Entscheidungsstichwort (Thema)
Handelsrecht Gesellschaftsrecht Verfahrensrecht/Abgabenordnung Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Wird ein Wohnbausparvertrag geschlossen, nachdem das damit zu finanzierende Wohngebäude bereits fertiggestellt ist, so können die angesparten Mittel nicht prämienunschädlich zur Ablösung von Bauverbindlichkeiten verwendet werden.
Abschn. 19 Abs. 2 Satz 2 WoPR 1956 enthält insoweit eine zutreffende Auslegung des WoPG.
Der Anspruch des Finanzamts auf Rückforderung von Wohnungsbauprämien nach § 5 Abs. 2 Satz 3 WoPG 1954 verjährt in einem Jahr. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch auf die Rückzahlung der Prämie wegen prämienschädlicher Verwendung begründet worden ist und das Finanzamt von der prämienschädlichen Verwendung Kenntnis erlangt hat.
Normenkette
AO §§ 144, 145 Abs. 1; WoPG § 5 Abs. 2, 4
Tatbestand
Das Finanzamt forderte vom Bf. Wohnungsbauprämien von 1.200 DM zurück, die auf Einzahlungen entfielen, die der Bf. in den Jahren 1955, 1956 und 1957 mit je 1.500 DM auf ein Sparkonto überwiesen hatte. Die Prämie betrug für jedes Jahr 400 DM. Der Bf. hatte bereits im Jahre 1954 auf das Sparkonto 1.500 DM eingezahlt und hatte dafür ebenfalls eine Wohnungsbauprämie von 400 DM erhalten; diese Wohnungsbauprämie forderte das Finanzamt aber nicht zurück. Der Sparvertrag war am 25. Januar 1954 geschlossen worden. Er wurde am 12. März 1955 geändert. Der Bf. hatte die änderung des ursprünglichen Vertrages wie folgt begründet: "Ich habe am 25. Januar 1954 bei Ihrer Kasse einen Antrag auf Abschluß eines prämienbegünstigten Wohnsparvertrages gestellt und monatlich DM 100,00 zu Gunsten des Sparkontos Nr. ... eingezahlt. Hierbei ist irrtümlich ein Antragsvordruck auf Abschluß eines Wohnsparvertrages mit festgelegten Sparraten von mir benutzt worden. Bei Abschluß des Wohnsparvertrages ist aber von mir beabsichtigt gewesen, jährlich den Höchstbetrag anzusparen, um den Höchstbetrag an Wohnbauprämie von DM 400,00 zu erhalten. Das geht auch schon daraus hervor, daß ich im Kalenderjahr 1954 außer den monatlichen Beträgen von DM 100,00 noch zusätzlich DM 300,00 angespart habe. Erst jetzt ist mir bekannt geworden, daß der Sparvertrag von Ihrer Kasse als Vertrag mit festgelegten Sparraten behandelt wird. Aus besonderen Gründen liegt mir aber daran, daß der abgeschlossene Sparvertrag als ein allgemeiner Sparvertrag geführt wird. Ich bitte deshalb, den am 25. Januar 1954 gestellten Antrag auf Abschluß eines prämienbegünstigten Wohnsparvertrages mit festgelegten Sparraten in einen allgemeinen Sparvertrag abändern zu wollen". Die Sparkasse änderte daraufhin den Sparvertrag entsprechend dem Antrag des Bf., weil nur irrtümlich ein falscher Antragsvordruck benutzt worden sei.
Das Finanzamt forderte die Prämien zurück, weil der Bf. das angesparte Geld prämienschädlich verwendet habe. Er habe mit dem Geld seit Ende 1957 in Raten 7c-Darlehen von 7.000 DM zurückgezahlt, die er zur Finanzierung seines Wohnhauses aufgenommen habe, das er am 15. Oktober 1954 bezogen hatte. Weiter habe er mit dem Geld am 20. Januar 1960 einen nicht abgewohnten Baukostenzuschuß eines ausziehenden Mieters zurückgezahlt.
Die Sprungberufung gegen den Rückforderungsbescheid hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht führte aus: Nach der Neufassung des Wohnungsbau-Prämiengesetzes (WoPG) vom 21. Dezember 1954 (BGBl I S. 482, BStBl 1954 I S. 709) müßten angesparte Beträge "zum Bau" eines Eigenheimes verwandt werden (§ 2 Abs. 1 Ziff. 3 WoPG); es genüge nicht, wie vorher nach § 2 Abs. 1 Ziff. 3 a WoPG vom 17. März 1952 (BGBl I S. 139, BStBl 1952 I S. 207), daß die Sparbeiträge zur "Finanzierung der Erstellung von Wohngebäuden" verwendet würden. Eine "vertragsmäßige" Verwendung nach § 5 Abs. 2 WoPG vom 21. Dezember 1954 sei nur die unmittelbare Verwendung zu den begünstigten Zwecken. Eine solche liege nicht vor, wenn bei Abschluß des Wohnbausparvertrages das Haus bereits fertiggestellt gewesen sei. Die beiden Verträge vom 25. Januar 1954 und vom 12. März 1955 seien keine Einheit. Der erste Vertrag habe über feste Sparraten von monatlich 100 DM gelautet, während der zweite Vertrag vom 12. März 1955 ein allgemeiner Sparvertrag gewesen sei; ferner sei der Vertrag vom 25. Januar 1954 nur auf drei Jahre abgeschlossen worden, während der Bf. in Wirklichkeit bis zum Jahre 1957, also für vier Jahre, Sparbeiträge angesammelt habe. Ein zunächst als Sparratenvertrag geschlossener Vertrag könne nicht rückwirkend in einen allgemeinen Sparvertrag umgewandelt werden. Das Rückforderungsrecht ergebe sich aus § 5 Abs. 2 WoPG, weil der Bf. die angesparten Beträge nicht vertragsmäßig verwendet habe. Die nicht vertragsmäßige Verwendung der angesparten Beträge stelle sich wie auch im Streitfall regelmäßig erst heraus, wenn die Prämien schon längst gewährt seien. Der Grundsatz von Treu und Glauben und die Vorschrift des § 96 Abs. 2 AO griffen gegenüber dem Rückforderungsrecht nach § 5 Abs. 2 WoPG nicht durch. Auch der Einwand der Verjährung sei nicht begründet. Schließlich könne auch dem Antrag auf Kostenerlaß nicht entsprochen werden.
Der Bf. rügt unrichtige Rechtsanwendung. Er führt aus, die Tilgung von Bauschulden sei mit dem Zweck des WoPG, Wohnungseigentum zu schaffen und die Vermögensbildung der minderbemittelten Bevölkerung zu fördern, durchaus zu vereinbaren. Es sei mit dem WoPG und mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht zu vereinbaren, wenn Abschn. 19 Abs. 2 der Richtlinien zur Durchführung des Wohnungsbau-Prämiengesetzes (WoPR) vom 12. Juli 1956 (Bundesanzeiger Nr. 136 vom 17. Juli 1956, BStBl 1956 I S. 365) die Verwendung der Mittel zur Abdeckung von Bauverbindlichkeiten nur zulasse, wenn die Sparverträge bereits vor Fertigstellung des Baues abgeschlossen seien. Die Vertragsänderung vom 12. März 1955 sei im übrigen kein neuer Vertrag, sondern habe nur der Richtigstellung eines früheren Versehens gedient. Schon der Vertrag vom 25. Januar 1954 hätte als allgemeiner Sparvertrag abgeschlossen werden sollen. Am 12. März 1955 sei das Wohnhaus auch erst zu 75 bis 80 v. H. fertiggestellt gewesen; er hätte noch in den Jahren 1955 bis 1957 weitere 6.300 DM an Herstellungskosten aufgewandt. Rechtlich könne das Finanzamt die Prämien nur zurückfordern, wenn die Voraussetzungen des § 96 Abs. 2 AO erfüllt seien. Auch der Grundsatz von Treu und Glauben greife ein, da dem Finanzamt der ganze Sachverhalt schon früher bekannt gewesen sei, wie er unter Zeugenbeweis gestellt habe. Auch die Verjährungsfrist sei unrichtig berechnet worden. Schließlich beantrage er Kostenfreiheit für das gesamte Rechtsmittelverfahren, da ihm vor Erlaß des Rückforderungsbescheides das rechtliche Gehör nicht gewährt worden sei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Das Finanzgericht konnte im Rahmen des ihm zustehenden Rechts zur freien Tatsachen- und Beweiswürdigung gemäß § 278 AO ohne Rechtsverstoß zu der Feststellung kommen, daß der Bf. mit der Sparkasse zwei verschiedene Verträge geschlossen habe, nämlich den Ratensparvertrag vom 25. Januar 1954 und den allgemeinen Sparvertrag vom 12. März 1955. Es brauchte nicht, wie der Bf. meint, zwingend zu der Annahme zu kommen, daß beide Verträge eine Einheit bildeten. Wenn rechtserfahrene Personen wie die Bank und der Bf. ausdrücklich einen Ratensparvertrag schließen, so wissen sie, was das bedeutet.
Mit Recht hat das Finanzgericht auch angenommen, daß auf den Vertrag vom 12. März 1955 die Vorschriften des WoPG vom 21. Dezember 1954 (a. a. O.) anzuwenden seien. Nach § 2 Abs. 1 Ziff. 3 dieses Gesetzes müssen aber die eingezahlten Sparbeiträge und die Prämien verwendet werden "zum Bau" eines Eigenheims, einer Kleinsiedlung usw. In Abschn. 19 Abs. 2 Satz 2 WoPR vom 12. Juli 1956 hat die Bundesregierung das Gesetz dahin ausgelegt, daß die Ablösung eigener Bauverbindlichkeiten nur dann einer Verwendung "zum Bau" gleichstehe, wenn das Wohngebäude bei Abschluß des Wohnbausparvertrages noch nicht fertiggestellt war. Diese Auslegung entspricht nach Auffassung des Senats dem Gesetz.
Den Sparvertrag vom 12. März 1955 hat der Bf. aber erst geschlossen, nachdem das Wohnhaus bereits fertiggestellt war, wie das Finanzgericht ohne Rechtsverstoß festgestellt hat. Der Bf. ist am 15. Oktober 1954 in das Haus eingezogen, das also zu dieser Zeit bezugsfertig gewesen sein muß. Daß der Bf. in den Jahren 1955 bis 1957 noch weitere 6.300 DM an Herstellungskosten aufgewandt hat, besagt nichts für die Zeit der Fertigstellung des Hauses. Es handelte sich um Kosten für die Herrichtung des Gartens, der Anlage eines Regenwassersickerschachtes, von Planierungsarbeiten in Eigenleistung, einer Einfriedung, des Anschlusses des Dachgeschosses an die Heizung, also in der Hauptsache um Außenanlagen und Bauergänzungen.
Schon nach Abschn. 5 Abs. 3 Ziff. 4 WoPR vom 4. Mai 1953 (BStBl 1953 I S. 54) war auf Grund des WoPG vom 17. März 1952 (BGBl I S. 139) die Ablösung eigener Bauverbindlichkeiten nur dann prämienunschädlich, wenn der Sparvertrag zu einer Zeit geschlossen war, als das Wohngebäude noch nicht fertiggestellt war. Es greift darum nicht durch, wenn der Bf. sich darauf beruft, daß bei Abschluß des Vertrages vom 12. März 1955 die WoPR 1956 noch nicht vorgelegen hätten.
Entgegen der Meinung des Bf. konnte der Gesetzgeber auch, ohne gegen Verfassungsgrundsätze zu verstoßen, bestimmen, daß nach Fertigstellung eines Wohngebäudes die Ablösung von Bauverbindlichkeiten nicht prämienbegünstigt sei, wenn der Wohnbausparvertrag erst nach Fertigstellung des Hauses geschlossen worden ist. Da die Gewährung von Wohnungsbauprämien eine Vergünstigung für Bausparer bildet, kann der Gesetzgeber die Bestimmungen im Rahmen seines Ermessens festlegen, die für die Gewährung der Vergünstigung erfüllt sein müssen. Wenn er hier die Wohnungsbauprämie davon abhängig gemacht hat, daß der Bausparvertrag vor der Fertigstellung des Hauses geschlossen werden müsse, so hat er damit die Grenzen seines Ermessens nicht überschritten.
Das Rückforderungsrecht beruht auf § 5 Abs. 2 WoPG 1954. Die Wohnungsbauprämie ist zusammen mit den angesparten Geldern zu dem vertragsmäßigen Zwecke zu verwenden (§ 5 Abs. 2 Satz 1 WoPG). Das hat der Bf. wie dargelegt, nicht getan, sondern er hat die Gelder in prämienschädlicher Weise zur Ablösung von Bauverbindlichkeiten verwendet. Aus diesem Grunde muß er nach § 5 Abs. 2 Satz 3 WoPG die Prämien zurückzahlen. Die Vorschrift des § 5 Abs. 2 Satz 3 WoPG ist ein gesetzlich besonders geregelter Anwendungsfall des schon in § 96 Abs. 1 Ziff. 3 AO enthaltenen allgemeinen Rechtsgedankens, daß begünstigende Verfügungen zurückgenommen werden können, wenn der Begünstigte die Verpflichtungen nicht erfüllt hat, die ihm bei der Gewährung der Vergünstigung auferlegt wurden. Die Vorschrift des § 96 Abs. 2 AO, wonach eine begünstigende Verfügung nur zurückgenommen werden kann, wenn sie durch unlautere Mittel erlangt worden ist, ist hier nicht anwendbar, weil die Prämien bereits gewährt waren, ehe der Bf. über die Spargelder und die Prämien verfügte. Das Rückforderungsrecht gründet sich auf prämienschädliche Handlungen, die nach dem Erlaß der begünstigenden Verfügung, d. h. der Gewährung der Prämien, liegen.
Indessen muß der Einwand der Verjährung zur Aufhebung der Vorentscheidung führen. Wann Ansprüche auf Rückzahlung von Prämien verjähren, ist im WoPG nicht ausdrücklich geregelt. Nach § 5 Abs. 4 WoPG 1954 finden auf die Festsetzung und Beitreibung der zurückzuzahlenden Prämien die Vorschriften der AO und ihrer Nebengesetze entsprechende Anwendung. Wie andere Ansprüche muß auch der Rückforderungsanspruch nach § 5 Abs. 2 Satz 3 WoPG der Verjährung unterliegen. Da § 5 Abs. 4 WoPG 1954 weitgehend auf die Vorschriften der AO verweist, nimmt der Senat an, daß damit auch die Verjährungsvorschriften der §§ 143 bis 149 AO in Bezug genommen sind und der Prämienrückforderungsanspruch zu den "übrigen" in § 144 AO erwähnten Ansprüchen rechnet und somit gemäß § 144 Satz 2 AO innerhalb eines Jahres verjährt. Die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 145 Abs. 1 AO mit Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, d. h. mit Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch auf die Rückzahlung der Prämie wegen prämienschädlicher Verwendung begründet worden ist und das Finanzamt davon Kenntnis erlangt hat. Der Senat ist der Auffassung, daß für die Verjährung des Rückforderungsanspruchs auf Wohnungsbauprämien die Grundsätze entsprechend anzuwenden sind, die von der Rechtsprechung zur Rückforderung von Umsatzsteuervergütungen entwickelt worden sind (vgl. dazu Sölch- Ringleb, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 1963, Anm. 69 zu § 16 des Umsatzsteuergesetzes).
Das Finanzgericht hat anscheinend davon abweichend der Berechnung der Verjährungsfrist den Zeitpunkt zugrunde gelegt, in dem das Finanzamt aus der erworbenen Kenntnis der Vorgänge die Folgerung zieht, indem es ausspricht, daß die Voraussetzungen für die Gewährung der Prämien nicht mehr vorliegen. Der Bf. hat unter Zeugenbeweis gestellt, daß das Finanzamt von vornherein von den Vorgängen Kenntnis hatte. Das Finanzgericht muß diese Zeugen vernehmen und prüfen, wann das Finanzamt erfahren hat, daß der Sparvertrag vom 25. Januar 1954 aufgehoben und der neue Vertrag vom 12. März 1955 geschlossen wurde.
Der Antrag des Bf. auf Erlaß der Kosten ist nicht begründet. Es braucht nicht geprüft zu werden, ob dem Bf. vor Erlaß des Rückforderungsbescheides das rechtliche Gehör gewährt worden ist. Denn ein Kostenerlaß kann hier schon deswegen nicht gewährt werden, da der Bf. das Rechtsmittel durchgeführt hat, statt es nach Prüfung der Rechtslage zurückzuziehen.
Fundstellen
Haufe-Index 411131 |
BStBl III 1964, 258 |
BFHE 1964, 71 |
BFHE 79, 71 |