Verfahrensgang
LG Detmold (Entscheidung vom 14.02.2022; Aktenzeichen 23 KLs 22/21) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 14. Februar 2022
a) in den Fällen II. 8. und 9. der Urteilsgründe aufgehoben und das Verfahren insoweit eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) im Schuldspruch hinsichtlich der Beleidigungstaten dahin geändert, dass der Angeklagte der Beleidigung in sieben Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung, schuldig ist;
c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe, auch soweit die Bildung einer Gesamtstrafe unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe von fünf Monaten wegen Missbrauchs von Notrufen unterblieben ist, aufgehoben.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht - Strafrichter - Detmold zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten „unter Einbeziehung des Urteils“ einer Berufungsstrafkammer wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlicher Körperverletzung, Diebstahls, Sachbeschädigung und Beleidigung in neun Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Zudem hat es ihn wegen Missbrauchs von Notrufen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Das Rechtsmittel ist aufgrund der von der Strafkammer bewilligten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Revisionseinlegungsfrist als zulässig zu behandeln. Obgleich das Landgericht für diese Entscheidung gemäß § 46 Abs. 1 StPO nicht zuständig war, ist sie für das weitere Revisionsverfahren bindend (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2011 - 3 StR 295/11 Rn. 6; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 46 Rn. 7 mwN).
Rz. 3
2. Der Senat stellt das Verfahren wie vom Generalbundesanwalt beantragt gemäß § 206a Abs. 1 StPO in den Fällen II. 8. und 9. der Urteilsgründe ein, in denen der Angeklagte jeweils wegen Beleidigung verurteilt worden ist. Insoweit fehlt es bei den absoluten Antragsdelikten (§ 194 Abs. 1 Satz 1 StGB) an einem fristgerechten Strafantrag der Verletzten. Die teilweise Einstellung des Verfahrens wegen dieses Verfahrenshindernisses führt zur entsprechenden Änderung des Schuldspruchs.
Rz. 4
3. Der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe hat keinen Bestand, ohne dass hierfür der Wegfall von zwei Einzelstrafen maßgebend wäre.
Rz. 5
Die Anwendung von § 55 Abs. 1 StGB in dem angefochtenen Urteil begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Urteilsgründe teilen den Vollstreckungsstand der einbezogenen Geldstrafe von 60 Tagessätzen aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Detmold vom 26. Mai 2020 nicht mit. Hierdurch vermag der Senat nicht zu überprüfen, ob die Strafkammer zu Recht von einer Zäsurwirkung dieses Urteils ausgegangen ist und daher eine Gesamtfreiheitsstrafe sowie eine weitere Freiheitsstrafe verhängen durfte. Denn bei einer vollständigen Erledigung der Geldstrafe entfiele die mit der Vorverurteilung verbundene Zäsur (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2019 - 2 StR 450/18 Rn. 2 mwN; Beschluss vom 13. Oktober 2015 - 2 StR 495/14 Rn. 5). Die Strafkammer wäre für diesen Fall gehalten gewesen, eine dem Angeklagten grundsätzlich vorteilhafte einheitliche Gesamtstrafe zu bestimmen.
Rz. 6
4. Die weitere fünfmonatige Freiheitsstrafe wegen Missbrauchs von Notrufen, deren Vollstreckung die Strafkammer dem Angeklagten nicht zur Bewährung ausgesetzt hat, hält für sich betrachtet rechtlicher Nachprüfung stand.
Rz. 7
5. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 3 StPO Gebrauch und verweist die Sache an das Amtsgericht Detmold zurück. Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht (§ 353 Abs. 2 StPO). Das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit diese den bisherigen nicht widersprechen, und wird insbesondere den Vollstreckungsstand der womöglich nach § 55 Abs. 1 StGB einbeziehungsfähigen Geldstrafe feststellen.
Rz. 8
Hierbei wird es zu beachten haben, dass für die Frage der (nachträglichen) Gesamtstrafenbildung der Vollstreckungsstand dieser Geldstrafe zum Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils maßgebend ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 2021 - 4 StR 625/19 Rn. 10; Beschluss vom 10. Juni 2020 - 3 StR 135/20 Rn. 13). Sollte danach die Gesamtstrafe aufgrund einer Erledigung der Geldstrafe nicht nach § 55 Abs. 1 StGB, sondern allein gemäß § 54 StGB unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe wegen Missbrauchs von Notrufen zu bilden sein, würde hierdurch die von der Teilaufhebung unberührte Entscheidung, dass die Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt ist, gegenstandslos (vgl. § 58 StGB; s. auch BGH, Beschluss vom 16. Januar 2018 - 2 StR 160/17 Rn. 7 zu §§ 460, 462 StPO).
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Fundstellen
Dokument-Index HI15350522 |