Normenkette
StGB § 64 S. 2
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Entscheidung vom 06.10.2021; Aktenzeichen 3 KLs - 3361 Js 24408/20) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 6. Oktober 2021
a) im Schuldspruch dahingehend berichtigt, dass der Angeklagte des bewaffneten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition schuldig ist,
b) im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer Schusswaffe zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt und die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Zudem hat es Einziehungsentscheidungen getroffen und den Angeklagten im Übrigen freigesprochen. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.
Rz. 2
1. Der Schuldspruch weist keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Er war lediglich - entsprechend der Anregung des Generalbundesanwalts - zu berichtigen, weil der Angeklagte nicht lediglich eine Schusswaffe gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 2a WaffG, sondern eine halbautomatische Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition geführt und sich damit nach § 52 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) WaffG strafbar gemacht hat. § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO steht einer Verschlechterung des Schuldspruchs nicht entgegen.
Rz. 3
2. Auch der Strafausspruch ist ebenso wie die Einziehungsentscheidung frei von den Angeklagten belastenden Rechtsfehlern. Hingegen hält der Maßregelausspruch rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 4
a) Das Landgericht ist zwar ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass bei dem Angeklagten ein Hang besteht, andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen, er wegen einer Tat verurteilt wurde, die auf seinen Hang zurückgeht und dieser Hang auch zu einer Gefahr der Begehung weiterer erheblicher rechtswidriger Taten führt. Die Strafkammer hat aber die für die Anordnung einer Maßregel nach § 64 Satz 2 StGB erforderliche Erfolgsaussicht nur unzureichend begründet.
Rz. 5
Nach den Feststellungen des Landgerichts begann der 34-jährige Angeklagte im Alter von 15/16 Jahren, Drogen zu konsumieren. Ab dem 19. Lebensjahr nahm er regelmäßig Cannabis und zunächst nur gelegentlich Amphetamin zu sich. Zuletzt konsumierte er täglich ein bis drei Gramm Cannabis und ca. zwei-bis dreimal die Woche Amphetamin. Im Zeitraum vor der Inhaftierung in dieser Sache steigerte er auch seinen bis dahin gelegentlichen Alkoholkonsum und trank zuletzt drei bis vier Flaschen Bier. Im Jahre 2017 unternahm der Angeklagte den ersten von insgesamt sieben kalten Entzügen; außerdem soll er - wie sich aus den Angaben des vom Gericht gehörten Sachverständigen ergibt - bereits eine Therapie über neun Monate gemacht haben. Nach dessen Angaben sei es jedoch jeweils zu einem Rückfall gekommen.
Rz. 6
Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht hat sich die Strafkammer mit lediglich vier Sätzen den Ausführungen des Sachverständigen angeschlossen. Dieser habe in sich schlüssig und überzeugend dargelegt, dass die „Erfolgsaussicht aufgrund der Persönlichkeit des Angeklagten vorliegend fraglich sei, aber im Ergebnis vorliege“. Er habe dabei berücksichtigt, dass der Angeklagte schon einmal eine Maßnahme nach § 35 BtMG zumindest zunächst erfolgreich absolviert habe, auch, dass er bereits mehrere kalte Entzüge hatte, die jedenfalls zu einer kurzfristigen Abstinenz führten.
Rz. 7
b) Diese rudimentäre Begründung erlaubt es dem Senat nicht nachzuvollziehen, ob das Landgericht zu Recht von einer konkreten Erfolgsaussicht ausgegangen ist.
Rz. 8
Erforderlich für die Begründung der erforderlichen Erfolgsaussicht ist eine konkrete Darlegung sämtlicher für und gegen sie sprechender Umstände unter Mitteilung der diesbezüglichen Ausführungen des von der Strafkammer hinzugezogenen psychiatrischen Sachverständigen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 9. April 2019 - 2 StR 518/18). Die Strafkammer wäre gehalten gewesen, das Risiko eines Scheiterns der Behandlung - als mehr oder weniger hoch bzw. gering - zu gewichten, um die Behandlungsaussichten nachvollziehbar zu bewerten. Dabei wären die im Urteilszeitpunkt gegebenen prognosegünstigen Faktoren gegen die prognoseungünstigen Faktoren in die Beurteilung einzubeziehen und gegeneinander abzuwägen gewesen.
Rz. 9
An einer solchen Würdigung der Chancen eines Behandlungserfolgs fehlt es. Als positive Umstände führt das Landgericht letztlich nur an, dass er eine Maßnahme nach § 35 BtMG wie auch mehrere kalte Entzüge hinter sich habe, die zumindest zeitweise Erfolg gehabt hätten. Dies allein vermag die Annahme einer konkreten Erfolgsaussicht nicht zu tragen, zumal der Umstand, dass er jeweils wieder rückfällig geworden ist, auch noch gegen die Erfolgsaussicht sprechen könnte. Zudem nimmt das Landgericht, das im Übrigen auch nicht mitteilt, ob der Angeklagte überhaupt therapiewillig ist, an dieser Stelle nicht in den Blick, dass der Angeklagte nicht über ein stabiles soziales Umfeld verfügt und zudem an einer dissozialen Persönlichkeitsstörung leidet, deren Einfluss auf die Erfolgsaussichten näher zu würdigen ist.
Rz. 10
Die Sache bedarf insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung, naheliegenderweise unter Heranziehung eines anderen Sachverständigen.
Franke |
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Appl |
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Krehl |
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Eschelbach |
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Zeng |
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Fundstellen
Haufe-Index 15287441 |
StV 2023, 245 |