Leitsatz (amtlich)
1. Die Möglichkeit eines Einzelunternehmens, über seine im Betriebsvermögen gehaltene Beteiligung an einer GmbH auf die Geschäftsbeziehungen in seinem Sinn günstig einzuwirken, kann Einfluß auf den Teilwert der Beteiligung haben; nicht jedoch die Möglichkeit der Einwirkung auf die Höhe der Geschäftsführerbezüge.
2. Werden die wirtschaftlichen Erwartungen bei Gründung einer GmbH nicht erfüllt und wird hierdurch das Geschäftsergebnis nachteilig beeinflußt, so rechtfertigt dies den Ansatz eines niedrigeren Teilwerts dieser Beteiligung wegen Vorliegens einer Fehlmaßnahme.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2, Nr. 1 S. 3
Tatbestand
Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang. Der erkennende Senat hatte durch sein nicht veröffentlichtes Urteil vom 1. August 1972 VIII R 28/66 das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufgehoben und die Sache zurückverwiesen, weil das FG bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Teilwertabschreibung auf die Anteile an einer neu gegründeten GmbH das Vorbringen des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) nicht berücksichtigt habe, wonach er für 1959 und 1960 mit einer Umsatzsteuernachforderung von über 7 000 DM habe rechnen müssen.
Der Kläger, der seit 1949 einen ...großhandel betrieb, gründete Ende der fünfziger Jahre mit einem anderen ... großhändler die R GmbH (GmbH), die als Importeur die weiter von den Gesellschaftern betriebenen Einzelunternehmen und auch andere ...händler beliefern sollte. Geschäftsführer waren die Gesellschafter, die am Stammkapital mit je 10 000 DM beteiligt waren.
Ende 1963 wurde der Name der Gesellschaft in K & S GmbH umbenannt, weil die anderen ...großhändler keine Neigung gezeigt hatten, "von der Konkurrenz zu kaufen". Anfang 1964 veräußerten die beiden Gesellschafter ihre Einzelunternehmen an die GmbH ohne Aufdeckung der stillen Reserven und ohne Ansatz eines Geschäftswertes. Die Kaufpreisforderungen wurden in Darlehnsforderungen umgewandelt.
Die GmbH erzielte in den Jahren 1959, 1961 und 1962 Gewinne in Höhe von 1 276 DM, 2 013 DM und 4 082 DM, in den Jahren 1960 und 1963 Verluste in Höhe von 7 443 DM und von 14 863 DM. Während dieser Zeit wie auch später wurden keine Gewinnausschüttungen vorgenommen.
Das Finanzamt für Körperschaften stellte für die Vermögensbewertung auf den 1. Januar 1960 den gemeinen Wert der Geschäftsanteile mit 4 600 DM fest. Diesen Ansatz übernahm der Kläger in der Bilanz seines Einzelunternehmens zum 31. Dezember 1961. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte dem nicht und erhöhte den Gewinn aus Gewerbebetrieb um 5 400 DM.
Das FG folgte auch in seiner zweiten Entscheidung nicht der Ansicht des Klägers, zwischen dem Anschaffungszeitpunkt und dem 31. Dezember 1961 seien Umstände eingetreten, die die Annahme rechtfertigten, daß am Bilanzstichtag die Wiederbeschaffungskosten unter die ursprünglichen Anschaffungskosten gesunken seien (Entscheidungen der Finanzgerichte 1974 S. 511 - EFG 1974, 511 -).
In seiner Revision weist der Kläger darauf hin, daß nach den beigezogenen Steuerakten der GmbH nunmehr die Umsatzsteuernachforderung feststehe, so daß nach betriebswirtschaftlicher Betrachtung für 1959 ein Verlust von 4 530 DM (1 276 ./. 5 806) und für 1960 ein solcher von 8 842 DM (./. 7 443 ./. 1 399) anzusetzen sei. Es müsse auch angenommen werden, daß die GmbH 1963 konkursreif gewesen wäre, falls die Gesellschafter nicht die Einzelunternehmen an die GmbH verkauft und den Kaufpreis langfristig gestundet hätten.
Es könne auch nicht unwidersprochen hingenommen werden, daß das FG an der tatsächlichen Höhe der ausgewiesenen Betriebsergebnisse der GmbH Zweifel hege. Hierbei handele es sich lediglich um Vermutungen. Das FG habe weder vorgebracht, daß die Bezüge der Gesellschafter-Geschäftsführer zu hoch gewesen seien, noch hat es festgestellt, daß ein Gesellschafter von der Gesellschaft Waren und sonstige Wirtschaftsgüter zu ungewöhnlichen Preisen erworben habe. Das vom FG unterstellte Verhalten wäre auch kaufmännisch unklug gewesen, weil dies nur zu noch höheren Gewinnen und höherer Steuerbelastung der Einzelunternehmen geführt hätte.
Bei der Beurteilung der Frage, ob es sich bei den Ergebnissen der Jahre 1950 bis 1963 um Anlaufverluste gehandelt hat, hätte das FG von den durch die Umsatzsteuernachforderung korrigierten Ergebnissen ausgehen müssen. Bei einem Zeitraum von fünf Jahren, in welchem sich die Verluste von Jahr zu Jahr erhöhen, könne nicht von Anlaufverlusten gesprochen werden. Im übrigen führe auch die Betrachtung des FG über die organisatorische Bindung der GmbH an die Einzelunternehmen der Gesellschafter auf das Gebiet der Organschaft, die hier eindeutig nicht vorlag.
Trotz gewisser Verfahrensmängel beim FG sei die Sache entscheidungsreif, weil diese Mängel nicht erheblich seien und auch die rechtliche Würdigung der Tatsachen nicht beeinflussen dürften. Das FG habe jedenfalls die Umsatzsteuernachforderung nicht in ihrer genauen Höhe erwähnt und eine Nachprüfung der den Einzelunternehmen erteilten Lieferrechnungen bezüglich der Höhe der in Rechnung gestellten Waren unterlassen.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Einkommensteuer unter Anerkennung einer Teilwertabschreibung in Höhe von 5 400 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist es auf das Urteil vom 1. August 1972 VIII R 28/66 und die bisherigen Schriftsätze.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Wie der erkennende Senat bereits in seinem ersten Urteil in dieser Sache unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23. September 1969 I R 71/67 (BFHE 97, 169, BStBl II 1970, 87) dargelegt hat, setzt die Abschreibung einer Beteiligung auf den niedrigeren Teilwert - die Möglichkeit einer Fehlmaßnahme ausgeklammert - voraus, daß zwischen dem Anschaffungszeitpunkt und dem Bilanzstichtag Umstände eingetreten sind, die die Annahme gerechtfertigt erscheinen lassen, daß die Wiederbeschaffungskosten am Bilanzstichtag unter den seinerzeitigen Anschaffungskosten liegen. Ein Indiz hierfür könne im Verlust eines großen Teils des Grund- oder Stammkapitals eines Unternehmens zu sehen sein. Dagegen rechtfertigten Anlaufverluste in der Regel keine Abschreibungen auf den niedrigeren Teilwert.
Das FG hat in seinem angefochtenen Urteil bei der Ermittlung des Teilwerts des GmbH-Anteils des Klägers aus der Wechselbeziehung von Geschäften zwischen der GmbH und den Einzelunternehmen des Klägers und des anderen Gesellschafters sowie den gezahlten Geschäftsführergehältern bei gleichbleibenden Aufgaben der Einzelunternehmer auf die wirtschaftlich günstige Entwicklung der GmbH geschlossen, wodurch es das Vorliegen von Anlaufverlusten bejahen und das Vorliegen von Fehlmaßnahmen verneinen zu können glaubte. Es trifft zu, daß für die Beantwortung der Frage, ob sich die ungünstige wirtschaftliche Entwicklung eines Unternehmens lediglich auf Anlaufschwierigkeiten zurückführen läßt, auf die Gesamtumstände abzustellen ist. Auch durch die Aussichten auf die wirtschaftliche Zukunft in Verbindung mit der Möglichkeit der Einflußnahme auf die Kapitalgesellschaft kann der Teilwert einer Beteiligung beeinflußt werden (vgl. BFH-Urteil vom 22. April 1964 I 386/61 U, BFHE 79, 358, BStBl III 1964, 362). Der Erwerber eines ganzen Betriebs würde daher auch die Möglichkeit berücksichtigen, daß er über diese Beteiligung günstige Geschäftsverbindungen aushandeln könnte, wobei allerdings zu beachten ist, daß die günstigen Bedingungen des Einzelunternehmens regelmäßig zu einem ungünstigen Ergebnis der GmbH führen. Unabhängig davon durfte das FG aber diesen Sachverhalt nicht unterstellen; es hätte vielmehr konkret feststellen müssen, ob die Beteiligung an der GmbH eine Einflußnahme in dieser Richtung ermöglichte.
Für die Bemessung des Teilwertes des Geschäftsanteils kann allerdings nicht der Umstand Beachtung finden, daß Einfluß auf die Höhe des Geschäftsführergehaltes genommen werden könnte. Denn hierbei würde es sich nicht um einen Vorteil des Unternehmens des Klägers handeln, sondern um einen Vorteil des Klägers in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer und damit als nichtselbständig Tätiger.
Sollten die Ausführungen des FG in dem Sinne verstanden werden, daß der Gewinn der GmbH, der Einzelunternehmen und die Höhe der Geschäftsführergehälter als einheitliches Ergebnis eines wirtschaftlich einheitlichen Gebildes anzusehen sind, so könnte dem nicht gefolgt werden. Hierbei würde außer acht gelassen, daß es sich bei der GmbH um ein rechtlich selbständiges Gebilde handelt.
Für die Annahme eines niedrigeren Teilwertes des GmbH-Anteils kommt einem anderen Umstand entscheidende Bedeutung bei. Nach den vom FG getroffenen Feststellungen haben die anderen ...großhändler deshalb nicht von der GmbH gekauft, weil sie diese im Hinblick auf die Einzelunternehmen der beiden Gesellschafter als ihre Konkurrenz betrachteten, wodurch sich die früheren Erwartungen der Gesellschafter nicht erfüllten. Entgegen der Ansicht des FG konnte hieraus aber auf eine Fehlmaßnahme geschlossen werden. Denn es zeigte sich, daß diese Entwicklung das wirtschaftliche Ergebnis der GmbH nachhaltig beeinflußte, so daß nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen nachhaltig nicht mit Gewinn gearbeitet werden konnte. Das FG führt hierzu selbst aus, daß mit der Veräußerung der GmbH an einen Dritten dieser Nachteil entfallen wäre.
Die schlechte wirtschaftliche Lage der GmbH, die sich in den negativen Geschäftsergebnissen der ersten Jahre ausdrückte, rechtfertigte hiernach eine Abschreibung der Beteiligung auf den niedrigeren Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 i. V. m. Nr. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes). Der Senat vermag allerdings wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen nicht zu entscheiden, in welcher Höhe eine solche gerechtfertigt ist. Die Sache muß daher erneut an das FG zurückverwiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 72982 |
BStBl II 1979, 108 |
BFHE 1979, 288 |