gebrauch im Inland oder im Ausland stattfindet.
Allerdings scheint der Wortlaut des § 77 Abs. 2 Ziff. 3 UStDB für die Auffassung des Finanzgerichts zu sprechen, wonach nur eine Be- oder Verarbeitung im Inland eine Durchfuhr ausschließt. Bei Anwendung dieser Vorschrift muß aber berücksichtigt werden, daß der Verordnungsgeber nur die gewöhnlichen Fälle der Be- oder Verarbeitung einschließlich des Gebrauchs im Auge gehabt hat. Der Einsatz von Seeschiffen unterscheidet sich aber grundlegend von dem Gebrauch von sonstigen Gegenständen; denn der Gebrauch von Seeschiffen spielt sich zwangsläufig überwiegend auf hoher See, das heißt im Ausland ab.
Der Senat hat darüber hinaus in den Urteilen V 151/61 U und V 161/61 U vom 10. Mai 1962 (BStBl 1962 III S. 295, Slg. Bd. 75 S. 73, 76) die Auffassung vertreten, daß bei einem Schiff, solange es unter deutscher Flagge fährt, einem inländischen Reeder gehört, einen deutschen Heimathafen hat und im Schiffsregister eines deutschen Gerichts registriert ist, nicht von einer Ausfuhr gesprochen werden kann, auch wenn es überwiegend im Ausland eingesetzt ist. Nur solche Schiffsbewegungen sind vergütungsrechtlich beachtlich, die bei regelmäßigem Ablauf der Dinge endgültige Veränderungen erwarten lassen. Es würde sowohl der Verkehrsanschauung als auch der eben dargestellten Rechtsprechung des Senats widersprechen, wenn man bei der Frage des Gebrauchs eines Seeschiffes ausschließlich auf dessen Einsatz im Inland abstellen würde. § 77 Abs. 2 Ziff. 3 UStDB kann daher wegen der bei dem Gebrauch von Seeschiffen bestehenden besonderen Verhältnisse nicht wörtlich, sondern nur unter entsprechender Berücksichtigung dieser besonderen Umstände angewendet werden. Dies hat zur Folge, daß im Streitfall entgegen der Auffassung des Finanzgerichts nicht festgestellt werden kann, die ausgeführten Schiffe seien ohne Be- oder Verarbeitung durch das Inland nur durchgeführt worden.
Bei dieser Auffassung kann es dahingestellt bleiben, ob Schiffe, die sich auf hoher See befinden, umsatzsteuerrechtlich als Inland anzusehen sind oder nicht.
2. Gleichwohl können die Rbn. keinen Erfolg haben. Es braucht zwar im Regelfall nicht untersucht zu werden, in welcher Höhe der ausgeführte Gegenstand jeweils mit Umsatzsteuer vorbelastet ist. Nach § 16 Abs. 2 UStG wird die durchschnittlich auf den ausgeführten Gegenständen lastende Umsatzsteuer vergütet. Die Vergütungssätze für die Ausfuhrvergütung tragen dieser durchschnittlichen Belastung Rechnung. Anderseits liegt aber dem § 77 Abs. 2 Ziff. 3 UStDB die Vorstellung des Verordnungsgebers zugrunde, daß dann, wenn ein Gegenstand nur durchgeführt wird, eine Umsatzsteuervorbelastung nicht entsteht, eine solche vielmehr erst im Zusammenhang mit einer Be- oder Verarbeitung des Gegenstandes eintritt. Deshalb kommt in den Fällen, in denen der ausgeführte Gegenstand durch das Inland ohne Be- oder Verarbeitung nur durchgeführt worden ist, eine Ausfuhrvergütung nicht in Betracht. In § 77 Abs. 2 Ziff. 3 UStDB ist jedoch der Fall nicht geregelt, daß durch Bearbeitung einer Ware eine Umsatzsteuervorbelastung nicht eingetreten sein kann. Die UStDB enthalten insoweit eine Lücke. Denn man kann nicht davon ausgehen, daß der Verordnungsgeber auch für diese Fälle eine Ausfuhrvergütung gewähren wollte. Der Verordnungsgeber hat vielmehr die besonderen Verhältnisse, die mit dem Einsatz von Seeschiffen und der dadurch bewirkten Bearbeitung zusammenhängen, entweder nicht erkannt oder nicht vorbedacht. Hätte er sie erkannt oder vorbedacht, dann hätte er jedenfalls in solchen Fällen, in denen trotz Bearbeitung eine Umsatzsteuervorbelastung nicht eintritt, eine Ausfuhrvergütung vernünftigerweise nicht gewährt (vgl. Enneccerus-Nipperdey, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, 15. Aufl., 1. Halbband, S. 339).
Es ist auch sonst eine Umsatzsteuervorbelastung, die durch eine Bearbeitung oder Verarbeitung eingetreten sein könnte, nicht erkennbar. Für die Reparaturen der Schiffe B und F ist Umsatzsteuer deshalb nicht angefallen, weil sämtliche Reparaturen im Ausland durchgeführt worden sind. Die Überholung und Modernisierung des Schiffes Z ist gleichfalls im umsatzsteuerrechtlichen Ausland durchgeführt worden, so daß auch insoweit eine Umsatzsteuervorbelastung nicht eingetreten ist.
Für dieses Schiff sind allerdings auch inländische Reparatur- und Ausrüstungskosten in Höhe von 7744,42 DM bzw. 5812,08 DM angefallen. Gleichwohl kann aber die Bfin. nicht Ausfuhrvergütung erhalten. Die angefallenen Kosten sind so geringfügig, daß die dafür ausgeführten Arbeiten nicht als eine Bearbeitung angesehen werden können, die die Durchfuhr ausschließt.
3. Mit dieser Auffassung setzt sich der Senat auch nicht in Widerspruch zu den Urteilen V 161/61 U und V 162/61 U vom 10. Mai 1962 (BStBl 1962 III S. 295, 296, Slg. Bd. 75 S. 76 und 79), in denen für im Ausland gebaute und eingeführte und wieder ausgeführte Schiffe Ausfuhrvergütung zuerkannt worden ist. Denn beide Entscheidungen werden sowohl von § 77 Abs. 2 Ziff. 3 UStDB als auch von dem Grundgedanken des § 16 Abs. 2 UStG getragen. In dem einen Falle befand sich das Schiff mindestens schon seit Beginn der 20er Jahre im Bereich der deutschen Wirtschaft, war vielfach repariert und dadurch mit Umsatzsteuer, wenn auch nicht in genau festgestellter Höhe, vorbelastet worden. Auch im Fall V 162/61 U vom 10. Mai 1962, a. a. O., war das Schiff nach dem mitgeteilten Sachverhalt in inländischen Werften repariert worden. Somit besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen den entschiedenen Fällen und dem nunmehr zu entscheidenden.
Die Bfin. kann demnach für keines der ausgeführten Schiffe Ausfuhrvergütung erhalten. Die Rbn. waren unter diesen Umständen als unbegründet zurückzuweisen. Der Wert des Streitgegenstands beruht auf § 320 AO.
Fundstellen
BStBl III 1965, 680 |
BFHE 1966, 505 |