Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg, so daß es eines Eingehens auf die Verfahrensrügen nicht bedarf.
1. Das Landgericht hat im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
Die Geschädigte G. war nach einer "psychosomatischen Kur mit einem ungünstigeren Befund" im Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim behandelt worden und wollte mit dem Taxi des Angeklagten zum Hauptbahnhof nach Ludwigshafen gefahren werden, um von dort aus nach Wiesbaden, ihrem Wohnort, zurückzukehren. G. "war in einem aufgewühlten, leicht erregten Zustand, der nach späteren Erkenntnissen auf eine Quecksilbervergiftung zurückgeführt worden ist". Sie fühlte sich nicht wohl und "befand sich in einer für sie aussichtslos erscheinenden Situation". Der Angeklagte fuhr mit ihr "kreuz und quer durch den Außenbereich von Ludwigshafen", wobei sie ihm "von ihren Problemen erzählte, was von häufigem Weinen unterbrochen war". Dies veranlaßte den Angeklagten, sie zum Essen einzuladen, damit sie sich etwas beruhigte. Sie nahm die Einladung an. Man suchte gemeinsam ein Restaurant auf, "wobei jeder dem anderen von seinen Problemen erzählte". Bei der anschließenden Fahrt brachte der Angeklagte G. zu seinem Wohnwagen. Dort legte er "ihr etwas Schnurähnliches oder Klebeband um den Hals und drohte ihr, sie umzubringen, wenn sie schreien würde. Sodann zerrte er sie über den Fahrersitz aus dem Auto in seinen Wohnwagen." Als sie ihn fragte, "was er von ihr wolle", fesselte er sie "als Antwort" mit Klebeband und erklärte ihr, er habe seit zehn Jahren mit keiner Frau mehr geschlafen, zog ihr das T-Shirt hoch, entkleidete sie und sich selbst und klebte ihr mit Klebeband den Mund zu, "bevor er dann gegen den Widerstand von G. sexuelle Handlungen an ihr ausführte". "Im Verlaufe der nächsten Stunden entfernte der Angeklagte das Klebeband am Mund seines Opfers, und G. versuchte aus Angst, er könne ihr etwas antun, auf ihn einzuwirken, indem sie erklärte, daß sie in ihn verliebt sei." Der Angeklagte ließ nach einiger Zeit von der Geschädigten ab, "äußerte ihr gegenüber Reue", gestattete ihr, mit ihrem Hausarzt zu telefonieren, fuhr sie sodann zu ihrem Arzt nach Wiesbaden und gab ihr ein Taxi-Quittungsformular mit seinem Namen und seiner Anschrift (UA 3 bis 5).
Etwa zwei Monate danach erstattete die Geschädigte Anzeige.
2. Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Tat des Angeklagten, der angibt, es sei in dem Wohnwagen zum einverständlichen Austausch von Zärtlichkeiten gekommen, aufgrund der "in sich widerspruchsfreien und glaubhaften Bekundungen" des Tatopfers gewonnen (UA 7).
Die Beweiswürdigung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Sie läßt nicht erkennen, daß der Tatrichter - wie in einem Fall, in dem Aussage gegen Aussage steht, nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderlich (vgl. nur BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 1; BGH StV 1995, 6) - alle Umstände, die die Entscheidung zu beeinflussen geeignet sind, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat.
a) Bei der Bewertung der Glaubwürdigkeit des Tatopfers geht das - durch eine Psychologin sachverständig beratene - Landgericht zwar davon aus, daß das Leben der Geschädigten "von psychosomatischen Erkrankungen geprägt" sei (UA 8), es legt jedoch deren Art (vgl. hierzu v. Rad, Psychosomatik, in Christian Müller [Hrsg.], Lexikon der Psychiatrie, 2. Aufl. S. 562 ff) nicht dar und erwägt nicht, ob durch diese "Erkrankungen" die Aussagetüchtigkeit der Geschädigten beeinträchtigt ist (vgl. hierzu Langelüddeke/Bresser, Gerichtliche Psychiatrie 4. Aufl. S. 326, 327). Zu dieser Prüfung drängten sowohl der auffällige psychische Zustand der Frau zur Tatzeit als auch der von ihr geschilderte ungewöhnliche Geschehensablauf. In der Nichterörterung dieser Frage liegt bei der gegebenen Fallbesonderheit ein Rechtsfehler.
b) Nach den Feststellungen wurde die Geschädigte kurz nach der Tat sowohl von ihrem Hausarzt als auch von einer Gynäkologin untersucht. In der Beweiswürdigung ist hierzu lediglich ausgeführt, daß die beiden Ärzte "die starke emotionale Berührtheit der Geschädigten bei den Schilderungen über das Vorgefallene" bekundet haben (UA 9). Eine Auseinandersetzung mit den von den Ärzten erhobenen Befunden (UA 5, 6) und die Erörterung der Frage, ob diese die Darstellung des Tatopfers stützen oder dieser entgegenstehen, fehlt. Auch insoweit sind die Urteilsausführungen lückenhaft.
Die genannten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Urteils (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, Beweiswürdigung, unzureichende 5). Die Sache bedarf erneuter Verhandlung und Entscheidung.
3. Die nunmehr erkennende Strafkammer wird zu bedenken haben, daß grundsätzlich die Beurteilung der Frage, ob eine Erkrankung Auswirkungen auf die Aussagetüchtigkeit hat, medizinische und nicht aussagepsychologische Kenntnisse verlangt, so daß zur Begutachtung der Glaubwürdigkeit der Geschädigten auch die Zuziehung eines Psychiaters veranlaßt erscheint (vgl. BGHSt 23, 8, 12, 13; BGH, Urteil vom 11. Mai 1993 - 1 StR 896/92, insoweit in BGHSt 39, 212 nicht abgedruckt).
Fundstellen
Haufe-Index 2993328 |
NStZ 1995, 558 |
StV 1995, 398 |