Entscheidungsstichwort (Thema)

Geltung des Gerichststandes nach § 94 a Arzneimittelgesetz (AMG) für den Rechtsnachfolger

 

Leitsatz (amtlich)

Der besondere Gerichtsstand des § 94 a AMG gilt auch für die Inanspruchnahme des pharmazeutischen Unternehmens aus übergegangenem Recht nach § 84 AMG, § 116 SGB X, und zwar auch dann, wenn der ursprünglich Anspruchsberechtigte vor Klageerhebung verstorben ist.

 

Normenkette

AMG §§ 94a, 84; SGB X § 116

 

Tenor

Der Antrag auf Bestimmung eines zuständigen Gerichts wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Der Gegenstandswert wird auf 500,00 DM festgesetzt (§ 3 ZPO).

 

Gründe

I.

Die Klägerin ist eine I. mit Sitz in K.. Sie hat beim dortigen Landgericht die beklagten Arzneimittelhersteller, die ihren allgemeinen Gerichtsstand in den Oberlandesgerichtsbezirken München, Karlsruhe und Heidelberg haben, aus übergegangenem Recht nach § 84 AMG i.V. mit § 116 SGB X auf Ersatz von Aufwendungen verklagt, die sie, wie sie vorgetragen hat, aus Anlaß der Erkrankung und des Todes eines Mitglieds getätigt habe (Behandlungskosten: 34.555,95 DM; Sterbegeld: 2.298,00 DM). Sie hat geltend gemacht, ihr Mitglied sei mit HlV-verseuchten Faktor VIII-Präparaten aus der Produktion der Beklagten behandelt und infiziert worden, was zur AIDS-Erkrankung und zum Tode geführt habe.

Das Landgericht hat auf Rüge der Beklagten zu 1 und 4 mit Beschluß vom 8. Dezember 1989 seine örtliche Zuständigkeit verneint und entsprechend einem Hilfsantrag der Klägerin die Sache dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Nr. 3, § 37 ZPO vorgelegt.

II.

Der Antrag auf Bestimmung eines zuständigen Gerichts war abzulehnen. Die dafür nach § 36 Nr. 3 ZPO maßgebenden Voraussetzungen liegen nicht vor. Für den Rechtsstreit ist der gemeinschaftliche besondere Gerichtsstand des § 94 a AMG beim Landgericht Kleve begründet.

Nach § 94 a Abs. 1 AMG ist für Klagen, die aufgrund des § 84 AMG erhoben werden, auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Kläger zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz bzw. in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat. Mit dieser Regelung hat das Gesetz, wie der Zusammenhang dieser Bestimmungen und die Formulierung des § 94 a AMG zeigen, hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit des anzurufenden Gerichts auf den Wohnsitz des klagenden Verletzten abgestellt. Denn "Klagen, die aufgrund des § 84 erhoben werden", beruhen materiell auf Ansprüchen desjenigen, dem der pharmazeutische Unternehmer aufgrund seiner sich aus § 84 AMG ergebenden Gefährdungshaftung zum Schadensersatz verpflichtet ist. In Übereinstimmung damit steht die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 9/1598), nach der es das Ziel des Gesetzgebers war, dem Geschädigten in den Fällen des § 84 AMG neben dem allgemeinen Gerichtsstand nach der ZPO auch den besonderen des § 94 a AMG zur Verfügung zu stellen.

Indessen folgt daraus nicht, daß im Gerichtsstand des § 94 a AMG nur Klagen des Verletzten selbst erhoben werden können. Wie der Bundesgerichtshof bereits in einer früheren Entscheidung ausgesprochen hat, ist dieser Gerichtsstand auch dann gegeben, wenn Ansprüche aus § 84 AMG nach § 116 SGB X auf einen Sozialversicherungsträger übergegangen sind (Beschl. v. 14.12.1989 - I ARZ 700/89). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Für den Bereich des besonderen Gerichtsstands der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) ist in Rechtsprechung und Schrifttum allgemein anerkannt, daß dieser Gerichtsstand unabhängig davon begründet ist, wer den deliktischen Anspruch verfolgt (Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 20. Aufl., § 32 Rdn. 29; Wieczorek, ZPO, 2. Aufl., § 32 Anm. A II d 2; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 48. Aufl., § 32 Anm. 2 C). Im Hinblick auf die insoweit gegebene Vergleichbarkeit von Deliktshaftung und verschuldensfreier Gefährdungshaftung ist von dieser Beurteilung auch hinsichtlich des besonderen Gerichtsstands des § 94 a AMG auszugehen. Wortlaut und Sinn der gesetzlichen Regelung lassen nicht erkennen, daß ausschließlich der Verletzte selbst den besonderen Gerichtsstand des § 94 a AMG sollte in Anspruch nehmen dürfen, nicht aber ein Rechtsnachfolger wie hier die Klägerin. Auch bei dessen Begehren handelt es sich, worauf § 94 a Abs. 1 AMG abstellt, um "Klagen, die aufgrund des § 84 erhoben werden". Zwar besteht vorliegend die Besonderheit, daß das Mitglied der Klägerin im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits verstorben war. Indessen hindert das nicht, § 94 a AMG in Fällen dieser Art aus den vorerörterten Gründen jedenfalls entsprechend dahin anzuwenden, daß für die Geltendmachung von Ansprüchen aus § 84 AMG auch das Gericht zuständig ist, in dessen Bezirk der Geschädigte seinen letzten Wohnsitz hatte.

Die Kosten dieses Verfahrens waren der Klägerin aufzuerlegen, § 91 ZPO.

 

Unterschriften

Piper

Erdmann

Teplitzky

v. Ungern-Sternberg

Ullmann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1391514

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