Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Hat ein Mieter auf dem gemieteten Grundstücke Gebäude errichtet und ist die Kündigung dieses Mietvertrages am Bewertungsstichtage mit einiger Wahrscheinlichkeit zu besorgen, so kann eine sich aus dem Mietvertrag ergebende Verpflichtung des Mieters, die Gebäude abzubrechen, bei der Bewertung der Gebäude nach § 50 Abs. 3 BewG berücksichtigt werden.
Die auf der Abbruchsverpflichtung beruhende Belastung, die eine Folge des Abbruchs selbst ist, kann in diesem Falle außerdem bei der Ermittlung des Einheitswertes des Betriebsvermögens nach § 62 Abs. 1 BewG als Betriebsschuld oder bei der Ermittlung des Gesamtvermögens nach § 74 Abs. 1 Ziff. 1 BewG als Schuld abgezogen werden. Der Wert dieser Schuld ist auf der Grundlage der am Bewertungsstichtage zu erwartenden Abbruchskosten zu ermitteln.
Normenkette
BewG § 50 Abs. 3, § 70/3, § 62 Abs. 1, § 103/1, § 74 Abs. 1 Ziff. 1, § 118/1/1
Tatbestand
Die Bgin. hatte ein Grundstück gemietet. Nach Ziff. 3 des Mietvertrages von 30. November / 8. Dezember 1939 war es ihr gestattet, auf diesem Grundstück Gebäude zu errichten. Die Bgin. machte von diesem Recht Gebrauch. Für die von ihr errichteten Gebäude war nach § 50 Abs. 3 BewG zuletzt auf den 1. Januar 1950 ein Einheitswert von 91.200 DM festgestellt worden. Die Vermieterin kündigte das Mietverhältnis am 21. Dezember 1956 zum 30. Juni 1957. Nach Ziff. 15 des Mietvertrages war die Bgin. verpflichtet, bei Beendigung des Mietverhältnisses die Flächen in allen Teilen, unterirdisch und oberirdisch, ordnungsmäßig geräumt der Vermieterin zurückzugeben. Damit war auch die Verpflichtung verbunden, die vorhandenen Gebäude abzubrechen. In ihrer Vermögensaufstellung zum 1. Januar 1957 setzte die Bgin. die auf dem gemieteten Grundstücke errichteten Gebäude mit dem Einheitswert von 91.200 DM an. Auf der Schuldenseite setzte sie eine Rückstellung wegen der Verpflichtung "zur Rückgabe der Gebäude und baulichen Anlagen an die Vermieterin ohne Entschädigung" in Höhe von gleichfalls 91.200 DM ein. Diese Rückstellung wurde vom Finanzamt sowohl bei der vorläufigen als auch bei der berichtigten vorläufigen Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens der Bgin. nicht anerkannt.
Die Sprungberufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht führte im wesentlichen aus: Durch die Kündigung des Mietvertrages am 21. Dezember 1956 sei die Verpflichtung der Bgin. zur Räumung des Grundstückes und zum Abbruch der von ihr darauf errichteten Baulichkeiten auf eigene Kosten zu einer am Stichtag unbedingt bestehenden, lediglich noch nicht fälligen Verpflichtung geworden. Die Erfüllung der Abbruchsverpflichtung habe nicht nur die Abbruchskosten mit sich gebracht, sondern auch die Aufgabe des Eigentums, des Besitzes und des Nutzungsrechtes an den Gebäuden in sich eingeschlossen. Es sei nicht einzusehen, warum diese Verpflichtung anders beurteilt werden solle wie die Verpflichtung, die Gebäude der Verpächterin entschädigungslos zu überlassen. Wirtschaftlich mache es keinen Unterschied, ob der Schuldner in Erfüllung einer Verpflichtung ein Vermögensobjekt dadurch einbüße, daß er es seinem Gläubiger überlasse oder dadurch, daß er es zerstöre. Die Verpflichtung müsse deshalb passiviert werden. Auf den Wert der Aufgabepflicht brauche sich die Bgin. auch nicht den Wert des Restnutzungsrechts bis zur Fälligkeit der Räumungspflicht anrechnen zu lassen.
Die Rb. wird vom Vorsteher des Finanzamts damit begründet, es fehle bei der Abbruchsverpflichtung an einer Verpflichtung gegenüber einem Dritten. Es könne höchstens eine Schuld der Bgin. gegenüber sich selbst angenommen werden. Das Urteil des Finanzgerichts verstoße insoweit gegen die Denkgesetze. Fraglich könne nur der Wert der Baulichkeiten am 1. Januar 1957 sein. Darüber könne aber nur bei der Einheitsbewertung dieser Gebäude entschieden werden.
Die Bgin. ist der Auffassung, das Finanzgericht habe die Abbruchsverpflichtung zu Recht als Schuld abgesetzt. Auf den Wert der Gebäude komme es nicht an. Im übrigen seien die Ausführungen des Finanzamts zu diesem Punkte neues tatsächliches Vorbringen, das im Rechtsbeschwerdeverfahren unbeachtlich sei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
I. - Der erkennende Senat hat sich mit der Frage, welche Bedeutung die bei Errichtung von Gebäuden auf fremden Grund und Boden vertraglich vereinbarte Abbruchsverpflichtung hat, bisher nur im Zusammenhang mit der Bewertung des Gebäudes nach § 50 Abs. 3 BewG befaßt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs III 217/52 U vom 23. Oktober 1953, BStBl 1953 III S. 352, Slg. Bd. 58 S. 158; III 97/58 U vom 27. Februar 1959, BStBl 1959 III S. 190, Slg. Bd. 68 S. 494, und III 339/58 U vom 3. März 1961, BStBl 1961 III S. 206, Slg. Bd. 72 S. 563). Aus diesen Urteilen ergibt sich, daß bei der Bewertung eines Gebäudes auf fremdem Grund und Boden die Wahrscheinlichkeit einer Kündigung des Mietverhältnisses und die daraus resultierende Abbruchsgefahr berücksichtigt werden kann. Diese Frage kann aber nur im Verfahren über die Feststellung des Einheitswertes des Gebäudes auf fremdem Grund und Boden entschieden werden. Ist, wie im Streitfalle, der Mietvertrag am Stichtag bereits gekündigt, so kann das zu einer niedrigeren Bewertung des Gebäudes und zu einer Fortschreibung des Einheitswertes des Gebäudes führen. Solange eine solche Fortschreibung nicht durchgeführt ist, muß der Einheitswert des Gebäudes auf fremdem Grund und Boden nach den §§ 66 Abs. 2, 57 Abs. 3 BewG unverändert in die Vermögensaufstellung, die die Grundlage für die Ermittlung des Einheitswertes des Betriebsvermögens bildet, übernommen werden.
II. - Von der Frage der Auswirkung der Abbruchsverpflichtung auf die Bewertung des Gebäudes ist jedoch die Frage, ob für eine auf dieser Abbruchsverpflichtung beruhende Belastung, die eine Folge des Abbruchs selbst ist, in die Vermögensaufstellung ein Schuldposten eingestellt werden kann, zu unterscheiden. Der Bgin. ist darin zuzustimmen, daß diese letzte Frage mit der Bewertung des Gebäudes nichts zu tun hat. Eine Schuld kann als Betriebsschuld nach § 62 Abs. 1 BewG bei der Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens abgezogen werden, wenn sie am Stichtag bestanden hat, d. h., wenn sie entstanden und noch nicht erloschen war. Eine abzugsfähige Schuld ist gegeben, wenn am Stichtag eine rechtliche Verpflichtung bestand und diese Verpflichtung den Schuldner auch tatsächlich und wirtschaftlich belastet. Das Finanzgericht hat zutreffend festgestellt, daß dies bei der Abbruchsverpflichtung der Bgin. am Stichtag infolge der Kündigung des Mietvertrages der Fall war. Diese Feststellung verstößt entgegen der Auffassung des Bf. nicht gegen die Denkgesetze. Der Bf. will diesen Verstoß daraus ableiten, daß die Abbruchsverpflichtung der Bgin. nur gegenüber ihr selbst, nicht aber gegenüber einem Dritten bestanden habe. Diese Ansicht ist rechtsirrtümlich. Die Bgin. war nach dem Mietvertrag verpflichtet, das gemietete Grundstück der Vermieterin ordnungsmäßig geräumt zurückzugeben. Zu einer ordnungsmäßigen Räumung gehörte auch, daß sie die von ihr errichteten Baulichkeiten abbrach. Diese Verpflichtung hatte sie gegenüber der Vermieterin. Diese hatte einen entsprechenden vertraglichen Anspruch gegen die Bgin. Das Finanzgericht ist demnach zu Recht davon ausgegangen, daß am Bewertungsstichtag für die Bgin. eine rechtsverbindliche Verpflichtung gegenüber der Vermieterin bestand, die von ihr errichteten Baulichkeiten abzubrechen.
III. - Das Finanzgericht hat die Höhe der Abbruchsverpflichtung in der Höhe des Einheitswertes der Gebäude zum Abzug zugelassen. Es hat sich dabei von der Erwägung leiten lassen, daß durch den Abbruch der Gebäude nicht nur Abbruchskosten entstehen, sondern darüber hinaus für die Bgin. auch das Eigentum, der Besitz und die Nutzungsrechte an den Baulichkeiten verlorengehen. Der drohende Verlust der Gebäude und der an ihnen bestehenden Rechte hat jedoch nur Auswirkungen auf den Wert dieser Baulichkeiten. Den Wert der Abbruchsverpflichtung kann er nicht beeinflussen. Dieser ist vielmehr nur nach den zu erwartenden Abbruchskosten zu bestimmen. Da das Finanzgericht dies verkannt hat, mußte die Vorentscheidung aufgehoben werden. Die Sache geht an das Finanzgericht zurück. Dieses wird noch die Höhe der am Stichtag zu erwartenden Abbruchs- und Planierungskosten zu ermitteln haben. Dabei wird es zu berücksichtigen haben, daß nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteile III 9/54 S vom 5. November 1954, BStBl 1954 III S. 381, Slg. Bd. 59 S. 447, und III 353/57 S vom 3. April 1959, BStBl 1959 III S. 300, Slg. Bd. 69 S. 97) eine formal bestehende Verbindlichkeit nur dann und insoweit zum Abzug zugelassen werden kann, als sie nach den Verhältnissen am Stichtag eine ernsthafte wirtschaftliche Belastung bedeutet. Das Finanzgericht wird deshalb auch Feststellungen darüber zu treffen habe, ob die Bgin. bereits am Stichtag mit der Vermieterin wegen des Zeitpunktes der Beendigung des Mietverhältnisses und wegen der Ausnahme bestimmter Baulichkeiten von der Abbruchsverpflichtung in Verhandlung getreten ist. Sollte das der Fall sein, so müßte das Ergebnis dieser Verhandlungen , das im Vertrag vom 4. / 11. Februar 1958 seinen Niederschlag gefunden hat, insoweit bei der Schätzung der Höhe der zu erwartenden Abbruchskosten berücksichtigt werden. Das Finanzgericht wird ferner darauf zu achten haben, daß der Abbruch erst geraume Zeit nach dem Stichtag vorgenommen wurde, so daß die Abbruchskosten nur mit einem auf ihren Gegenwartswert abgezinsten Betrag abgezogen werden können.
Fundstellen
Haufe-Index 411127 |
BStBl III 1964, 178 |
BFHE 1964, 458 |
BFHE 78, 458 |