Verfahrensgang
LG Aachen (Entscheidung vom 16.07.2021; Aktenzeichen 68 KLs 3/21) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 16. Juli 2021 soweit es ihn betrifft,
a) im Schulspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte in den Fällen 2 bis 5 der Urteilsgründe jeweils des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist,
b) im Strafausspruch in den Fällen 2 bis 5 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, bandenmäßiger Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben in nicht geringer Menge in fünfzehn Fällen sowie wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ unter Einbeziehung einer weiteren Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt, hinsichtlich eines angeklagten Falls das Verfahren eingestellt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 2
1. Während die Überprüfung der angegriffenen Entscheidung im Übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat, hält der Schuldspruch wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in den Fällen 2 bis 5 der Urteilsgründe rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Feststellung, dass der Angeklagte als Mitglied einer Bande handelte, ist in den Urteilsgründen nicht tragfähig mit Tatsachen belegt.
Rz. 3
a) Wesentliches Merkmal einer Bande ist die auf eine gewisse Dauer angelegte Verbindung von mindestens drei Personen zur gemeinsamen Deliktsbegehung (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2001 - GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 325 ff.; Urteile vom 22. April 2004 - 3 StR 28/04 Rn. 6; vom 29. Februar 2012 - 2 StR 426/11 Rn. 11 und vom 3. September 2014 - 1 StR 145/14 Rn. 20 mwN). Ob jemand Mitglied einer Bande ist, bestimmt sich allein nach der deliktischen Vereinbarung, der sogenannten Bandenabrede. Das auf Dauer angelegte Zusammenwirken mehrerer selbständiger, eigene Interessen verfolgender Geschäftspartner begründet beim Betäubungsmittelhandel auch dann keine Bande, wenn die Beteiligten in einem eingespielten Bezugs- und Absatzsystem im Rahmen einer andauernden Geschäftsbeziehung tätig werden (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2015 - 3 StR 627/14 Rn. 5 mwN). Ob eine Person, die regelmäßig von einem bestimmten Verkäufer Betäubungsmittel zum Zwecke des gewinnbringenden Weiterverkaufs bezieht, in dessen Absatzorganisation als verlängerter Arm eingebunden ist oder dieser auf der Abnehmerseite als selbständiger Geschäftspartner gegenübersteht, beurteilt sich wesentlich nach der getroffenen Risikoverteilung (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juni 2019 - 1 StR 223/19, NStZ-RR 2020, 47 mwN).
Rz. 4
b) Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte in den Fällen 2 bis 20 der Urteilsgründe jeweils als Bandenmitglied gehandelt hat. Aufgrund einer Gesamtschau ergeben sich eine ausdrückliche oder zumindest konkludente Bandenabrede zwischen dem Angeklagten, F., dem Zeugen G. und dem gesondert verfolgten M.. Dies folge aus dem Umstand, dass die beteiligten Personen arbeitsteilig und gleichartig vorgegangen seien. Sie hätten dabei im gesamten Tatzeitraum in einer Vielzahl von Fällen nach der gleichen, gut strukturierten Vorgehensweise bei einer klar festgelegten Aufgabenverteilung und Hierarchie gehandelt. Der Angeklagte habe dabei die Aufgabe gehabt, Marihuana zeitweise in seiner Wohnung zu lagern und in bestimmten Fällen auch abzuverkaufen. Auch wenn der Angeklagte den Preis des von ihm veräußerten Marihuanas und die Personen seiner Abnehmer selbst habe bestimmen können, stehe dies der Annahme eines bandenmäßigen Handeltreibens nicht entgegen. Denn der Angeklagte sei in das Absatzsystem um F. so eingebunden gewesen, dass er diesem nicht als selbständiger Geschäftspartner gegenübergestanden habe.
Rz. 5
Während in den Fällen 6 bis 20 der Urteilsgründe, in denen der Angeklagte entsprechend einer mit F. getroffenen Vereinbarung größere Mengen Marihuana in seiner Wohnung lagerte und beim Abverkauf dieser Betäubungsmittel nach Kontaktaufnahme durch F., M. und G. Hilfe leistete, eine bandenmäßige Einbindung des Angeklagten belegt ist, fehlen in den Fällen 2 bis 5 der Urteilsgründe entsprechende tragfähige Belege. In diesen Fällen „erhielt“ der Angeklagte vier Mal je 500 Gramm Marihuana zu einem Preis von jeweils 2.600 €. Einen Teil des Marihuanas tauschte der Angeklagte gegen Amphetamin. Von den Betäubungsmitteln deckte er teilweise seinen Eigenkonsum. Das übrige Rauschgift veräußerte er zu nicht genau bestimmbaren Verkaufspreisen an seine Abnehmer, die sich überwiegend telefonisch mit ihm in Verbindung setzten und die Betäubungsmittel in der Regel bei ihm in der Wohnung abholten. Vor diesem Hintergrund stellen sich die vier Betäubungsmittelgeschäfte nicht als Taten bandenmäßiger Begehung dar. Vielmehr erwarb der Angeklagte - ohne dass in diesen Fällen, anders als in den Fällen 6 bis 20 der Urteilsgründe, andere Bandenmitglieder in die Geschäfte eingebunden waren und ohne dass es in den Feststellungen des Landgerichts Hinweise darauf gibt, dass sie auch nur informiert waren - von F. vier größere Mengen an Betäubungsmitteln zu einem Festpreis von 2.600 €. Diese konnte er ohne Vorgaben und Beschränkungen weiterverkaufen; auch war es ihm möglich, aus den Betäubungsmitteln seinen Eigenkonsum zu bestreiten. Entscheidend war, wie sich aus den Feststellungen zum unmittelbar vorangegangenen Fall 1 der Urteilsgründe ergibt, dass der „Kaufpreis“ vom Angeklagten, den er nachträglich aus den Erlösen der Abverkäufe abbezahlen konnte, vollständig beglich. Bei dieser Sachlage trug der Angeklagte das Risiko, mit den ihm überlassenen Betäubungsmitteln den fälligen Kaufpreis zu begleichen, weshalb er in diesen Fällen nicht als Mitglied der Bande, sondern als gegenüber F. selbständiger Geschäftspartner handelte.
Rz. 6
Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden können, die zu einer Verurteilung wegen bandenmäßiger Begehung führen können, und stellt den Schuldspruch auf vier Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge um. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der geständige Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
Rz. 7
2. Die Änderung des Schuldspruchs führt zum Wegfall des Strafausspruchs in den Fällen 2 bis 5 der Urteilsgründe und entzieht dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage.
Franke |
|
Krehl |
|
Meyberg |
|
Grube |
|
Schmidt |
|
Fundstellen
Dokument-Index HI15391128 |