Leitsatz (amtlich)
Zur Abzugsfähigkeit der Kosten eines im Ausland besuchten Sprachkurses als Betriebsausgaben oder Werbungskosten.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1
Tatbestand
Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1970, ob Aufwendungen für Sprachkurse im Ausland als Werbungskosten des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) und als Betriebsausgaben seiner Ehefrau abzugsfähig sind.
Der Kläger ist als Diplom-Chemiker bei einem multinationalen Unternehmen beschäftigt. Im Streitjahr war er als Sachbearbeiter in der Abteilung ... u. a. für Spanien und für die lateinamerikanischen Länder zuständig. Seine Ehefrau ist diplomierte Dolmetscherin. Sie führt als selbständige Sprachlehrerin bei dem gleichen Unternehmen Sprachkurse für Spanisch (inzwischen auch für Englisch) durch.
Vom 1. bis 31. August des Streitjahres nahmen die Eheleute an einem Sprachkurs einer spanischen Universität (Santiago de la Compostela in La Coruna) teil. Der Kläger besuchte zunächst den Grundkurs, später den Mittelkurs; seine Ehefrau nahm am Oberkurs teil. Der Unterricht gestaltete sich wie folgt:
Montag bis Freitag
9.00 bis 11.00 Uhr Lese- und Sprechübungen, Grammatik, Aufsatz, Diktat, Übersetzungen und ähnliches.
11.15 bis 13.00 Uhr Vorlesungen über Geographie, Geschichte, Kunst und Literatur des Gastlandes sowie über Spaniens Beziehungen zur übrigen Welt.
17.00 Uhr Sprech- und Ausdrucksübungen
19.00 Uhr Vorträge über spanische Musik, Landesbrauchtum usw.
Samstag, Sonntag
Geographische oder kulturhistorische Exkursionen.
Durch die Teilnahme an den Sprachkursen entstanden den Eheleuten Aufwendungen in Höhe von 6 308 DM (Unterkunft und Verpflegung 4 640 DM, Flugkosten 1 156 DM, Lehrgangskosten/Exkursionen 512 DM), die sie je zur Hälfte als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (Kläger) und als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit (Ehefrau) geltend machen.
Nach Auskunft der Arbeitgeberin des Klägers liegt der Besuch von Fremdsprachkursen grundsätzlich im Interesse des Unternehmens und wird als Teil der beruflichen Weiterbildung betrachtet. In jedem Fall sei es von Nutzen und Vorteil, die Sprache des Verhandlungspartners zu beherrschen. Die vom Kläger zu bearbeitenden Unterlagen für Investitionsvorhaben in Spanien und Südamerika lägen nur in spanischer Sprache vor.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) verweigerte den Abzug der strittigen Kosten unter Berufung auf § 12 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen aus: Es könne zwar davon ausgegangen werden, daß der Kläger seine Spanischkenntnisse auch bei seiner Berufstätigkeit verwerten könne. Der durchgeführte Sprachkursus könne ferner nicht mit den üblichen Bildungsreisen verglichen werden, bei denen im wesentlichen nur Sehenswürdigkeiten oder öffentliche Einrichtungen des Gastlandes besichtigt würden. Mit dem Kläger sei auch davon auszugehen, daß zur wirklichen Erlernung einer Sprache die Auslandspraxis i. V. m. einem Unterricht von Lehrkräften, die nur die Landessprache verwendeten, unerläßlich sei. Dennoch stehe der Abzugsfähigkeit der geltend gemachten Kosten als Werbungskosten des Klägers die Vorschrift des § 12 Nr. 1 EStG entgegen. Im Streitfall könne nicht davon ausgegangen werden, daß die berufliche Veranlassung weitaus überwiegend und ein privater Zweck an den Auslandssprachkursen nahezu ausgeschlossen gewesen sei, da die Teilnahme am Sprachkurs Urlaubskomponenten aufweise. So sei der einmonatige (ohne Ab- und Anreise) Kurs während der üblichen Ferienzeit in einer nicht uninteressanten Gegend Spaniens abgehalten worden. Seit 1965 bis 1975 habe der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau jährlich während der Urlaubszeit Sprachkurse in westeuropäischen Ländern (England, Spanien, Portugal, Frankreich, Italien) besucht. Hieraus werde deutlich, daß die Eheleute ein ernsthaftes Fremdsprachenhobby betrieben und ihren Urlaub dazu benutzten, ihren Erfahrungs-, Erlebnis- und Wissensschatz durch Kennenlernen fremder Länder und Sprachen zu erweitern. Der Einwand des Klägers, die Kurse seien anstrengend gewesen und von Erholung könne keine Rede sein, sei vordergründig. Erholung könne sich auch dann einstellen, wenn eine geistige Anspannung, die Anregung und Erfüllung bringe, mit Ruhepausen und Ablenkung in neuer Umgebung gepaart sei. Schließlich komme hinzu, daß der Kläger nach seinen eigenen Schilderungen der beruflichen Verwertung seiner Fremdsprachenkenntnisse im wesentlichen eine betriebswirtschaftlich und chemisch-wissenschaftlich geprägte Sprache (Fachsprache) benötige. Durch den Kurs sei demgegenüber die Hochsprache des Landes i. V. m. einem breiten anspruchsvollen Allgemeinangebot (Geschichte, Kunstgeschichte, Geographie, Literatur, Musik, Landesbrauchtum usw.) vermittelt worden. Hierdurch werde dem Kläger zwar die Erlernung der Fachsprache erleichtert. Diese mittelbare Wirkung genüge aber nicht, eine fast ausschließliche berufliche Veranlassung darzutun. Ebenso reiche der weitere mittelbare Effekt nicht aus, daß in einem multinationalen Unternehmen Fremdsprachenkenntnisse allgemein das Fortkommen erleichterten.
Auch die auf die Ehefrau des Klägers entfallenden Kosten könnten nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden. Im Gegensatz zur Beurteilung der Kosten des Klägers sei zwar bei der Ehefrau ein unmittelbarer beruflicher Anlaß für die Teilnahme an einem Fremdsprachenkurs gegeben, da sie diplomierte Dolmetscherin und Sprachlehrerin sei. Dennoch sei im Streitfall der Sprachkurs nicht ausschließlich oder nahezu ausschließlich beruflich veranlaßt. Denn auch insoweit spielten die gleichen nicht unbedeutenden Urlaubselemente wie beim Kläger hinein. Bezeichnend sei in diesem Zusammenhang noch, daß die Ehefrau im Verlauf der Jahre auch Kurse in Sprachen besucht habe, die sie nicht lehre.
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung führt er im wesentlichen aus: Das FG habe festgestellt, daß die Sprachkurse seinem Beruf und dem seiner Ehefrau gedient hätten. Daher sei der Abzug der geltend gemachten Kosten als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten geboten. Dagegen spreche nicht die Orts- und Zeitwahl der Hochschulkurse. Hierauf hätten er und seine Ehefrau keinen Einfluß gehabt. Die Kurse könnten von den Universitäten nur in den Hochschulferien abgehalten werden. Der Wechsel der Universitäten von Jahr zu Jahr sei notwendig gewesen, um neue Anstöße durch andere Professoren und neue Programme zu bekommen. Man könne die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen auch nicht davon abhängig machen, ob die Teilnahme an den Sprachkursen strapaziös gewesen sei oder nicht und ob ein Interesse an Fremdsprachen bestehe. Denn jede Berufswahl und berufliche Weiterbildung beruhe auf persönlichen Rücksichtnahmen und Interessen. Die Stadt, in der die Kurse stattgefunden haben, habe sich für einen Ferienaufenthalt nicht angeboten, so daß sich auch aus der Ortswahl keine private Veranlassung ableiten lasse. Schließlich scheitere die Abzugsfähigkeit der Kosten auch nicht daran, daß die sprachlichen Übungen unter Berücksichtigung der Literatur, der Kunst und der Geschichte des jeweiligen Landes dargeboten würden. In Stoffauswahl und Stoffdarbietung müsse die jeweilige Universität darauf Rücksicht nehmen, daß eine entsprechende Interessentenzahl für die Kurse gefunden werden müsse.
Das FA tritt der Revision mit den Gründen der Vorentscheidung entgegen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Betriebsausgaben sind nach § 4 Abs. 4 EStG Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Entsprechendes gilt für Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG, deren Abziehbarkeit grundsätzlich nicht anders zu beurteilen ist (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213, unter C I der Entscheidungsgründe). Der Begriff der betrieblichen bzw. beruflichen Veranlassung erfordert, daß ein objektiver wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und dem Betrieb bzw. Beruf besteht. Weiter ist Voraussetzung, daß die aus betrieblichen oder beruflichen Gründen aufgewendeten Kosten nicht zugleich Aufwendungen für die Lebensführung des Steuerpflichtigen darstellen. Der Abzugsfähigkeit derartiger gemischter Aufwendungen steht grundsätzlich die Vorschrift des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG entgegen, die mit dem in ihr niedergelegten Aufteilungsund Abzugsverbot verhindern soll, daß Steuerpflichtige durch eine mehr oder weniger zufällige oder bewußt herbeigeführte Verbindung zwischen beruflichen und privaten Interessen Aufwendungen für ihre Lebensführung deshalb z. T. in einen einkommensteuerrechtlich relevanten Bereich verlagern können, weil sie einen Beruf haben, der ihnen dies ermöglicht, während andere Steuerpflichtige gleichartige Aufwendungen aus zu versteuernden Einkünften decken müssen (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 12. April 1979 IV R 106/77, BFHE 127, 533, BStBl II 1979, 513, mit weiteren Nachweisen).
Gemischte Aufwendungen können allerdings dann als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzugsfähig sein, wenn die betriebliche oder berufliche Veranlassung bei weitem überwiegt und die Befriedigung privater Interessen wie z. B. Erholung, Bildung und Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises nicht ins Gewicht fällt und von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. Beschlüsse des Großen Senats vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17, und Beschluß in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213).
Für den Abzug der Kosten einer Reise ins Ausland als Betriebsausgaben oder Werbungskosten ist nach der BFH-Rechtsprechung demgemäß maßgebend, ob die Aufwendungen objektiv durch besondere berufliche Gegebenheiten veranlaßt sind und ob nach Anlaß der Reise, dem vorgesehenen Programm und der tatsächlichen Durchführung die Befriedigung privater Interessen nahezu ausgeschlossen ist (vgl. BFHE 127, 533, BStBl II 1979, 513, mit weiteren Nachweisen).
2. Die vorstehenden Grundsätze gelten auch für die Beurteilung der Abzugsfähigkeit der Kosten eines im Ausland abgehaltenen Sprachkurses. Die Entscheidung, ob berufs- oder betriebsbedingte Aufwendungen vorliegen und die Befriedigung privater Interessen nahezu ausgeschlossen ist, kann nur aufgrund der Würdigung aller Umstände des Einzelfalles getroffen werden. Dabei können folgende Merkmale einer derartigen Veranstaltung als gewichtige Indizien entweder für eine private oder eine berufliche bzw. eine betriebliche Veranlassung angesehen werden:
a) Der Anlaß für den Besuch von Sprachkursen - insbesondere bei den im Ausland abgehaltenen - besteht häufig in dem Interesse an einer Erweiterung des Wissens und einer Vertiefung der Allgemeinbildung. Für die betriebliche oder berufliche Veranlassung eines Auslandssprachkurses genügt es nicht, daß der Kurs der allgemeinen wirtschaftlichen Bildung des Teilnehmers dient oder dem Beruf daneben lediglich auch förderlich sein wird. Vielmehr muß grundsätzlich gefordert werden, daß der Sprachkurs auf die besonderen betrieblichen oder beruflichen Bedürfnisse des Teilnehmers zugeschnitten ist, sofern es sich nicht um einen zwingend erforderlichen Einführungskurs handelt. Daher kommt der Beurteilung des angebotenen Programms im Rahmen der Gesamtwürdigung besondere Bedeutung zu. Werden im Rahmen des Sprachkurses verstärkt allgemeinbildende Themen abgehandelt, so kann dies ein Indiz für eine nicht untergeordnete private Veranlassung (Vertiefung der Allgemeinbildung) des Besuchs des Sprachkurses sein.
b) Nicht ohne Beachtung darf bleiben, in welcher Gegend des besuchten Landes und in welcher Jahreszeit der Sprachkurs stattfindet und ob seitens der Teilnehmer die Möglichkeit besteht, an unterrichtsfreien Tagen entweder allein oder unter Anleitung des Veranstalters Einrichtungen und Besonderheiten des Landes kennenzulernen.
c) Ferner ist nicht unerheblich, ob der Besuch von Sprachkursen im Inland den gleichen Erfolg hätte haben können. Dabei kann das Verhältnis der reinen Lehrgangskosten zu den Gesamtkosten (Unterkunfts- und Reisekosten) Bedeutung erlangen.
d) Da Auslands-Sprachkurse häufig mit dem Jahresurlaub verknüpft werden, kann im Rahmen der Gesamtwürdigung schließlich auch die Gestaltung des Jahresurlaubs früherer Jahre wesentlich sein.
3. Das FG hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise erkannt, daß für den Besuch der Sprachkurse sowohl des Klägers als auch seiner Ehefrau nicht ganz untergeordnete private Motive ursächlich waren. Nach den Feststellungen des FG weist die Teilnahme sowohl des Klägers als auch seiner Ehefrau an den Sprachkursen unübersehbare Urlaubskomponenten auf. Der einmonatige Kurs ist in der üblichen Ferienzeit in einer nicht uninteressanten Gegend Spaniens abgehalten worden. Für einen normalen Erholungsurlaub von wenigstens zwei Wochen oder mehr blieb im Streitjahr keine Möglichkeit mehr. Auch in den vergangenen Jahren und in den dem Streitjahr folgenden Jahren (1965 bis 1975) haben der Kläger und seine Ehefrau alljährlich in ihrer Urlaubszeit ähnliche Sprachkurse in verschiedenen Ländern Westeuropas besucht. Wenn das FG aus diesen Umständen und den mit den Sprachkursen verbundenen Möglichkeiten zu Exkursionen an unterrichtsfreien Tagen und insbesondere an den Wochenenden sowohl beim Kläger als auch bei seiner Ehefrau auf ein nicht ganz unbedeutendes Urlaubsinteresse und auf ein ernsthaft betriebenes Fremdsprachenhobby geschlossen hat, so ist diese Wertung möglich und revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Dies gilt auch für die weitere Feststellung und Würdigung des FG, dem Kläger sei nicht etwa eine betriebswirtschaftlich und chemisch-wissenschaftliche Fachsprache vermittelt worden. Vielmehr sei den Kursteilnehmern in vielseitiger und anspruchsvoller Weise die Hochsprache des Landes nahegebracht worden: das breite Allgemeinangebot des Kurses (Geschichte, Kunstgeschichte, Geographie, Literatur, Musik, Landesbrauchtum usw.) sei für eine unmittelbare berufliche Verwertung des Klägers nicht in Frage gekommen. Erhärtet wird die Würdigung des FG noch dadurch, daß die reinen Lehrgangskosten (insgesamt 512 DM) zu den übrigen Kosten in einem Mißverhältnis stehen, so daß im Rahmen der Gesamtwürdigung auch hieraus der Schluß gerechtfertigt ist, daß Urlaubsinteressen für den Besuch des Sprachkurses in nicht unwesentlichem Maße mitausschlaggebend gewesen sind.
4. Die vorliegende Entscheidung steht nicht in Widerspruch zum Urteil des BFH vom 20. Oktober 1978 VI R 132/76 (BFHE 126, 275, BStBl II 1979, 114), in dem die Kosten für einen im Inland abgehaltenen Sprachkurs zum Werbungskostenabzug zugelassen worden sind. Im Gegensatz zum vorliegenden Streitfall war dort unstreitig, daß private Interessen für die Abhaltung des Sprachkurses nicht mitursächlich waren.
Fundstellen
Haufe-Index 73656 |
BStBl II 1980, 746 |
BFHE 1981, 361 |