Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 15.12.2009) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 15. Dezember 2009 aufgehoben, soweit ein Ausspruch über die Gesamtstrafe unterblieben ist, und zwar mit der Maßgabe, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
1. Das Landgericht hat den Angeklagten mit Urteil vom 16. November 2007 wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat II. 1. der Urteilsgründe; zwei Jahre Freiheitsstrafe) sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Diebstahl (Tat II. 2. der Urteilsgründe; drei Jahre Freiheitsstrafe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt, 800 EUR als Wertersatz für verfallen erklärt und den Angeklagten vom Vorwurf freigesprochen, sich in weiteren acht Fällen nach dem Betäubungsmittelgesetz strafbar gemacht zu haben.
Rz. 2
Auf die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft hat der Senat dieses Urteil durch sein Urteil vom 4. September 2008 (NStZ-RR 2009, 22) lediglich aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen der Tat II. 1. verurteilt worden war, sowie im Gesamtstrafenausspruch. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft sowie diejenige des Angeklagten hat er verworfen und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
Rz. 3
2. Das Landgericht hat den Angeklagten durch Urteil vom 15. Dezember 2009 wegen der Tat II. 1. erneut wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nunmehr zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt, zwei Monate dieser Strafe „zur Entschädigung für überlange Verfahrensdauer” für vollstreckt erklärt sowie den Verfall von Wertersatz in Höhe von 800 EUR angeordnet. Der Angeklagte rügt mit seiner hiergegen eingelegten Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Rz. 4
3. Das Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs, soweit die Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe unterblieben ist; im Übrigen erweist es sich aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 12. April 2010 als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 5
Das Landgericht hat die Bildung einer Gesamtstrafe zu Unrecht unterlassen. Denn die nunmehr ausgesprochene Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten und die durch das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 16. November 2007 für die Tat II. 2. verhängte dreijährige Freiheitsstrafe waren miteinander gesamtstrafenfähig. Die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB sind erfüllt, insbesondere ist die Verurteilung des Angeklagten wegen der Tat II. 2. seit dem Urteil des Senats vom 4. September 2008 rechtskräftig (vgl. Beschluss des Senats vom heutigen Tag – 1 StR 195/10).
Rz. 6
4. Der Senat macht von der – auch im Falle einer unterlassenen Gesamtstrafenbildung eröffneten (vgl. Kuckein in KK, StPO 6. Aufl. § 354 Rdn. 26i) – Möglichkeit des § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO Gebrauch, so dass das erkennende Gericht eine nachträgliche Entscheidung über die Gesamtstrafe im Beschlussverfahren gemäß den §§ 460, 462 StPO zu treffen haben wird (vgl. BGH, Beschl. vom 9. Juli 2008 – 1 StR 336/08 m.w.N.). Er weist vorsorglich daraufhin, dass die vom Landgericht vorgenommene Kompensation der festgestellten rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung auf die Gesamtstrafe zu beziehen sein wird und der Angeklagte hierdurch im Vergleich zum angefochtenen Urteil nicht schlechter gestellt werden darf (vgl. BGHSt – GS – 52, 124, 147).
Rz. 7
5. Die auf § 473 Abs. 4 StPO gestützte Kostenentscheidung musste nicht dem Nachverfahren nach den §§ 460, 462 StPO vorbehalten werden, weil sicher abzusehen ist, dass das Rechtsmittel des Angeklagten, der seine Verurteilung auch hinsichtlich des Schuldspruchs umfassend angegriffen hat, mit der allein die unterlassene Bildung einer Gesamtstrafe betreffenden Aufhebung nur einen geringfügigen Teilerfolg haben kann (vgl. BGH NStZ 2005, 163; BGH, Beschl. vom 14. Februar 2008 – 1 StR 542/07).
Unterschriften
Nack, Wahl, Hebenstreit, Elf, Sander
Fundstellen
Haufe-Index 2419725 |
NStZ-RR 2013, 195 |