Leitsatz (amtlich)
Das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland für in den Vereinigten Staaten nicht steuerbefreite Einkünfte aus Quellen innerhalb der Vereinigten Staaten wird nicht dadurch begründet, daß der Steuerpflichtige in den Vereinigten Staaten keine Steuererklärung abgegeben hat und deshalb dort nicht besteuert wurde.
Normenkette
EStG § 3 Nr. 41, § 49; EStDV § 68b; DBA USA i.d.F. des Protokolls vom 17. September 1965 Art. 2; DBA USA i.d.F. des Protokolls vom 17. September 1965 Art. 10; DBA USA i.d.F. des Protokolls vom 17. September 1965 Art. 15; DBA USA i.d.F. des Protokolls vom 17. September 1965 Art. XVI
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute. Der Kläger ist bei einem inländischen Unternehmen als Arbeitnehmer beschäftigt. Vom 20. Januar bis 23. Juli 1969 war er im Auftrag seines Arbeitgebers zu Montagearbeiten in den USA, behielt aber seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland bei. Der Arbeitgeber zahlte dem Kläger für diese Auslandstätigkeit aufgrund einer Lohnsteuerbefreiungsbescheinigung des zuständigen FA Bezüge von insgesamt 12 757,20 DM steuerfrei aus und unterwarf lediglich die Vergütungen für die vom Kläger 1969 im Inland geleistete Arbeit der Lohnsteuer.
Der Kläger zahlte für seine Auslandsbezüge in den USA keine Steuer. Er gibt an, von einer Steuerpflicht in den USA nichts gewußt zu haben. Er sei dort nicht zur Abgabe einer Steuererklärung aufgefordert worden. Auch hätten bei seiner Ausreise die Kontrollorgane eine steuerliche Entlastungsbescheinigung nicht verlangt.
Bei der Einkommensteuerveranlagung der Kläger unterwarf der Beklagte und Revisionskläger (FA) - abweichend von der Freistellungsbescheinigung - auch die für die Auslandstätigkeit gezahlten Bezüge der Einkommensteuer. Das FA vertrat die Ansicht, daß in den Fällen, in denen zwischen der Bundesrepublik und anderen Staaten Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung - DBA - abgeschlossen seien, das Welteinkommen der betroffenen Person auch tatsächlich steuerlich voll erfaßt werden müsse. Das FA stützte sich dabei auf einen Erlaß des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 24. Januar 1969 - S 1301-39-VB 1 (abgedruckt in Einkommensteuerkartei Nordrhein-Westfalen, Anh. DBA Nr. 53). Wenn ein Steuerpflichtiger für einen bestimmten Sachverhalt unter Berufung auf das maßgebliche DBA Befreiung von der deutschen Steuer begehre, so setze dies nach Treu und Glauben voraus, daß er der im Abkommen zugelassenen Besteuerung in dem anderen Vertragsstaat nicht mit einer anderen Sachverhaltsdarstellung begegne. Diesen Fällen einer ausdrücklichen anderen Sachverhaltsdarstellung in dem anderen Vertragsstaat seien nach dem Sinn des in Bezug genommenen Erlasses solche Fälle gleichzustellen, in denen der Steuerpflichtige den in dem anderen Vertragsstaat gesetzlich auferlegten Steuererklärungspflichten nicht nachkomme.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte zum Teil Erfolg. Das FG vertrat die Auffassung, daß die streitigen Einkünfte in der Bundesrepublik gemäß § 3 Nr. 41 EStG in Verbindung mit den Bestimmungen des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und einiger anderer Steuern vom 22. Juli 1954 in der Fassung des Protokolls vom 17. September 1965 - BGBl II 1969, 746, BStBl I 1966, 865, - (DBA-USA) von der Einkommensteuer befreit seien. Das FG setzte die Einkommensteuer der Kläger nach diesen Grundsätzen unter Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts neu fest.
Mit seiner Revision beantragt das FA, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen. Es wiederholt im wesentlichen seine schon im Verfahren vor dem FG vertretene Rechtsauffassung.
Die Kläger beantragen, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Das FG hat zu Recht angenommen, daß die streitigen Einkünfte des Klägers nach § 3 Nr. 41 EStG in Verbindung mit den Bestimmungen des DBA-USA von der Besteuerung in der Bundesrepublik Deutschland ausgenommen sind.
a) Bei einer natürlichen Person mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland werden Einkünfte aus Quellen innerhalb der Vereinigten Staaten ausgenommen, die nach dem Abkommen in den Vereinigten Staaten nicht steuerbefreit sind (Art. XV Abs. 1 b Nr. 1 aa) DBA-USA). Gleiches würde gelten, wenn der Kläger - was hier offen bleiben kann - zugleich nach dem Recht der Vereinigten Staaten dort einen Wohnsitz innegehabt hätte (Art. XV Abs. 1 b Nr. 2 DBA-USA).
aa) Der streitige Arbeitslohn ist den Einkünften aus Quellen innerhalb der Vereinigten Staaten zuzurechnen. Nach welchen Merkmalen diese Zurechnung zu bestimmen ist, regelt das Abkommen nicht unmittelbar. Es kommt daher Art. II Abs. 2 DBA-USA zum Zuge. Danach wird bei Anwendung der Vorschriften des Abkommens jeder Vertragsstaat, sofern sich aus dem Zusammenhang nichts anderes ergibt, jedem nicht anders bestimmten Begriff den Sinn beilegen, der ihm nach den eigenen maßgebenden Gesetzen zukommt.
Da die Frage, welchen Quellen Einkünfte zuzurechnen sind, im DBA-USA nicht ausdrücklich geregelt ist, sind die Vorschriften des § 49 EStG über die beschränkte Steuerpflicht und die zu § 34 c EStG ergangene Bestimmung des § 68b EStDV über ausländische Einkünfte sinngemäß anzuwenden (Korn-Dietz-Debatin, Doppelbesteuerung, DBA-USA, Art. XV Anm. 2 b, bb). Da der Kläger die nichtselbständige Arbeit, aus der die hier streitigen Einkünfte herrühren, in den Vereinigten Staaten "ausgeübt" hat (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG und § 68 b Nr. 5 EStDV), handelt es sich um Einkünfte aus Quellen innerhalb der Vereinigten Staaten (vgl. zum DBA-USA 1954 Urteil des BFH vom 2. Mai 1969 I R 176/66, BFHE 96, 163, BStBl II 1969, 579).
bb) Vergütungen für Arbeit und persönliche Dienste, die eine natürliche Person mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland in den Vereinigten Staaten leistet, sind dort neben anderen Voraussetzungen dann steuerbefreit, wenn sich die natürliche Person in den Vereinigten Staaten insgesamt nicht länger als 183 Tage während eines Steuerjahres aufgehalten hat (Art. X Abs. 2 DBA-USA). Im Streitfall betrug der Aufenthalt des Klägers in den Vereinigten Staaten - wie das FG in tatsächlicher Hinsicht für das Revisionsgericht bindend festgestellt hat (§ 118 Abs. 2 FGO) - insgesamt 185 Tage. Die Steuerbefreiung in den Vereinigten Staaten kommt mithin nicht zum Zuge.
b) Das FG hat schließlich auch zutreffend dargelegt, daß der Bundesrepublik Deutschland im Streitfall das Besteuerungsrecht nicht etwa deshalb zusteht, weil die Vereinigten Staaten - aus welchem Grunde auch immer - von ihrem Besteuerungsrecht keinen Gebrauch gemacht haben. Der Verzicht eines Vertragsstaates auf das Besteuerungsrecht gilt - soweit in einem Abkommen nichts Gegenteiliges bestimmt ist - zwingend und ausnahmslos. Dies folgt aus dem Verbot der virtuellen Doppelbesteuerung (BFH-Urteil vom 7. Juli 1967 III 210/61, BFHE 89, 138, BStBl III 1967, 588 - I am Ende - unter Bezugnahme auf das Urteil des RFH vom 29. Februar 1940 III 206/39, RStBl 1940, 532).
2. Die Folgerungen, die das FA im Streitfall aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ziehen will, gehen fehl. Es ist im Streitfall nicht festgestellt und auch nicht behauptet worden, daß sich der Kläger gegenüber den Behörden der Vereinigten Staaten in Widerspruch zu seinem Verhalten vor den deutschen Steuerbehörden gesetzt habe. Der erkennende Senat hat daher im Streitfall keine Veranlassung, näher zu der Frage Stellung zu nehmen, ob der Erlaß des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 24. Januar 1969, a. a. O., der eine widersprüchliche Sachverhaltsdarstellung eines Steuerpflichtigen in beiden Vertragsstaaten voraussetzt, mit dem geltenden Recht im Einklang steht. Jedenfalls wird das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland für in den Vereinigten Staaten nicht steuerbefreite Einkünfte aus Quellen innerhalb der Vereinigten Staaten nicht dadurch begründet, daß der Steuerpflichtige in den Vereinigten Staaten keine Steuererklärung abgegeben hat und deshalb dort nicht besteuert wurde. Denn der inländische Steuergläubiger kann aus der Verletzung von Steuererklärungspflichten gegenüber einem ausländischen Steuergläubiger keine Rechtsfolgen zu seinen Gunsten herleiten.
3. Das FA kann sich schließlich auch nicht auf Art. XVI Abs. 2 DBA-USA berufen. Danach darf jeder der beiden Vertragsstaaten Steuern des anderen Staates wie seine eigenen Steuern insoweit einziehen, als damit verhindert wird, daß etwaige Steuerbefreiungen oder Ermäßigungen des Steuersatzes, die der andere Staat nach dem Abkommen gewährt, Personen zugute kommen, die auf diese Begünstigungen keinen Anspruch haben. Das Wort "einziehen" kann aber nur so gedeutet werden, daß damit eine Vollstreckungshilfe des einen Vertragsstaats für den anderen begründet werden sollte (vgl. Korn-Dietz-Debatin, a. a. O., Anm. zu XVI). Das Recht, anstelle des anderen Staates selbst das Besteuerungsrecht auszuüben, folgt aus dieser Bestimmung des DBA nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 71157 |
BStBl II 1975, 61 |
BFHE 1975, 437 |