Verfahrensgang
LG Hagen (Entscheidung vom 07.03.2022; Aktenzeichen 31 Ks 12/21) |
Tenor
1. Der Antrag der Nebenklägerin, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Hagen vom 7. März 2022 zu gewähren, wird als unzulässig verworfen.
2. Die Revision der Nebenklägerin gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unzulässig verworfen.
3. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Hiergegen wendet sich die Nebenklägerin mit ihrer Revision, mit der sie u. a. die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung erstrebt. Die beantragte Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Revision und die Revision der Nebenklägerin sind unzulässig.
Rz. 2
1. Der Antrag der Nebenklägerin auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Revision ist nicht zulässig erhoben.
Rz. 3
a) Gegen das in Anwesenheit des anwaltlichen Vertreters der Nebenklägerin verkündete Urteil vom 7. März 2022 legte dieser am 11. März 2022 per Fax und am 14. März 2022 per Brief für die Nebenklägerin Revision ein. Die Revisionsbegründung reichte er über das besondere elektronische Anwaltspostfach fristgerecht am 20. Juli 2022 ein. Die Staatsanwaltschaft wies in ihrer Gegenerklärung vom 29. August 2022 auf die formunwirksame Einlegung hin. Nach einem Erledigungsvermerk der Staatsanwaltschaft vom 5. September 2022 wurde ein Abdruck der Gegenerklärung an den Vertreter der Nebenklage abgesandt. Nach Zugang eines Faxes am 14. September 2022, mit dem ihm das Landgericht die Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft übermittelte, beantragte der Vertreter der Nebenklägerin am 21. September 2022 über das elektronische Anwaltspostfach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und holte die Revisionseinlegung nach. Zum Zeitpunkt der Kenntnis vom Wegfall des Hindernisses verhält sich der Wiedereinsetzungsantrag nicht. Dazu trug der Vertreter der Nebenklägerin erst nach Zugang der Antragsschrift des Generalbundesanwalts am 19. Dezember 2022 vor und versicherte anwaltlich, nicht durch ein Schreiben der Staatsanwaltschaft, sondern erst durch das Fax des Landgerichts am 14. September 2022 Kenntnis von dem Formmangel erhalten zu haben.
Rz. 4
b) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auf Antrag demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Abs. 1 StPO). Der Antrag ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO). Innerhalb dieser Frist muss der Antragsteller auch Angaben zum Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses machen, sofern sich die Wahrung der Frist nicht offensichtlich aus den Akten ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2021 - 3 StR 422/20 Rn. 3, NStZ-RR 2021, 112; Beschluss vom 13. Januar 2016 - 4 StR 452/15 Rn. 2). Da bei der Nebenklage dem Säumigen ein Verschulden seines Rechtsanwalts zuzurechnen ist und deshalb bereits dessen Kenntnis den Fristlauf auslöst (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 8. Oktober 2003 - 3 Ws 959/03; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 45 Rn. 3; Cirener in Beck-OK-StPO, 46. Ed., § 45 Rn. 3; Brauer in Gercke/Julius/Temming/Zöller, StPO, 6. Aufl., § 45 Rn. 5; a. A. Graalmann-Scheerer in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 44 Rn. 62), muss sich der Antragsteller dabei auch dazu verhalten, wann seinem Prozessbevollmächtigten der Wegfall des Hindernisses bekannt geworden ist.
Rz. 5
c) Daran fehlt es hier. Entsprechender Vortrag war nach Aktenlage auch nicht entbehrlich. Denn die Wahrung der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO durch die Nebenklägerin ist daraus gerade nicht ersichtlich. In der Akte findet sich ein Abfertigungsvermerk der Geschäftsstelle der Staatsanwaltschaft vom 5. September 2022 mit einer Ablichtung des Anschreibens an den Vertreter der Nebenklägerin. Anhaltspunkte gegen ein tatsächliches Versenden der Gegenerklärung oder für eine verzögerte oder fehlerhafte Übermittlung lassen sich den Akten nicht entnehmen. Vielmehr bestehen damit sogar erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass der anwaltliche Vertreter der Nebenklägerin deutlich vor dem 14. September 2022 Kenntnis von dem Formmangel hatte, das Hindernis damit weggefallen war und die Antragsfrist nicht gewahrt ist. Das Vorbringen des Vertreters der Nebenklägerin in Reaktion auf den Antrag des Generalbundesanwalts ist verspätet und damit unbeachtlich.
Rz. 6
d) Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen in die Wiedereinsetzungsfrist des § 45 Abs. 1 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2015 - 3 StR 167/15 Rn. 2, NStZ 1996, 149) zur Nachholung des versäumten Vortrags zum Zeitpunkt der Kenntnis kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil ein der Wiedereinsetzung entgegenstehendes Verschulden der Nebenklägerin nicht ausgeschlossen ist (§ 45 Abs. 2 Satz 2 StPO). Angesichts der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Pflicht, bei Wiedereinsetzungsgesuchen Angaben zum Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses zu machen, ist vorliegend von einem Verschulden des Prozessbevollmächtigen der Nebenklägerin auszugehen, das sich diese nach dem allgemeinen Verfahrensgrundsatz des § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
Rz. 7
2. Die Revision ist unzulässig. Sie ist nicht wirksam (§ 32d Satz 2 StPO) innerhalb der Frist von § 341 Abs. 1, § 401 Abs. 2 Satz 1 StPO eingelegt worden und der Nebenklägerin ist keine Wiedereinsetzung in die Einlegungsfrist zu gewähren.
Quentin |
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Bartel |
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Maatsch |
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Messing |
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Fundstellen
Haufe-Index 15724345 |
NStZ-RR 2023, 212 |