Leitsatz (amtlich)
Hatte der Ehemann seinen Grundstücksmiteigentumsanteil an einem steuerbegünstigten Familienheim auf den anderen Ehegatten aus Anlaß der Ehescheidung übertragen, so lag darin eine Aufgabe des begünstigten Zwecks auch dann, wenn die geschiedene Ehefrau und das gemeinsame Kind weiterhin das Grundstück bewohnten.
Normenkette
Bayer. GrESWG 1958 Art. 1 Nr. 4 Buchst. a, Art. 4 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Der Kläger erwarb zusammen mit seiner damaligen Ehefrau durch notariell beurkundete Verträge in X ein vom Veräußerer errichtetes steuerbegünstigtes Familienheim zu Miteigentum nach gleichen Anteilen. Das FA (Beklagter) stellte den Erwerber nach Art. 1 Nr. 4 Buchst. a des Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau vom 11. Februar 1954 (GVBl 38, Bereinigte Sammlung des bayerischen Landesrechts III S. 439 - BayBS III, 439 -) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 12. November 1958 (GVBl 330) - GrESWG 1958 - zunächst von der Grunderwerbsteuer frei.
Innerhalb der Fünfjahresfrist überließ der Kläger seinen Anteil anläßlich der Scheidung der Ehefrau. Der Beklagte sah darin die Aufgabe des begünstigten Zwecks im Sinne des Art. 4 Abs. 1 GrESWG und erhob die Grunderwerbsteuer samt Nacherhebungszuschlag nach.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg.
Mit der Rechtsbeschwerde rügt der Kläger, daß das FG seiner Entscheidung das nicht mehr geltende Bayerische Gesetz über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau vom 11. Februar 1954 zugrunde gelegt habe. Der Kläger habe das Grundstück für sich und seine Familie erworben und darauf das "Familienheim" errichtet. Der Sinn des II. WoBauG sei der Verbleib des Eigenheims im Familienverband. Der begünstigte Zweck könne nicht beeinträchtigt werden, wenn ein Miteigentumsanteil auf eine dem Familienverband angehörende Person übertragen werde. Die Ehefrau gehöre steuerrechtlich auch nach der Scheidung gemäß § 10 Nr. 2 StAnpG zu den Familienangehörigen. Die Auslegung des GrESWG durch das FG widerspreche auch Art. 6 Abs. 1 GG. Denn die Übertragung des Hälfteanteils diene der Sicherung der Ehefrau und des gemeinsamen Kindes und damit der Familie. Auch Art. 6 Abs. 4 GG stehe der angegriffenen Auslegung entgegen. Denn der Kläger habe seinen Anteil gleichfalls und möglicherweise sogar überwiegend deshalb auf die Ehefrau übertragen, weil sie für das gemeinsame Kind die Sorge übernommen habe. Insoweit stehe ihre Stellung als Mutter im Vordergrund. Im übrigen hätte das FG die Ehefrau nach § 241 Abs. 2 AO zum Verfahren hinzuziehen müssen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Rechtsbeschwerde - jetzt Revision - des Klägers ist unbegründet.
Der Senat teilt die Auffassung des FG, daß der Kläger mit Übertragung seines Miteigentumsanteils auf die geschiedene Ehefrau den steuerbegünstigten Zweck vor Ablauf der Fünfjahresfrist aufgegeben hat.
Ideelles Miteigentum ist bürgerlich-rechtlich und grunderwerbsteuerrechtlich Volleigentum zu bestimmten Bruchteilen, auf das die Vorschriften über Alleineigentum anzuwenden sind (Urteil des BFH II 115/65 vom 19. Januar 1972, BFH 105, 58, BStBl II 1972, 474).
Nach Art. 1 Nr. 4 Buchst. a GrESWG in der für die streitigen Vorgänge geltenden Fassung des Änderungsgesetzes vom 12. November 1958 war der erste Erwerb eines grundsteuerbegünstigten und eigengenutzten Eigenheims von der Grunderwerbsteuer befreit. Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 GrESWG unterlag ein solcher Erwerbsvorgang der Steuer, wenn der begünstigte Zweck innerhalb von fünf Jahren aufgegegeben wurde. Begünstigter Zweck im Sinne des Art. 1 Nr. 4 Buchst. a GrESWG waren der rechtliche Erwerb und die tatsächliche Eigennutzung des Eigenheimes durch den ersten Erwerber. Dies setzte voraus, daß nach der auch hier maßgeblichen Begriffsbestimmung des § 7 Abs. 1 des II. WoBauG das Eigenheim zum Bewohnen durch den Erwerber selbst als Eigentümer oder durch Angehörige oder deren Familien bestimmt war (BFH-Urteil II 156/63 vom 1. August 1967, BFH 89, 540, BStBl III 1967, 706), und daß diese Zweckbestimmung innerhalb der Fünfjahresfrist erfüllt wurde bzw. aufrechterhalten blieb (vgl. BFH-Urteil II 147/64 vom 19. Dezember 1967, BFH 91, 382, BStBl II 1968, 358).
Zwar hat das Eigenheim die Eigenschaft als Familienheim nach § 7 Abs. 1 des II. WoBauG durch die Übertragung des Miteigentumsanteils nicht verloren; denn es diente insoweit entsprechend der ursprünglichen Widmung nach wie vor einem Angehörigen des Erwerbers und der Familie des Angehörigen als Heim. Wer Angehöriger ist, bestimmt sich dabei nicht nach § 10 StAnpG, sondern nach § 8 des II. WoBauG, da letztere Vorschrift als Spezialnorm der Begriffsbestimmung von steuerbegünstigtem Wohnraum nach dem II. WoBauG dient. Aber auch nach § 8 Abs. 2 Buchst. b des II. WoBauG war das gemeinsame Kind Angehöriger und die übrigen Personen gehörten zu dessen Familienangehörigen im Sinne von § 8 Abs. 1 des II. WoBauG. Die geschiedene Ehefrau des Klägers als Mutter war Verwandte nach § 8 Abs. 2 Buchst. b erster Halbsatz II. WoBauG und deren Kinder aus erster Ehe waren Verwandte nach § 8 Abs. 2 Buchst. b zweiter Halbsatz II. WoBauG in Verbindung mit § 1589 Abs. 1 BGB. Diese Frage, die für ein Verfahren nach § 131 AO von Bedeutung sein mag, kann hier jedoch letztlich dahingestellt bleiben. Denn weitere Voraussetzung für die Grunderwerbsteuerbefreiung war, daß der Kläger fünf Jahre ab Erwerb Eigentümer blieb. Er hat jedoch nach den nicht angegriffenen Feststellungen des FG sein Miteigentum innerhalb dieser fünf Jahre auf die geschiedene Ehefrau übertragen. Darin lag nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 GrESWG eine Aufgabe des steuerbegünstigten Zwecks im Sinne von Art. 1 Nr. 4 Buchst. a GrESWG (vgl. BFH-Urteil II 147/64 vom 19. Dezember 1967, BFH 91, 382, BStBl II 1968, 358). Als Weiterveräußerung im Sinne des Grunderwerbsteuerrechts kam dabei jeder Erwerbsvorgang in Betracht, sei er entgeltlich oder unentgeltlich (vgl. BFH-Urteil II R 26/67 vom 8. Dezember 1970, BFH 101, 312, 314, BStBl II 1971, 255). Auf das Ergebnis war auch die Person, an die weiterveräußert wurde, ohne Einfluß, selbst wenn bei ihr als Ehefrau die Voraussetzungen der Grunderwerbsteuerbefreiung ebenfalls erfüllt gewesen wären (vgl. BFH-Urteil II 156/63 vom 1. August 1967, BFH 89, 540, 542, BStBl III 1967, 706).
Diese nach Wortlaut und Gesetzeszweck zwingende Auslegung widersprach auch nicht Art. 6 Abs. 1 GG. Diese Grundrechtsnorm verbot bei der Besteuerung eine an die Ehe oder an die Familie anknüpfende Benachteiligung in dem Sinne, daß eine Steuerpflicht statuiert wurde, die ohne das Band der Ehe oder der Familie nicht eingetreten wäre (BVerfGE 16, 203, 208, BStBl I 1963, 620, 621). Da die Übertragung von Grundstückseigentum zwischen Fremden ebenfalls der Steuer unterlag, war eine grundgesetzwidrige Benachteiligung in der Besteuerung des Grundstücksübergangs zwischen Ehegatten nicht zu erblicken. Das galt um so mehr, wenn der Grundstückswechsel sich bei Scheidung der Ehe vollzog, also zu einem Zeitpunkt, in dem das Band der Ehe ohnehin gelöst wurde, der Schutzgedanke des Art. 6 Abs. 1 GG insoweit nicht mehr eingriff (vgl. BFH-Urteil II 115/65 vom 19. Januar 1972, BFH 105, 58, BStBl II 1972, 474). Auch Art. 6 Abs. 4 GG stand nicht entgegen. Denn der Anspruch, den die geschiedene Ehefrau als Mutter des gemeinsamen Kindes auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft hat, wurde nicht beeinträchtigt. Sie wurde weder diskriminierend schlechter gestellt, noch wurde ihr Hilfe in einer durch Mutterschaft begründeten Notlage oder doch in einer deshalb besondere Fürsorge erfordernden Lage versagt (vgl. Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Art. 6 Anm. 41 bis 44; Bonner Kommentar, Art. 6 II, Anm. 4a bis c; Brinkmann, Grundrechtskommentar zum Grundgesetz, Art. 6 Anm. 5a bis c; v. Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz, Art. 6 Anm. V 2).
Der Steuerbescheid ist auf das GrESWG 1954 in der Fassung des Änderungsgesetzes 1958 gestützt. Die Entscheidung des FG ist im Ergebnis zutreffend. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob das Urteil des FG auf das GrESWG in der nicht mehr geltenden Fassung vom 11. Februar 1954 (GVBl 38) gestützt wurde.
Es ist auch nicht zu beanstanden, daß das FG die geschiedene Ehefrau des Klägers nicht als Beteiligte zugezogen hat, da die Voraussetzungen nach § 241 AO a. F. nicht vorlagen.
Fundstellen
Haufe-Index 413267 |
BStBl II 1972, 832 |
BFHE 1972, 358 |