Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Verbindlichkeit ist nicht "spätvalutiert", wenn die Valuta tatsächlich vor dem 8. Mai 1945 gegeben worden ist und nach diesem Tage weder eine wesentliche änderung von Bestand oder Inhalt der Verbindlichkeit noch tatsächliche neue geldliche Transaktionen stattgefunden haben.

 

Normenkette

LAG § 101 Abs. 1

 

Tatbestand

Es ist streitig, ob die Vorschrift des § 101 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) anwendbar ist oder nicht.

Der Beschwerdeführer (Bf.) nahm im Jahre 1930 von einer Staatsbank zum Aufbau eines Hauses ein Darlehen von 120.000 GM auf. Zur Sicherung dieses Darlehens übernahm die Stadt X. die selbstschuldnerische Bürgschaft. Als Sicherheit des Rückgriffsanspruchs der Stadt gegen den Bf. wurde für diese auf dem Grundstück des Bf. eine Höchstbetragssicherungshypothek von 120.000 RM eingetragen.

Der dem Bf. von der Staatsbank eingeräumte Kredit war im Juli 1946 bis auf einen Betrag von 57.731,36 GM zurückgezahlt. Um diese Zeit war der Bf. bemüht, das Bürgschaftsverhältnis mit der Stadt zu beenden. Dies führte dazu, daß die Stadt die noch mit 57.731,36 RM valutierte Höchstbetragshypothek an die Staatsbank abtrat, wobei die Hypothek in eine Darlehnshypothek umgewandelt und den Bedingungen (Hypothekenbestimmungen) der Staatsbank angeglichen wurde. Dafür entließ die Staatsbank die Stadt aus der von dieser übernommenen selbstschuldnerischen Bürgschaft. Die Umschreibung der Hypothek auf die Bank erfolgte im Grundbuch am 8. April 1947.

Die der Hypothek zugrunde liegende Verbindlichkeit betrug am 20. Juni 1948 noch 49.025 RM. Das Finanzamt hat hieraus einen Schuldnergewinn von 44.122,50 DM errechnet und den Bf. in dieser Höhe zur Hypothekengewinnabgabe veranlagt.

Der Bf. wendet sich gegen die Heranziehung zur Hypothekengewinnabgabe. Er ist der Meinung, daß die der Hypothek am 20. Juni 1948 zugrunde liegende Verbindlichkeit bei zutreffender Würdigung der Vorgänge in den Jahren 1946 und 1947 als nach dem 8. Mai 1945 entstanden anzusehen und damit § 101 LAG anzuwenden sei. Das Darlehen von 57.731,36 RM, zu dessen Sicherung im Jahre 1947 die Hypothek von der Stadt an die Staatsbank abgetreten wurde, sei weder rechtlich noch wirtschaftlich mit dem ihm im Jahre 1930 von der Bank bewilligten Kredit von 120.000 GM identisch. Dies ergebe sich zunächst aus dem Bewilligungsschreiben der Staatsbank vom 15. Juli 1946, wonach mit der Darlehnsvaluta (57.731,36 RM) der im Jahre 1946 noch nicht getilgte Teil des 120.000 GM-Kredites aus dem Jahre 1930 zurückzuzahlen war. Auch die Darlehnsbedingungen wichen voreinander ab; denn das Darlehen aus dem Jahre 1946 sei erst zum 31. Dezember 1952 kündbar, das im Jahre 1930 aufgenommene hingegen schon zum 1. März 1934 rückzahlbar gewesen. Es sei daher ein Fall der Schulderneuerung (Novation) gegeben; das Darlehen aus dem Jahre 1930 sei durch das im Jahre 1946 aufgenommene ersetzt worden. Im übrigen sei die Vorschrift des § 101 LAG schon deshalb anzuwenden, weil die Hypothek im Grundbuch erst am 8. April 1947 für die Staatsbank eingetragen worden sei; für die Frage nach dem Entstehungszeitpunkt der Verbindlichkeit im Sinne des § 101 LAG sei aber die Begründung des dinglichen Rechts - also die Eintragung im Grundbuch - maßgebend.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Finanzamt und Finanzgericht vertraten im wesentlichen die Auffassung, daß mit der Abtretung der ursprünglich für die Stadt eingetragenen Sicherungshypothek an die Staatsbank lediglich die dingliche Sicherung ausgewechselt worden sei, ohne daß dadurch die schuldrechtliche Verbindlichkeit in ihrem Bestande oder Inhalte eine wesentliche änderung erfahren habe. Selbst wenn sich aber formalrechtlich zwei Darlehnsverträge abgelöst hätten, so handle es sich doch wirtschaftlich um die gleiche Verbindlichkeit; lediglich die Sicherung der Gläubigerrechte aus dieser Verbindlichkeit sei im Jahre 1947 insofern geändert worden, als die Staatsbank von diesem Zeitpunkte an eine dingliche Rechtsstellung erhalten habe. Dieser Umstand allein könne jedoch die Anwendung des § 101 LAG nicht begründen; denn bei dieser Vorschrift stehe nach ihrem Sinn und Zweck die schuldrechtliche Seite des Rechtsverhältnisses - also die obligatorische Verbindlichkeit - im Vordergrund. Diese aber sei nicht im Jahre 1947, sondern im Jahre 1930 begründet worden, also vor dem 8. Mai 1945 entstanden. Nur diese Auffassung werde der wirtschaftlichen Seite des festgestellten Sachverhaltes gerecht, wie sie auch für die Anwendung der Bestimmungen des LAG zu beachten sei.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt der Bf. erneut fehlerhafte Auslegung des § 101 LAG in der Frage, welcher Zeitpunkt für die Entstehung der Verbindlichkeit maßgebend sei. Der Bf. verwahrt sich in diesem Zusammenhange insbesondere gegen die Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, deren Geltung für das Recht der Hypothekengewinnabgabe von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht anerkannt worden sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Die Anwendung des § 101 LAG ist nur möglich, wenn die der Umstellung unterliegende Verbindlichkeit nach dem 8. Mai 1945 entstanden ist. Der Bf. hält diese Voraussetzung für gegeben, weil die in Rede stehende Hypothek erst im Jahre 1947 an die Staatsbank abgetreten worden und nach seiner Auffassung für die Frage nach dem Entstehungszeitpunkt die dingliche Sicherung maßgebend sei. Dem kann nicht beigetreten werden. Wie der Senat bereits in seinem Urteil III 261/56 S vom 2. November 1956 (BStBl 1956 III S. 388, Slg. Bd. 63 S. 502) ausgesprochen hat, ist eine Verbindlichkeit im Sinne des § 101 Abs. 1 LAG nur dann spätvalutiert, wenn sie nach dem 8. Mai 1945 entstanden ist. Damit ist gleichzeitig ausgesprochen, daß der Zeitpunkt der Eintragung des Grundpfandrechtes im Rahmen des § 101 LAG ohne Bedeutung ist. An dieser Auffassung wird festgehalten. Da § 101 Abs. 1 LAG nur Fälle betrifft, in denen der Schuldner die - eine Verbindlichkeit begründende - Valuta in entwerteter RM erhalten hat, ist der Zeitpunkt der Entstehung der Verbindlichkeit von entscheidender Bedeutung. Die Sicherung durch ein Grundpfandrecht kann nachfolgen.

Unter diesem Gesichtswinkel ist auch die weitere - für den Rechtsstreit entscheidende - Frage zu beantworten, wann im gegebenen Falle die der Hypothek am 20. Juni 1948 zugrunde liegende Verbindlichkeit entstanden ist. Denn die Begründung des Schuldverhältnisses fällt zeitlich in der Regel mit der Hingabe der Valuta durch den Gläubiger (oder deren Empfang durch den Schuldner) zusammen. Nach der Entscheidung des Senats III 203/56 S vom 23. November 1956 (BStBl 1957 III S. 20, Slg. Bd. 64 S. 55) kann eine spätvalutierte Verbindlichkeit im Sinne des § 101 Abs. 1 LAG nicht angenommen werden, wenn der Schuldner nach dem 8. Mai 1945 überhaupt keine Valuta empfangen hat.

Von diesen überlegungen ausgehend hat das Finanzgericht keine spätvalutierte Verbindlichkeit als vorliegend erachtet; denn im Jahre 1947 sei lediglich die dingliche Sicherung, nicht aber die schuldrechtliche Verbindlichkeit ausgewechselt worden. Zwar ist dem Bf. zuzugeben, daß aus dem Schreiben der Staatsbank vom 15. Juli 1946 zunächst ein gegenteiliger Eindruck insofern entstehen könnte, als dort von der Bewilligung eines Darlehens in Höhe von 57.731,36 RM die Rede ist, mit dem das Darlehen aus dem Jahre 1930 (120.000 GM) in Höhe des noch zu Buch stehenden Restes von 57.731,36 GM "zurückzuzahlen" sei. Der GM-Darlehnsrest (57.731,36 GM) ist jedoch im Jahre 1947 anläßlich der Abtretung der Hypothek von der Stadt an die Staatsbank tatsächlich nicht zurückgezahlt worden. Vielmehr hat die Staatsbank nach Umschreibung der Hypothek im Grundbuch lediglich ein neues Hypothekenkonto für den Bf. mit dem auf dem GM-Darlehnskonto bestehenden Saldo von 57.731,36 RM eröffnet, wodurch das GM-Darlehnskonto aus dem Jahre 1930 ausgeglichen wurde. Im Kern hat es sich hierbei im eine interne Umbuchung der Staatsbank gehandelt. Dies ergibt sich eindeutig aus einer in den Akten der Staatsbank abgehefteten Anweisung für die "Hypotheken-Auszahlung" vom 21. April 1947. Sonach besteht kein Zweifel, daß eine Geldbewegung oder eine gleichwertige Transaktion in Zusammenhang mit der Abtretung der Hypothek nicht stattgefunden hat. Darauf aber kommt es für die Anwendung des § 101 LAG entscheidend an. Der Bf. hat das der Hypothek zugrunde liegende Darlehen - die Valuta - nicht erst im Jahre 1947 - also auch nicht in entwerteter RM - erhalten. Die Verbindlichkeit ist nicht nach dem Stichtage des § 101 LAG entstanden, sie ist nicht spätvalutiert. Für diesen von dem Finanzgericht gezogenen Schluß bedarf es nicht eines Zurückgreifens auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409454

BStBl III 1959, 411

BFHE 1960, 402

BFHE 69, 402

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