Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 15.09.2022; Aktenzeichen 515 KLs 11/22) |
Tenor
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 15. September 2022 im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben; dieser entfällt. Es wird klargestellt, dass die Angeklagte damit zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt ist.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Diebstahls unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 17. März 2021 - 13 Cs 240 Js 13252/19 - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt, wobei es für den Diebstahl eine Freiheitsstrafe von acht Monaten verhängt hat. Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten führt zu dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Nachprüfung des Urteils hat hinsichtlich des Schuldspruchs und der Bemessung der Freiheitsstrafe für die im hiesigen Verfahren abgeurteilte Tat keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Das gilt auch mit Blick auf das Vorbringen der Revision, wonach das Landgericht zu erörtern versäumt habe, ob der vertypte Milderungsgrund des § 46a Nr. 2 StGB jenseits der auch auf ihn gestützten Verneinung der Regelwirkung des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB zu einer Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB Anlass gab. Die Strafkammer hat die Strafe unter Würdigung des von der Angeklagten geleisteten Schadensersatzes dem Regelstrafrahmen des § 242 Abs. 1 StGB entnommen. Eine weitergehende Erörterung der durch § 46a Nr. 2 StGB in ihr Ermessen gestellten Milderungsmöglichkeit lag angesichts der übrigen vom Landgericht angeführten Zumessungsgründe fern. Daher kann dahinstehen, ob eine solche Milderungsmöglichkeit überhaupt noch in Betracht kam, nachdem der vertypte Milderungsgrund bereits zur Verneinung eines besonders schweren Falls herangezogen worden war (vgl. zur Anwendung des § 50 StGB bzw. des dort normierten Rechtsgedankens in solchen Fällen bereits BGH, Urteil vom 7. August 1990 - 1 StR 310/90; Beschluss vom 27. Februar 1986 - 1 StR 31/86, NJW 1986, 1699).
Rz. 3
2. Der Gesamtstrafenausspruch hält allerdings der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zutreffend hat der Generalbundesanwalt dargelegt, dass eine Bewilligung der Auslieferung für die Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 17. März 2021 nicht vorliegt. Hierzu hat er ausgeführt:
Die Angeklagte war aufgrund des durch das Amtsgericht Berlin-Tiergarten am 15. Oktober 2019 erlassenen Europäischen Haftbefehls (SA Bd. II, Bl. 14 ff.) und der am 21. Dezember 2021 ergangenen Entscheidung der Ratskammer des Gerichts erster Instanz in Westflandern (SA Bd. II, Bl. 66 ff.) aus dem Königreich Belgien an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert worden (SA Bd. II, Bl. 42 ff.). Der Europäische Haftbefehl erfasste allerdings lediglich die im hiesigen Verfahren gegenständliche Straftat. Um eine Auslieferung zur Vollstreckung der im rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts Heidelberg verhängten Freiheitsstrafe ist das Königreich Belgien nicht ersucht, eine Zustimmung ist dementsprechend nicht erteilt worden. Die Angeklagte hat auf die Beachtung des Spezialitätsgrundsatzes nicht verzichtet.
Bei dieser Verfahrenslage verstößt die Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Heidelberg in die Gesamtfreiheitsstrafe gegen den Grundsatz der Spezialität (Art. 83h Abs. 1 IRG). Die Nichtbeachtung des auslieferungsrechtlichen Spezialitätsgrundsatzes bewirkt ein Vollstreckungshindernis. Eine wegen dieses Hindernisses nicht vollstreckbare Strafe darf daher nicht zur Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe herangezogen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2021 - 5 StR 562/20, StV 2021, 643). Etwas Anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die Vollstreckung der durch das Amtsgericht Heidelberg verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt worden war; ein Anwendungsfall der Ausnahmeregelung des § 83h Abs. 2 Nr. 3 IRG liegt insoweit nicht vor (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 2014 - 1 StR 218/14 -, Rdnr. 8).
Rz. 4
Diesen zutreffenden Ausführungen tritt der Senat bei.
Rz. 5
Die durch das Landgericht gebildete Gesamtstrafe unterliegt daher der Aufhebung. Die für die im hiesigen Verfahren abgeurteilte Tat verhängte Freiheitsstrafe von acht Monaten bleibt bestehen. Der Senat schließt aus, dass die Strafkammer diese anders bemessen hätte oder zu einer anderen Legalprognose gelangt wäre, wenn sie das Vollstreckungshindernis hinsichtlich der einbezogenen Strafe bedacht hätte.
Rz. 6
3. Der nur geringfügige Teilerfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen, der Beschwerdeführerin die gesamten Kosten ihres Rechtsmittels aufzuerlegen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Gericke |
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Mosbacher |
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Köhler |
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von Häfen |
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Werner |
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Fundstellen
Dokument-Index HI15585908 |