Leitsatz (amtlich)
Zum schuldrechtlichen Versorgungsausgleich.
Normenkette
VersAusglG § 20
Verfahrensgang
OLG München (Beschluss vom 27.09.2013; Aktenzeichen 26 UF 694/13) |
AG München (Entscheidung vom 04.03.2013; Aktenzeichen 545 F 6828/12) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 26. Zivilsenats - Familiensenat - des OLG München vom 27.9.2013 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 2.760 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Die Beteiligten streiten um den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich.
Rz. 2
Auf den am 20.5.2003 zugestellten Scheidungsantrag wurde die am 12.2.1970 geschlossene Ehe der Antragstellerin (Ehefrau) und des Antragsgegners (Ehemann) durch Endurteil vom 20.1.2004 rechtskräftig geschieden. Während der gesetzlichen Ehezeit (1.2.1970 bis 30.4.2003, vgl. § 1587 Abs. 2 BGB a.F.) erwarb der Ehemann Versorgungsanwartschaften bei der früheren Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) i.H.v. monatlich 1.255,25 EUR und betriebliche Anwartschaften bei der IBM Deutschland GmbH i.H.v. monatlich 1.280,04 EUR, seinerzeit dynamisiert in 766,59 EUR. Die Ehefrau erwarb Versorgungsanwartschaften bei der BfA i.H.v. monatlich 461,95 EUR und unverfallbare Anwartschaften auf eine Zusatzversorgung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) i.H.v. monatlich 73,20 EUR, seinerzeit dynamisiert in 25,11 EUR. Den Versorgungsausgleich regelte das AG dahin, dass zum Ausgleich der Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung im Wege des Splittings vom Versicherungskonto des Antragsgegners bei der BfA Rentenanwartschaften i.H.v. monatlich 396,65 EUR auf das Versicherungskonto der Antragstellerin übertragen wurden. Weitere Anwartschaften in Höhe des Höchstbetrags von monatlich 47,60 EUR wurden - im Hinblick auf die von den Ehegatten erworbenen betrieblichen Anrechte - im Wege des erweiterten Splittings (§ 3b Abs. 1 VAHRG) auf das Versicherungskonto der Antragstellerin übertragen, bezogen jeweils auf den 30.4.2003. Soweit die betrieblichen Anrechte dadurch nicht vollständig ausgeglichen wurden, blieb der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorbehalten.
Rz. 3
Im Scheidungsverfahren schlossen die Beteiligten eine Scheidungsfolgenvereinbarung, nach der sie wechselseitig auf Unterhalt und Zugewinnausgleich verzichteten sowie die Eigentumsverhältnisse an einem gemeinsamen Hausgrundstück regelten. Zu Protokoll des Gerichts erklärten sie, dass außerhalb dieser Vereinbarung keinerlei gegenseitige Ansprüche oder Forderungen zwischen ihnen bestünden. Auf Rechtsmittel gegen das ergangene Verbundurteil verzichteten sie.
Rz. 4
Die am 27.5.1947 geborene Ehefrau bezieht seit dem 1.7.2012 eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, der am 14.12.1942 geborene Antragsgegner bezieht seit 1996 eine Betriebsrente der IBM Deutschland GmbH und seit dem 1.1.2003 die gesetzliche Vollrente.
Rz. 5
Auf den am 12.9.2012 zugestellten Antrag hat das AG den Ehemann verpflichtet, an die Ehefrau ab dem 1.9.2012 eine schuldrechtliche Ausgleichsrente i.H.v. monatlich 573,75 EUR zu zahlen. Auf die Beschwerde des Ehemanns hat das Beschwerdegericht den Zahlbetrag auf monatlich 500,71 EUR ab dem 1.9.2012, auf monatlich 500,11 EUR ab dem 1.1.2013 und auf monatlich 499,70 EUR ab dem 1.7.2013 reduziert und die weitergehende Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Ehemanns, mit der er die vollständige Abweisung des Antrags erstrebt.
II.
Rz. 6
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
Rz. 7
1. Die Rechtsbeschwerde ist uneingeschränkt zugelassen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann sich zwar eine wirksame Beschränkung des Rechtsmittels auch bei uneingeschränkter Zulassung im Tenor der angefochtenen Entscheidung aus den Entscheidungsgründen ergeben. Eine solche Beschränkung setzt allerdings voraus, dass das Berufungs- oder Beschwerdegericht die Möglichkeit einer Nachprüfung im Revisions- oder Rechtsbeschwerdeverfahren hinreichend klar auf einen abtrennbaren Teil seiner Entscheidung begrenzt hat (BGH, Urt. v. 27.5.2009 - XII ZR 111/08, FamRZ 2009, 1207 Rz. 9 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall. Die Formulierung des Beschwerdegerichts, die Rechtsbeschwerde werde zugelassen, da noch nicht höchstrichterlich entschieden sei, "wie der schuldrechtliche Versorgungsausgleich in der vorliegenden Fallkonstellation zu berechnen ist", bezeichnet keinen abtrennbaren Teil des Verfahrensgegenstandes. Selbst wenn das Beschwerdegericht die Zulassung der Rechtsbeschwerde auf die Einbeziehung der VBL-Rente begrenzen wollte, kommt das jedenfalls nicht hinreichend eindeutig zum Ausdruck.
Rz. 8
2. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Voraussetzungen der Zahlung einer schuldrechtlichen Ausgleichsrente mit Wirkung ab September 2012 lägen vor. Von dem bei der IBM erworbenen Anrecht sei allerdings nur die Leistung aus der vorgezogenen Altersrente (IBM Pension) auszugleichen, nicht hingegen die von IBM als freiwillige Leistung gewährte "Subvention des versicherungsmathematischen Abzugs auf Lebenszeit" (sog. VMA-Subvention). Die von der Ehefrau bezogenen Leistungen aus der Zusatzversorgung bei der VBL seien im schuldrechtlichen Versorgungsausgleich anzurechnen, da sie bislang nicht ausgeglichen worden seien. Die auszugleichende Rente betrage somit für die Zeit von September bis Dezember 2012 monatlich 1.389,65 EUR ehezeitanteiliger IBM Pension des Ehemannes abzgl. 73,20 EUR eigener Zusatzversorgung der Ehefrau, insgesamt 1.316,45 EUR. Der hälftige Ausgleichsbetrag von 658,23 EUR sei um den bereits durch erweitertes Splitting erfolgten Teilausgleich i.H.v. (47,60 EUR x 28,07/25,86 =) 51,67 EUR sowie 15,5 % Krankenversicherung und 1,95 % Pflegeversicherung zu vermindern und betrage somit 500,71 EUR monatlich. Für die Zeiten ab Januar 2013 und ab Juli 2013 seien die Zahlbeträge wegen geänderter Beiträge zur Pflegeversicherung (ab Januar 2013) sowie einer Erhöhung der VBL-Rente der Ehefrau (ab Juli 2013) jeweils anzupassen.
Rz. 9
Für einen Ausschluss oder eine Herabsetzung des Versorgungsausgleichs wegen Unbilligkeit sei kein Raum. Diese Frage sei im Scheidungsverfahren nicht thematisiert worden. Auch in der Folgevereinbarung finde sich hierfür kein Anhaltspunkt. Der Sachvortrag des Ehemanns rechtfertige einen Ausschluss oder eine Herabsetzung nicht.
Rz. 10
3. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.
Rz. 11
a) Zu Recht hat das Beschwerdegericht angenommen, dass die Voraussetzungen für die Fälligkeit der Zahlung einer schuldrechtlichen Ausgleichsrente nach § 20 VersAusglG vorliegen, da der Ehemann als ausgleichspflichtige Person eine laufende Versorgung aus einem noch nicht vollständig ausgeglichenen Anrecht bezieht und die Ehefrau als ausgleichsberechtigte Person eine eigene laufende Versorgung bezieht. Wegen des bereits nach § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG erfolgten Teilausgleichs scheidet gem. § 51 Abs. 4 VersAusglG eine vorrangige Abänderung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs aus.
Rz. 12
b) Die Ehegatten haben den Versorgungsausgleich auch nicht durch Vereinbarung ausgeschlossen. Zwar haben sie im Scheidungsverfahren zu Protokoll des AG eine Erklärung abgegeben, wonach außerhalb der getroffenen Scheidungsfolgenvereinbarung keinerlei Ansprüche zwischen ihnen bestehen. Dies bezog sich jedoch offensichtlich nicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs, was bereits daraus ersichtlich wird, dass beide anwaltlich vertretenen Ehegatten noch im selben Termin nach Verkündung des Verbundurteils, dessen Tenor sowohl den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich regelte als auch den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich ausdrücklich vorbehielt, auf Rechtsmittel verzichteten.
Rz. 13
Aus demselben Grund stellt sich der Antrag der Ehefrau auf Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs auch nicht als rechtsmissbräuchlich oder treuwidrig dar (§ 242 BGB).
Rz. 14
c) In rechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Beschwerdegericht angenommen, dass Gründe für einen Ausschluss des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs oder eine Herabsetzung der schuldrechtlichen Ausgleichsrente nach § 27 VersAusglG nicht vorliegen.
Rz. 15
Nach dieser Vorschrift findet ein Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen.
Rz. 16
aa) Ob und in welchem Umfang die Durchführung des Versorgungsausgleichs grob unbillig erscheint, unterliegt grundsätzlich der tatrichterlichen Beurteilung. Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist diese nur daraufhin zu überprüfen, ob alle wesentlichen Umstände berücksichtigt worden sind und das Ermessen in einer dem Gesetzeszweck entsprechenden Weise ausgeübt worden ist (BGH v. 11.12.2013 - XII ZB 253/13, FamRZ 2014, 461 Rz. 13 m.w.N.).
Rz. 17
bb) Wirtschaftliche Unbilligkeit des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs liegt nicht bereits dann vor, wenn der Ausgleichspflichtige nicht leistungsfähig ist oder der ausgleichsberechtigte Ehegatte auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht angewiesen ist, weil seine Altersversorgung auf andere Weise hinreichend gesichert ist. Vielmehr findet insoweit nur dann kein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich statt, wenn sowohl der Ausgleichsberechtigte den nach seinen Lebensverhältnissen angemessenen Unterhalt aus seinen Einkünften und aus seinem Vermögen bestreiten kann als auch die Gewährung der Ausgleichsrente für den Ausgleichspflichtigen bei Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse eine unbillige Härte bedeuten würde, insb. wenn ihm bei Erfüllung des Ausgleichsanspruchs der eigene notwendige Lebensbedarf nicht verbleibt (BGH v. 2.2.2011 - XII ZB 133/08, FamRZ 2011, 706 Rz. 65 zu § 1587h Nr. 1 BGB).
Rz. 18
cc) Nach diesen Maßstäben begegnet die Entscheidung des Beschwerdegerichts keinen rechtlichen Bedenken. Der Ehemann hat lediglich allgemein geltend gemacht, die Ehefrau sei wegen einer Erbschaft auf die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs nicht angewiesen, außerdem sei er davon ausgegangen, dass mit der Folgevereinbarung sämtliche wechselseitigen Ansprüche ausgeglichen seien, und schließlich, dass ihm bei Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs nicht mehr genug verbleibe, um seinen Lebensabend zu bestreiten. Hieraus hat das Beschwerdegericht zu Recht keine grobe Unbilligkeit hergeleitet. Den erteilten Versorgungsauskünften zufolge verbleiben dem Ehemann nach Durchführung des Versorgungsausgleichs monatlich brutto rund 825 EUR IBM Pension, 129 EUR VMA-Subvention und nach eigenen Angaben rund 770 EUR gesetzliche Rente, insgesamt jedenfalls also monatlich über 1.700 EUR. Anhaltspunkte dafür, dass der eigene notwendige Lebensbedarf hiervon nicht bestritten werden kann, bestehen nicht.
Rz. 19
4. Die Berechnung der Höhe der schuldrechtlichen Ausgleichsrente durch das Beschwerdegericht begegnet insoweit keinen rechtlichen Bedenken. Zutreffend hat das Beschwerdegericht auf die Differenz der noch nicht vollständig ausgeglichenen Zusatzversorgung bei der IBM einerseits und der VBL andererseits abgestellt.
Fundstellen
Haufe-Index 7395088 |
FamRZ 2015, 37 |
FuR 2015, 292 |
NJW-RR 2014, 1473 |
JurBüro 2015, 106 |
JZ 2015, 7 |
MDR 2015, 98 |
FF 2014, 510 |
FF 2015, 26 |
FamRB 2015, 12 |
NJW-Spezial 2015, 5 |
ZNotP 2014, 385 |
NZFam 2015, 76 |