Verfahrensgang
LG Bochum (Urteil vom 21.04.2016) |
Tenor
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 21. April 2016, soweit es die Angeklagte betrifft, dahin geändert, dass die Angeklagte wegen über eine Woche dauernder Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Beihilfe zur Freiheitsberaubung und Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Die Angeklagte trägt die Kosten ihres Rechtsmittels.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Beihilfe zur tateinheitlich mit gefährlicher Körperverletzung begangenen Freiheitsberaubung in zwei Fällen und wegen Freiheitsberaubung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die nicht näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zu einer Änderung des Schuld- und Strafausspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
Die Annahme von zwei selbständigen, realkonkurrierenden Taten begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Rz. 3
1. Nach den Feststellungen brachten die Täter am 2. März 2015 die beiden Tatopfer M. und I. u.a. durch Schläge und Tritte in ihre Gewalt und legten sie an Händen und Füßen mit Kabelbindern gefesselt in den Laderaum eines Transporters, um sie durch Drohungen zur Rückgabe der Beute aus einer von einem der Täter begangenen Raubtat zu veranlassen. Die Angeklagte unterstützte das Vorgehen gegen die Opfer, indem sie die Anmietung des Transporters übernahm, Fahrdienste leistete und die Opfer unter einem Vorwand zum Tatort brachte. Nachdem M. zur Verhinderung einer Tatentdeckung getötet worden war, verblieb der Geschädigte I. weiter bis zu seiner Freilassung in W. am 19. März 2015 in der Gewalt der Täter. Die Angeklagte, die ursprünglich davon ausgegangen war, dass beiden Opfern nur kurze Zeit ihre Bewegungsfreiheit genommen werden sollte, beteiligte sich aufgrund eines neuen Entschlusses ab dem Nachmittag des 3. März 2015 auf vielfältige Weise an dem weiteren Festhalten des I.. So mietete sie ein Hotelzimmer zur gemeinsamen Übernachtung, stellte ihr Fahrzeug zur Verfügung, fungierte als Fahrerin, fertigte ein zur Einschüchterung des Tatopfers bestimmtes Video und bewachte zeitweise das Opfer.
Rz. 4
2. Während die Strafkammer die von der Angeklagten geleistete Unterstützung der Täter bei der Überwältigung der Opfer als Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Beihilfe zur Freiheitsberaubung – jeweils in zwei tateinheitlichen Fällen – gewürdigt hat, hat es die spätere Mitwirkung an dem Festhalten des Opfers I. als mittäterschaftlich begangene Freiheits- beraubung nach § 239 Abs. 3 Nr. 1 StGB gewertet. Beide Taten stehen nach Auffassung des Landgerichts in Tatmehrheit, da die Angeklagte den Entschluss, sich an dem vom ursprünglichen Tatplan nicht mitumfassten Vorgehen gegen I. zu beteiligen, erst zu einem Zeitpunkt gefasst habe, als ihre Beihilfeleistung beendet war.
Rz. 5
Die konkurrenzrechtliche Bewertung der Strafkammer hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Indem die Angeklagte ab dem 3. März 2015 an dem weiteren Festhalten des Tatopfers täterschaftlich mitwirkte, ist sie bezogen auf die Freiheitsberaubung zum Nachteil des I. in Kenntnis und Billigung des bisher Geschehenen in die laufende Ausführungshandlung eingetreten und hat sich mit den anderen vor Beendigung der Tat zu deren gemeinschaftlichen weiteren Ausführung verbunden. Damit bezieht sich ihr Einverständnis auf die Gesamttat, sodass ihr nach den Grundsätzen der sukzessiven Mittäterschaft (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 2016 – 4 StR 563/15, NStZ 2016, 607, 609 mwN) die gesamte Tat zugerechnet werden kann. Die mittäterschaftliche Zurechnung der Freiheitsberaubung in ihrer Gesamtheit führt dazu, dass die frühere, zur selben materiell-rechtlichen Tat geleistete Beihilfe hinter der schwerer wiegenden täterschaftlichen Tatbeteiligung zurücktritt (vgl. Murmann in Satzger/Schluckebier/ Widmaier, StGB, 3. Aufl., § 27 Rn. 14 mwN; Rissing-van Saan in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., vor § 52 Rn. 137 mwN). Die durch dieselbe Handlung erbrachte Beihilfe zu den gefährlichen Körperverletzungen zum Nachteil beider Tatopfer und der Freiheitsberaubung zum Nachteil des Getöteten steht zu der mittäterschaftlichen Freiheitsberaubung gemäß § 239 Abs. 3 Nr. 1 StGB in Tateinheit.
Rz. 6
3. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend, wobei die von der Strafkammer zutreffend angenommene Verwirklichung der Qualifikation des § 239 Abs. 3 Nr. 1 StGB in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 4. März 2009 – 2 StR 578/08). § 265 StPO steht nicht entgegen. Der Senat setzt die bisherige Gesamtfreiheitsstrafe in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO als Einzelstrafe fest. Da der Unrechtsgehalt des Handelns der Angeklagten von der abweichenden Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses unberührt bleibt und die Strafkammer die enge Verknüpfung der als selbständig bewerteten Taten ausdrücklich strafmildernd berücksichtigt hat, ist auszuschließen, dass das Landgericht bei zutreffender Annahme einer materiell-rechtlichen Tat auf eine niedrigere Freiheitsstrafe erkannt hätte.
Rz. 7
4. Der geringe Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, die Angeklagte von den Kosten und Auslagen ihres Rechtsmittels teilweise freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Unterschriften
Franke, Roggenbuck, Cierniak, Bender, Feilcke
Fundstellen
Haufe-Index 10488748 |
NStZ-RR 2017, 185 |
StV 2017, 799 |